Neue Handreichung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bietet Hilfestellung zur Umsetzung der Risikoanalyse nach dem Sorgfaltspflichtengesetz
Am 17. August 2022 hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend „BAFA“)* , eine sog. „Handreichung zur Umsetzung der Risikoanalyse nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ veröffentlicht. Das BAFA konkretisiert in dieser Leitlinie die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zur Vorbereitung und Umsetzung einer Risikoanalyse und bietet den Unternehmen hierdurch eine wertvolle Hilfestellung zur Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (nachfolgend „LkSG“). Für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, bedeutet dies einerseits eine gewisse Klarheit hinsichtlich der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen. Andererseits bestätigt die Handreichung aber, dass die Implementierung einer LkSG-konformen Risikoanalyse einen erheblichen (Mehr-)Aufwand begründet und unerlässlich für ein angemessenes und wirksames Risikomanagement im Unternehmen ist.
Zum 1. Januar 2023 tritt das LkSG (auch unter dem Begriff „Lieferkettengesetz“ bekannt) in Kraft. Mit dem Gesetz wird auf nationaler Ebene erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und umweltbezogenen Pflichten in den Lieferketten geregelt. Das LkSG verpflichtet ab dem 1. Januar 2023 zunächst in Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern bestimmte Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten einzuhalten. Ab dem 1. Januar 2024 erstreckt sich das Gesetz dann auch auf Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern. Allerdings ist insoweit zu beachten, dass auch kleinere Unternehmen (sog. "SMEs“), die unter dieser Schwelle liegen, ebenfalls vom LkSG betroffen sein können. Denn es ist zu beobachten, dass die nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen ihre gesetzlichen Pflichten vertraglich entlang ihrer Lieferketten weiterreichen (sog. „trickle-down-Effekt“). Auch kleine Unternehmen sollten daher ihre Kundenverträge entsprechend überprüfen und sich ggf. auf die Einhaltung weitergehender Pflichten vorbereiten.
Darüber hinaus hat am 23. Februar 2022 auch die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette vorgelegt. Dieser Vorschlag der EU-Kommission sieht an vielen Stellen deutlich strengere Regelungen als das deutsche LkSG vor (insbesondere im Hinblick auf die Risikoanalyse hinsichtlich mittelbarer Zulieferer).
Ein wesentliches Element des LkSG bildet die Durchführung einer sog. Risikoanalyse, vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 5 LkSG. Nach dieser sind Unternehmen dazu verpflichtet, eine angemessene (jährliche bzw. anlassbezogene) Risikoanalyse durchzuführen. Ziel der Risikoanalyse ist es, Kenntnis über die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette zu erlangen. Auf Basis der Risikoanalyse müssen Unternehmen sodann entsprechende Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen (vgl. §§ 6, 7 LkSG).
Das LkSG enthält jedoch keine spezifischen Vorgaben hinsichtlich der genauen Durchführung einer Risikoanalyse. Vielmehr überlässt das Gesetz die konkrete Ausgestaltung dem unternehmerischen Ermessen. Das Gesetz fordert bloß eine angemessene Gewichtung und Priorisierung der ermittelten Risiken (vgl. § 5 Abs. 2 LkSG). Zudem muss die Analyse dem Unternehmen ermöglichen, menschrenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen (vgl. § 4 Abs. 2 LkSG). Angesichts des Fehlens klarer gesetzgeberischer Anforderungen an die Durchführung Risikoanalyse war bislang weitgehend unklar, welche genauen Maßnahmen erforderlich sind, um eine LkSG-konforme Risikoanalyse zu implementieren. Die Handreichung vom BAFA hat diesbezüglich (jedenfalls teilweise) „Licht ins Dunkle“ gebracht und gibt Unternehmen erstmals konkrete Anhaltspunkte für die Durchführung der Risikoanalyse an die Hand.
Die BAFA Handreichung enthält verschiedene Informationen Hilfestellungen für Unternehmen zur Ermittlung, Gewichtung und Priorisierung von Risiken sowie zu den Schritten einer Risikoanalyse. Die wichtigsten Punkte der Handreichung sind dabei die Folgenden:
Hohe Bedeutung der Risikoanalyse muss Rechnung getragen werden
Die Handreichung des BAFA betont ein weiteres Mal die hohe Bedeutung der Risikoanalyse innerhalb eines dem LkSG entsprechenden Risikomanagementsystems und liefert endlich (zumindest einige) Antworten auf dringende Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Implementierung der Risikoanalyse nach § 5 LkSG stellen.
Inhalte der Handreichung prüfen und falls notwendig umsetzen
Auch wenn es sich bei der Handreichung lediglich um unverbindliche Empfehlungen der Kontrollbehörde und damit gerade nicht um ein Gesetz handelt, sollten Unternehmen die Handreichung sorgfältig prüfen und die Hinweise (bei Bedarf) in ihr eigenes Risikomanagementsystem integrieren. Zudem sollten Unternehmen überprüfen, ob eine Anpassung ihrer eigenen Standardvertragswerke (Code of Conduct, Allgemeine Geschäftsbedingungen etc.) erforderlich ist.
Risikoanalyse mittelbarer Zulieferer nicht vernachlässigen
Unternehmen sollten umgehend evaluieren, inwiefern sie verpflichtet sind, mittelbare Zulieferer anlassbezogen in ihre Risikoanalyse miteinzubeziehen. Insoweit ist vor allem rechtlich zu überprüfen, ob potentielle Informationen über einen mittelbaren Zulieferer als „substantiierte Kenntnis“ zu qualifizieren sind. Darüber hinaus sollten Unternehmen entscheiden, ob sie der (über das LkSG hinausgehende) Empfehlung des BAFA folgen und bereits jetzt mittelbare Zulieferer proaktiv in ihre jährliche (anlasslose) Risikoanalyse miteinbeziehen. Dies kann sich für einige Unternehmen (insbesondere im Hinblick auf die Inhalte des europäischen Richtlinienvorschlag vom 22. Februar 2022) durchaus anbieten.
Auch kleinere Unternehmen in der Pflicht
Auch wenn die Überarbeitung interner Compliance-Strukturen mit (erheblichen) finanziellen und personellen Mehrbelastungen verbunden sind, sollten sich auch kleinere Unternehmen / SMEs bereits jetzt mit der Implementierung eines LkSG-konformen Risikomanagements befassen. Denn wie erwähnt, ist seit längerem zu beobachten, dass sich größere Unternehmen und Konzerne durch verschiedene Regelungen in ihren Standardvertragswerken von ihren Vertragspartnern eine umfassende Einhaltung von Sorgfaltspflichten im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes zusichern lassen. Damit sind viele SMEs unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung vertraglich verpflichtet, die Sorgfaltspflichten des LkSG zu wahren. Deshalb sollten sie ihre Kundenverträge in einem ersten Schritt auf entsprechende Pflichtenübernahmen prüfen.
Beobachtung des weiteren Geschehens
Unternehmen sollten das weitere Geschehen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des LkSG ab dem 1. Januar 2023 weiter aufmerksam verfolgen. Insbesondere in den nächsten Wochen ist damit zu rechnen, dass das BAFA weitere Handreichungen, unter anderem zu den Themen „Angemessenheit zu Maßnahmen der Unternehmen im Sinne des LkSG“ und „Beschwerdeverfahren“ veröffentlichen wird. Dies hat das BAFA bereits angekündigt.
*Dem BAFA obliegt nach § 19 LkSG die Kontrolle und Durchsetzung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG. Zu diesem Zweck ist das BAFA mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet. Beispielsweise kann das BAFA zur Durchsetzung der Sorgfaltspflichten Zwangsgelder einsetzen (§ 23 LkSG) und/oder Verstöße mit Bußgeldern ahnden (§ 24 LkSG). Vor diesem Hintergrund droht beispielsweise ein Bußgeld wenn die Risikoanalyse nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig durchgeführt wird (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 LkSG). Das BAFA ist nach § 20 S. 1LkSG aber ebenfalls dazu verpflichtet, mittels sog. Handreichungen, Hilfestellungen und Empfehlungen zur Einhaltung des LkSG zu geben. Dieser Pflicht ist das BAFA mit der Veröffentlichung der ersten Handreichung zum LkSG nun erstmals nachgekommen.