Am 21. Juni 2021 fällte der US Supreme Court sein lang erwartetes Urteil im Fall Alston gegen die NCAA.
Die Richter entschieden einstimmig, dass die National Collegiate Athletic Association (NCAA) den Universitäten in den USA nicht verbieten kann, Athleten bestimmte Formen von bildungsbezogenen Leistungen zu gewähren, wie z. B. sog. „postgraduate“ Stipendien, die Computerausstattung oder bezahlte Praktika.
Die Entscheidung beendete einen Streit, der vor sieben Jahren als Sammelklage von College Sportlern gegen die NCAA und die großen Collegesportkonferenzen eingereicht wurde. Obwohl diese Entscheidung nur bildungsbezogene Leistungen betrifft, könnte die Entscheidung, den College-Sport in den USA als Ganzes verändern.
Die Geschichte des US-College-Sports beginnt im Jahr 1852: Studenten aus Harvard und Yale nahmen am wohl ersten universitären Wettbewerb der Nation teil - einem Bootsrennen am Lake Winnipesaukee in New Hampshire. Bereits dieses Rennen wurde von einer Eisenbahngesellschaft gesponsert. Diese bot den Mannschaften einen komplett bezahlten Urlaub an - zusammen mit einer unbegrenztem Menge an Alkohol - oder wie es das Urteil des Obersten Gerichtshofs ausdrückt: "Von Anfang an hatten amerikanische Colleges und Universitäten eine komplizierte Beziehung zu Sport und Geld."
Der College-Sport in den USA wird von der National Collegiate Athletic Association organisiert, die die verschiedenen Ligen und Meisterschaften veranstaltet, an denen die verschiedenen Universitäten teilnehmen können. Dort sind etwa 1.100 Colleges und Universitäten organisiert. Diese sind in drei Divisionen unterteilt. Die Divison I ist dabei die höchste Spielklasse - sie zieht dementsprechend das meiste Geld und die talentiertesten Sportler an. Die NCAA organisiert den Sport und erlässt hierzu Regelwerke. An diese sind die Universitäten und Athleten durch Verträge gebunden, die bei der Einschreibung vom Sportler unterzeichnet werden müssen. Im Gegensatz zu Profisportlern, die in den professionellen Ligen (z. B. NFL oder NBA) antreten, gelten College-Sportler als Studenten, die aufgrund eines Stipendiums an der jeweiligen Hochschule studieren können. Sie werden von der NCAA als Amateure eingestuft. Die entsprechenden Regeln der NCA verbieten es hierbei den Collegesportlern, sich einerseits für ihre Leistungen bezahlen zu lassen und andererseits ihre Rechte an Bild, Namen und der sog. „Likeliness“ vermarkten zu dürfen.
Während die College-Athleten als Amateure eingestuft werden, hat sich die NCAA im Laufe der Jahrzehnte durchaus zu einem gut florierenden Wirtschaftsunternehmen entwickeln können. Der aktuelle Fernsehvertrag der NCAA für das alljährliche Endrunden Basketballturnier der Männer, bekannt als „March Madness“ ist pro Jahr etwa 1,1 Milliarden US-Dollar wert. Über diese Summen hinaus erzielen die Division I-Konferenzen beträchtliche Einnahmen aus den Spielen der regulären Saison: Die Southeastern Conference (SEC) hat allein im Jahr 2017 mehr als 409 Millionen US-Dollar durch die Fernsehverträge eingenommen, die Gesamteinnahmen der Konferenz liegen in diesem Jahr bei etwa 650 Millionen US-Dollar. Der Präsident der NCAA verdient jährlich fast 4 Millionen US-Dollar. Außerdem verdienen College-Sportdirektoren im Durchschnitt mehr als 1 Million US-Dollar und die Gehälter von Top-College-Footballtrainern der Division I erreichen fast 11 Millionen Dollar pro Jahr.
Im Jahr 2014 klagte dann Alston, ein Division-1-Football-Spieler. Er argumentierte, dass die Regel, die seine Vergütung auf das kostenlose Studium an der Universität beschränkt, gegen das US-Kartellrecht verstieße. Hierdurch seien die Athleten gehindert, eine marktgerechte Vergütung für ihre Leistungen zu erhalten. Das gleiche Bundesbezirksgericht in Kalifornien wie im vorherigen O'Bannon-Verfahren stimmte ihm teilweise zu: Es entschied, dass die NCAA nur Leistungen einschränken kann, die nicht mit der Ausbildung zusammenhängen (wie z. B. Arbeitslohn), aber es verbot der NCAA, ausbildungsbezogene Leistungen zu beschränken. Hier argumentierte das Gericht, dass die Beschränkung der nicht ausbildungsbezogenen geldwerten Vorteile durchaus als Preisabsprachen angesehen werden könnten, jedoch könnten diese Beschränkung des freien Wettbewerbes angemessen sein: Denn Gehälter auf professionellem Niveau könnten die Grenze zwischen Amateur- und Profisport verwischen.
Nachdem der U.S. Court of Appeals des neunten Distrkts die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte, wandte sich die NCAA an den Supreme Court, der Ende letzten Jahres den Fall zur Entscheidung annahm.
Zunächst muss die NCAA kurzfristig ihr Regelwerk ändern, um dem Urteil des US Supreme Court zu entsprechen. Dies ist jedoch nicht das Ende in der Saga des US-Collegesports. Bereits im Juli 2021 tritt in einigen US-Bundesstaaten, wie z.B. Florida, eine neue Gesetzgebung in Kraft. Diese Gesetzgebung ist eine direkte Folge des früheren O'Bannon-Urteils und sichert die Rechte von College-Sportlern, eine Vergütung für die Vermarktung ihres Namens, ihres Images und ihrer „likeliness“ zu erhalten. Allerdings haben nur wenige Bundesstaaten eine solche Gesetzgebung auf den Weg gebracht.
Daher wird erwartet, dass bald ein Bundesgesetz den US Collegesport regeln wird. Einige Gesetzesentwürfe werden diesbezüglich bereits diskutiert. Diese müssen allerdings noch den Kongress passieren. Es bleibt abzuwarten, wie weit die künftige Gesetzgebung gehen wird und ob sie - nach dem Alston-Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die concurrent opinion - auch Regeln für die Bezahlung von Collegesportlern enthalten wird.
Sie möchten tiefer in die Thematik einsteigen? Dann empfehlen wir Ihnen die Sonderfolge "Wie illegal ist die NCAA?" des Sportrechtspodcasts Liebling Bosman, in der unser Rechtsreferendar Ansgar Faßbender, LL.M. und Co-Autor dieses Artikels über die Entscheidungsgründe und mögliche Auswirkungen des Urteils auf den US-Collegesport spricht.
Die Episode finden Sie hier >>
US Supreme Court - NCAA v. Alston et al. – 21. June 2021 >>
US Court of Appeals Ninth Circuit – O’Bannon Jr. v. NCAA – 17 March 2015 >>
Wir danken unserem Rechtsreferendar Ansgar Faßbender, LL.M. für die Unterstützung.