Nach langem Warten: Das Hinweisgeberschutzgesetz ist am 2. Juli 2023 endlich in Kraft getreten. Das müssen Arbeitgeber jetzt wissen.
Bereits im Jahr 2019 hat die Europäische Union die Europäische Whistleblower-Richtlinie („WBRL“) verabschiedet. Diese sah eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2021 vor, die jedoch in Deutschland ebenso wie in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten nicht eingehalten wurde.
Nach langem Warten ist schließlich das Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG“) am 2. Juli 2023 in Kraft getreten.
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht im Gegensatz zu dem ursprünglichen Gesetzentwurf folgende Änderungen vor:
Folgende Unternehmen sind zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens verpflichtet:
Unternehmensgröße | Pflicht zur Einrichtung von Meldestellen |
Weniger als 50 AN | Keine Verpflichtung |
Zwischen 50 - 249 AN | Interne Meldestelle ab dem 17. Dezember 2023 |
Mehr als 250 AN | Interne Meldestelle seit dem 2. Juli 2023 |
Zudem müssen in Einrichtungen des öffentlichen Sektors, Behörden sowie Gemeinden ab 10.000 Einwohner:innen EU-weit sichere interne Meldekanäle für Hinweisgeber:innen bereitstehen.
1. Wer wird geschützt?
Von dem Gesetz geschützt werden neben Arbeitnehmer:innen, die Missstände melden, auch Bewerber:innen, ehemalige Arbeitnehmer:innen, Unterstützer:innen des Hinweisgebenden oder Journalist:innen.
2. Was wird geschützt?
Vom Hinweisgeberschutzgesetz umfasst sind Meldungen über Missstände in Bezug auf das nationale Recht und das EU-Recht, wie etwa Steuerbetrug, Geldwäsche oder Delikte im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen, Umweltschutz etc.. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Hinweisgeberschutzgesetzes ist, dass sich der gemeldete Verstoß auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich in Kontakt steht, bezieht.
3. Wovor wird geschützt?
Zweck des Hinweisgeberschutzgesetzes ist der Schutz von Hinweisgeber:innen vor Repressalien (z.B. Kündigungen, Herabstufungen, Mobbing oder Angriffe anderer Art) sowie bereits vor Drohungen mit ebendiesen aufgrund der vorangegangenen Meldung.
Sofern eine hinweisgebende Person nach einer Meldung eine Benachteiligung erleidet, so wird vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung ist. Der Arbeitgeber muss grundsätzlich beweisen, dass zwischen der Repressalie und dem Hinweis kein Kausalzusammenhang besteht, sog. Beweislastumkehr. Allerdings muss der oder die Hinweisgeber:in geltend machen, dass die Benachteiligung eine Repressalie für den Hinweis ist.
An die Meldestellen sind folgende Anforderungen zu stellen:
1. Unabhängigkeit
Die einzurichtenden Meldestellen müssen unabhängig sein. Um diese Unabhängigkeit zu gewährleisten, müssen Interessenkonflikte vermieden werden. Dies soll durch die Besetzung mit mindestens einem oder einer Arbeitnehmer:in sowie einer externen dritten Person gesichert werden.
2. Fachkunde
In qualitativer Hinsicht müssen die ausgewählten Personen die notwendige Fachkunde vorweisen, beispielsweise durch entsprechende Schulungen. Die Mitarbeiter der internen Meldestelle müssen über Funktion, Kompetenzen und Unabhängigkeit der Meldestelle Bescheid wissen sowie über den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes und das Vertraulichkeitsgebot. Eine juristische Ausbildung ist hierfür nicht notwendig; natürlich auch nicht schädlich.
3. Meldewege
Mögliche Meldewege sind schriftliche, persönliche und fernmündliche Kommunikationswege sowie die Nutzung eines Whistleblowing-Portals.
Die Hinweisgeber:innen können entscheiden, ob sie den internen oder den externen Meldeweg nutzen. Eine externe Meldestelle wird beim Bundesamt für Justiz eingerichtet. Gesetzlich ist allerdings vorgesehen, dass interne Meldestellen bevorzugt werden.
Wird eine Meldung durch Hinweisgeber:innen abgegeben, so sind folgende Bearbeitungsfristen von Arbeitgeber:innen zu beachten:
(1) Innerhalb von sieben Tagen muss eine Eingangsbestätigung an den oder die Hinweisgeber:in versandt werden.
(2) Der Hinweis ist sodann innerhalb von drei Monaten zu verfolgen, zu behandeln und ein Abschlussbericht mit der Information über die nachfolgenden Handlungsschritte für Hinweisgeber:innen zu erstellen.
(3) Während des gesamten Meldeprozesses besteht eine Dokumentationspflicht.
(4) Auch anonyme Meldungen sollen durch die Meldestellen bearbeitet werden. Eine Pflicht, die Abgabe von anonymen Meldungen zu ermöglichen, besteht allerdings nicht.
Art des Verstoßes | Sanktionen |
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Bis zu EUR 50.000 |
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Bis zu EUR 20.000 |
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Bis zu EUR 10.000 |
Hat Ihr Unternehmen mehr als 50 Arbeitnehmer:innen sollten Sie dringend prüfen, ob Ihre bestehenden internen Prozesse den gesetzlichen Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes genügen.
Insbesondere Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmer:innen sollten umgehend handeln, da das Hinweisgeberschutzgesetz bereits am 2. Juli 2023 in Kraft getreten ist. Seit dem müssen ebendiese ein gesetzeskonformes Meldesystem eingerichtet haben. Andernfalls drohen Strafen von bis zu EUR 20.000.
(1) Prüfen Sie die Erforderlichkeit eines Hinweisgebersystems in Ihrem Unternehmen.
Achten Sie auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Sicherheitsstandards in Bezug auf Datenschutz und auf die Gewährleistung der Fristen.
(2) Haben Sie bereits ein System implementiert, prüfen Sie bitte, ob dieses ausreicht, um den gesetzlichen Vorgaben standzuhalten.
Machen Sie sich den weiten Anwendungsbereich bewusst, der dem Hinweisgebenden zur Verfügung steht. Faktisch kann jeder Verstoß gegen nationales- oder EU-Recht gemeldet werden, vorausgesetzt der Verstoß erfolgt in einem beruflichen Kontext. Der berufliche Kontext wird weit gefasst und schließt jedenfalls die Kenntnisnahme von Verstößen im privaten Umfeld aus.
(3) Haben Sie noch kein System implementiert, überlegen Sie, ob Sie sich für eine interne oder externe Meldestelle entscheiden wollen.
An dieser Stelle sind die Vor- und Nachteile abzuwägen und auch die Praktikabilität in Ihrem Unternehmen zu prüfen.
(4) Implementieren Sie rechtzeitig ein Hinweisgebersystem – warten Sie nicht zu lange!
Implementieren Sie Ihr Hinweisgebersystem frühzeitig und stellen Sie sicher, dass dieses jedem potenziellen Hinweisgeber zur Verfügung steht. Die Abgabe von Meldungen muss gefördert und darf nicht behindert werden.
(1) Versand einer Eingangsbestätigung an die oder den Hinweisgeber:in innerhalb von sieben Tagen.
(2) Objektive Erstaufnahme des Sachverhaltes und Beurteilung der Dringlichkeit.
(3) Analyse der rechtlichen Tendenz, eventuelle investigative Arbeit, Kommunikation mit dem oder der Hinweisgeber:in.
(4) Abschließende Handlungsempfehlung oder Benachrichtigung über Einstellung der Verfolgung innerhalb von drei Monaten. Dokumentation des (Zwischen-) Ergebnisses.
(5) Kategorien von Handlungsempfehlungen:
(a) Handlungspflicht des Unternehmens, weil beispielsweise eine Straftat oder ein schwerer Verstoß vorliegt.
(b) Ist der Sachverhalt unklar, sollten Arbeitgeber:innen konkrete Ermittlungen aufnehmen, z.B. durch Führung von Gesprächen, Nachfragen oder Recherchen verschiedener Art.
(c) Keine Handlungspflicht des Unternehmens, weil Hinweis nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie bzw. des Gesetzes fällt.
(6) Einleiten von entsprechenden Folgemaßnahmen:
(a) Interne Untersuchungen durchführen.
(b) Hinweisgeber:in an zuständige Stelle verweisen.
(c) Verfahren mangels Beweise einstellen oder Untersuchung an zuständige Behörde abgeben.