Unwirksame Errichtung eines Aufsichtsrats aufgrund gesellschafts-vertraglicher Öffnungsklausel und Konsequenzen für die Praxis

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Michael Gaßner

Counsel
Deutschland

Ich bin Counsel in unserem Münchner Corporate-Team und berate Mandanten im Gesellschafts- sowie Handelsrecht, mit besonderem Fokus auf Technologie und Kommunikation sowie Life Sciences.

GmbHG §§ 52, 53, 54
 
Selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Möglichkeit zur Errichtung eines Aufsichtsrats vorsieht, muss der Beschluss zur Errichtung des Aufsichtsrats notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden.
 
KG, Zwischen- und Endurteil vom 09.11.2017 – 23 U 67/15; NZG 2018, 660
 
Sachverhalt

Der Gesellschaftsvertrag der streitgegenständlichen GmbH sieht vor, dass ein aus drei oder sechs Mitgliedern bestehender Aufsichtsrat mit der Kompetenz zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern mittels eines einfachen Gesellschafterbeschlusses eingerichtet werden kann.

Mit den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters wurde ein solcher Aufsichtsrat durch einfachen Gesellschafterbeschluss gebildet. Zusätzlich wurde dem Aufsichtsrat die Kompetenz erteilt, Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien.

Der Aufsichtsrat beschloss die Abberufung des Geschäftsführers und die Kündigung dessen Anstellungsvertrags. Der Geschäftsführer klagte vor dem LG Berlin. Das LG Berlin hielt die Abberufung für wirksam. Das KG hob die Entscheidung auf.

Entscheidung

Die Errichtung eines GmbH-Aufsichtsrats müsse, auch bei Vorliegen einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag notariell beurkundet und in das Handelsregister der Gesellschaft eingetragen werden. Ein einfacher Gesellschafterbeschluss sei nicht ausreichend.Die §§ 53, 54 GmbHG bestimmen die formellen Anforderungen an eine Satzungsänderung – notarielle Beurkundung sowie Eintragung. Der Senat hält diese Bestimmungen für zwingendes Recht, das nicht mittels des Gesellschaftsvertrags außer Kraft gesetzt werden könne. Die Umwandlung in eine GmbH mit Aufsichtsrat sei eine tiefgreifende, zustandsbegründende Änderung der Gesellschaftsverfassung und unterliege als solche den zwingenden Bestimmungen der §§ 53 und 54 GmbHG. Allenfalls könne das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit (53 II GmbHG) per Öffnungsklausel überwunden werden. Die Errichtung sei zudem unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 53, 54 GmbHG unwirksam, da die dem Aufsichtsrat eingeräumte Kompetenz zur Befreiung der Geschäftsführer von § 181 BGB im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen war.

Der Aufsichtsrat der GmbH sei somit nicht wirksam bestellt worden. Die Beschlüsse zur Abberufung des Geschäftsführers seien unwirksam.

Praxisfolgen

Das KG hält in diesem Urteil an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2015 fest. In der Literatur wird beträchtliche Kritik an diesen Entscheidungen geübt. Die Argumente der Literatur sind nach unserer Auffassung überzeugend und zudem praxisgerecht:  Die drei durch eine solche Regelung betroffenen Gruppen, die derzeitigen und künftigen Gesellschafter sowie der Rechtsverkehr, der mit der Gesellschaft in Kontakt kommt, sind ausreichend geschützt. Die derzeitigen Gesellschafter haben den Struktureingriff bereits in Gestalt der entsprechenden Satzungsklausel vorweggenommen. Einer erneuten notariellen Beurkundungspflicht lässt sich entgegenhalten, dass die notarielle Belehrung bereits bei Einfügung der Öffnungsklausel erfolgt ist. Künftige Gesellschafter erfahren durch Einsicht des Gesellschaftsvertrags von der Klausel und können sich über das Vorhandensein eines Aufsichtsrats informieren. Der Rechtsverkehr ist durch §52 Abs. 3 Satz 2 GmbHG geschützt, der die Einreichung einer aktuellen Liste der Aufsichtsratsmitglieder zum Handelsregister vorsieht. 

Das KG nimmt mit seiner Rechtsprechung gravierende Konsequenzen insbesondere für mittelständische Unternehmen in Kauf, da Fragen der Aufsichtsratserrichtung häufig wegen langfristiger Rechtswirkungen und insbesondere im Hinblick auf die von einem solchermaßen errichteten Gremium veranlassten Rechtsakte (Bestellung von Geschäftsführern, Freigabe von genehmigungspflichtigen Geschäften) eine hochgradig sensible Thematik betreffen mit möglichen Folgewirkungen auch für die Zukunft. Das KG trifft daher eine Entscheidung gegen eine viele Jahrzehnte alte, einhellige Auffassung von Literatur und Rechtsprechung.

Die weitere Entwicklung sollte genau beobachtet werden, insbesondere, ob die derzeit breite Front in Judikatur und Literatur in Bezug auf die Einzelmeinung des KG zu dieser Sachfrage bröckelt und daher ggf. mit Änderungen in den Gesellschaftsverträgen der GmbHs reagiert werden muss.

 

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