Nicht nur in der öffentlichen Diskussion, sondern auch in der Verwaltung hält mehr und mehr der nachhaltige Gedanke der Ökologie Einzug in die Beschaffungspraxis. So wurde etwa im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung beschlossen bzw. im Bundes-Klimaschutzgesetz gesetzlich verankert, dass die Bundesverwaltung bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden soll. Auch im Vergaberecht hat der Gesetzgeber im Lichte dieser Ziele bereits mit der GWB-Novelle 2016 das Thema Nachhaltigkeit und - wie die § 97 Abs. 3 GWB bzw. § 2 Abs. 3 UVgO zeigen - auch die Ökologie, in den Fokus zukünftiger Beschaffungsvorgänge gestellt. Außerhalb dieser allgemeinen Normen ist die klare gesetzgeberische Intention zu erkennen, zukünftig vermehrt die Ökologie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein Grund für uns, dem Mythos ökologische Beschaffung einmal näher zu beleuchten.
Von Bleistiften bis zu Bussen für den öffentlichen Personennahverkehr, die öffentliche Hand beschafft die gesamte Bandbreite des Marktes und dies äußerst umfangreich. Diese erhebliche Nachfragemacht lässt sich bewusst nutzen, um Umweltbelastungen zu reduzieren, das Angebot umweltfreundlicher Produkte und Dienstleistungen zu verbessern oder die Markteinführung innovativer umweltfreundlicher Produkte gezielt zu unterstützen. Zum Beispiel entstehen beim Einsatz von Stadtbussen mit geringem Kraftstoffverbrauch oder bei der Verwendung energieeffizienter Geräte weniger Kosten. Wie groß die Einsparung im Einzelfall ist, lässt sich meist schnell ermitteln, wenn bei der Angebotswertung auch die Folgekosten (sog. Lebenszykluskosten) beachtet werden. Langlebige Produkte schonen den Geldbeutel der öffentlichen Hand. Schließlich ist nicht zu vergessen, dass von einer ökologischen Beschaffung auf staatlicher Seite ein Vorbildeffekt ausgehen kann, der auch das private Konsumverhalten prägt.
Zuletzt wurden im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und im Bundes-Klimaschutzgesetz verpflichtende Regelungen für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung eingeführt, welche die allgemeinen Zielvorgaben der § 97 Abs. 3 GWB bzw. § 2 Abs. 3 UVgO konkretisieren. Ziel der Ende 2020 in Kraft getretenen Neuregelungen ist es, die Beschaffungsstellen der Bundesverwaltung zukünftig einen größeren Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung und zur Kreislaufwirtschaft leisten und damit ihrer Vorbildfunktion beim nachhaltigen Konsum gerecht werden zu lassen. So regelt der neue § 45 Abs. 2 KrWG, dass bei der Beschaffung nunmehr denjenigen Erzeugnissen der Vorzug zu geben ist, die:
Das bedeutet, dass bereits in der Phase der Planung der neue Grundsatz der Bevorzugung angewandt werden muss und in den darauffolgenden Phasen des Vergabeverfahrens auf Umweltkriterien wie z.B. Gütezeichen oder Umweltmanagementsysteme zurückgegriffen wird, wenn diese für die Leistung in Frage kommen. Auch müssen zukünftig Zuschlagskriterien mit Bezug zum Ressourcenschutz eine hohe Wertung zukommen.
Zuvor waren lediglich ökologische Prüfpflichten vorgesehen, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwar einzuhalten waren, die ökologischen Aspekte aber nicht verpflichtend förderten. So schränkt der § 45 Abs. 2 KrWG das Ermessen der allgemeinen Zielbestimmungen (etwa § 97 Abs. 3 GWB) konsequent ein und setzt klare Maßstäbe bei der ökologischen Ausrichtung öffentlicher Beschaffungen.
Aber nicht nur das KrWG statuiert neue Konkretisierungen im Hinblick auf den § 97 Abs. 3 GWB. Bereits zuvor war, mit dem seit dem 12. Dezember 2019 geltenden § 13 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) die das GWB konkretisierende Pflicht in Kraft getreten, welche Beschaffungsstellen dazu verpflichtet, die Klimaschutzziele aus dem Gesetz zu berücksichtigen. Gemäß § 13 Abs. 2 S. 1 KSG muss bei der Beschaffung geprüft werden, wie zu den Zielen aus § 3 KSG beigetragen werden kann. Das Berücksichtigungsgebot und damit eine Bevorzugungspflicht für klimaschonende Leistungen ist in § 13 Abs. 2 S. 2 KSG verankert: „Kommen mehrere Möglichkeiten bei der Planung, Auswahl und Durchführung von Investitionen und bei der Beschaffung infrage, dann ist in Abwägung mit anderen relevanten Kriterien mit Bezug zum Zweck der Investition solchen der Vorzug zu geben, mit denen das Ziel der Minderung von Treibhausgasemissionen über die gesamte Nutzungsdauer des Investitionsguts oder Beschaffungsguts zu den geringsten Kosten erreicht werden kann.“ Auch hier setzt das Gesetz, wie § 45 KrWG, bereits zu Beginn des Beschaffungsprozesses an, so dass schon bei der Bestimmung der Leistung die klimaverträglichere Variante gewählt werden muss und insoweit eine Ermessensreduzierung vorgegeben wird. Das KSG geht hier jedoch sogar noch einen Schritt weiter als das KrWG und konkretisiert für die Beschaffungsstellen in Abs. 3, dass bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Lebenszykluskosten beachtet werden müssen. Insofern ist das Ermessen aus § 59 VgV für die Beschaffungsstellen auf null reduziert worden. Aus dem grundsätzlichen Ermessen des § 59 VgV wird durch § 13 Abs. 3 KSG somit eine gebundene Entscheidung.
Ökologie ist vielleicht DER Kernbestandteil des Worts „Nachhaltigkeit“. Nicht zuletzt die hier dargestellten Neuregelungen zeigen, wie der Gesetzgeber eine klare (ökologische) Richtung für die zukünftige Ausrichtung staatlicher Beschaffungsvorgänge vorgibt und insoweit exekutives Ermessen reduziert. Öffentliche Auftraggeber und Bieter müssen sich hierauf einstellen und sollten selbst bereits unabhängig von einer konkreten Ausschreibung ökologische Aspekte in den Blick nehmen und ihre Prozesse an den gesetzlichen Vorgaben ausrichten, um von zukünftigen ökologisch orientierten Verfahren nicht überrascht zu werden. Neben stets zu empfehlender juristischer Expertise, erläutert ein Rechtsgutachten zur umweltfreundlichen Beschaffung des Umweltbundesamtes die neuen Vorschriften eingehend. Darüber hinaus stellt das Umweltbundesamt für Beschaffungsstellen ausführliche Arbeitshilfen unter www.beschaffung-info.de, wie zum Beispiel Beschaffungsleitfäden für viele Produkte und Dienstleistungen oder Schulungsskripte, zur Verfügung.
Nachhaltigkeit ist keine leere Hülle, Ökologie kein Mythos (mehr). Dies zeigt neben den Gesetzesänderungen auch die immer größere öffentliche Debatte. Ökologisch zu handeln kann ein positives Image haben, aber jedenfalls ist es stets ein Gewinn für unseren Planeten. Durch die „Einpreisung“ in den Lebenszykluskosten kann sich der ökologische Fortschritt auch neben den gesetzlichen Regelungen zum Verfahren selbst, im Angebot und der Vertragsausgestaltung niederschlagen.