Entstehung und Abgeltung von Urlaubsansprüchen – Urlaubsanspruch bei Doppelarbeitsverhältnisse

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Dr. Catharina Klumpp, LL.M.

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Als Partnerin der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht berate ich in- und ausländische Mandanten. Mein Ziel ist es, diese so pragmatisch und lösungsorientiert wie möglich zu unterstützen, um sicherzustellen, dass die gewünschten Änderungen erfolgreich umgesetzt werden können. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf internationalen Technologieunternehmen. Seit 2022 bin ich Mitglied der Geschäftsführung der deutschen Büros.

Die Rechtsprechung des Bundesurlaubsgerichtes sowie des Europäischen Gerichtshofes hat es in den letzten Jahren Arbeitgebern durchaus nicht leicht gemacht, mit strengeren Regelungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen oder zu gestiegenen Anforderungen durch arbeitgeberseitige Hinweispflichten. Erfreulicherweise hat das Bundesarbeitsgericht nun in einer neuerlichen Entscheidung einige Grundprinzipien des Urlaubsrechts bestätigt. Dies nehmen wir zum Anlass, nochmals einige Grundzüge des deutschen Urlaubsrechts zu beleuchten:

Das Bundesurlaubsgesetz (BurlG) gewährt einen gesetzlichen Mindestanspruch auf Urlaub von 20 Tagen pro Kalenderjahr (20 Tage basierend auf einer Fünf-Tage-Woche, 24 Tage basierend auf einer Sechs-Tage-Woche) vor. Anders als in vielen anderen Ländern, wird dieser Urlaub nicht Monat für Monat anteilig „verdient“, sondern den Arbeitnehmern steht jedenfalls nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses bereits zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres der volle Jahresurlaub zu. Ein anteiliger Urlaubsanspruch besteht nur in besonderen Fällen, nämlich wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht sechs Monate bestanden hat (in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses entsteht der Urlaubsanspruch ratierlich in Höhe von 1/12 des Gesamtanspruches für jeden Monat der Beschäftigung), wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte eines Kalenderjahres beginnt oder wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte eines Kalenderjahres endet.

Endet ein Arbeitsverhältnis, das zuvor bereits sechs Monate bestanden hat, in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres, ist der volle Urlaubsanspruch mit dem Beginn des Kalenderjahres qua Gesetz bereits entstanden. Insbesondere bei kurzen Kündigungsfristen kann es also vorkommen, dass ein Arbeitnehmer bereits mehr Urlaubstage genommen hat, als ihm nunmehr aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der ersten Jahreshälfte tatsächlich zusteht. Umgekehrt ist es natürlich auch möglich, dass der Arbeitnehmer nur weniger, als die ihm tatsächlich ratierlich zustehenden Urlaubstage in Anspruch genommen hat. Im ersten Fall ist eine Rückerstattung bzw. finanzielle Kompensation der „zu viel“ in Anspruch genommenen Urlaubstage ausgeschlossen. Umgekehrt hat auch der Arbeitnehmer, der im ersten Halbjahr eines Kalenderjahres ausscheidet und weniger als die ihm ratierlich zustehenden Urlaubstage in Anspruch genommen hat, keinen Anspruch auf Auszahlung der „zu wenig“ erhaltenen Urlaubstage.

In beiden Fällen legt das Gesetz den Grundsatz zu Grunde, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch im Kalenderjahr zu gewähren (und zu nehmen) ist, und zwar auch arbeitgeberübergreifend: Nach § 6 Abs. 1 BUrlG ist ein Anspruch auf Urlaub insoweit ausgeschlossen, als Urlaubsansprüche für das maßgebliche Kalenderjahr bereits durch einen früheren Arbeitgeber gewährt wurden. Praktisch kann dies über eine Urlaubsbescheinigung nachvollzogen werden, in der der Arbeitgeber dem ausscheidenden Arbeitnehmer bescheinigt, wie viele Urlaubstage dem Arbeitnehmer im jeweiligen Kalenderjahr bereits gewährt wurden. Diese Bescheinigung wirkt auch gegenüber einem zukünftigen Arbeitgeber, der den bereits durch den Vorarbeitgeber gewährten Urlaubsanspruch dergestalt für sich gelten lassen, dass insgesamt nicht mehr als der gesetzliche Jahresurlaubsanspruch zu gewähren ist. Ein finanzieller Ausgleich zwischen den Arbeitgebern ist nicht vorgesehen.

Mit genau dieser Thematik hat sich nun das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung für die Sondersituation eines Doppelarbeitsverhältnisses beschäftigt:

Das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers wurde fristlos gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob eine Kündigungsschutzklage und begründete ein neues Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber.
Nachträglich stellte ein Gericht die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fest. Die Parteien streiten nun über Ansprüche auf Urlaubsabgeltung.

Die festgestellte Unwirksamkeit der Kündigung hat zunächst zur Folge, dass der Arbeitnehmer nach § 4 Abs.1 BUrlG nach erfüllter Wartezeit zeitgleich in beiden Arbeitsverhältnissen Urlaubsansprüche erworben hat und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der Arbeitnehmer die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig erfüllen konnte. Würde bereits die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ein neues Urlaubsverhältnis eingegangen ist, die Entstehung von Urlaubsansprüchen im alten Arbeitsverhältnis verhindern, würde allein der Arbeitnehmer das Risiko der Nichterfüllung des Urlaubsanspruches tragen. Dies ist nicht mit den Wertungen des Bundesurlaubsgesetzes zu vereinbaren. Durch einen solchen Doppelanspruch würde allerdings ein gekündigter Arbeitnehmer in Bezug auf Urlaubsansprüche besser stehen als ein ungekündigter Arbeitnehmer.

Auch wenn die zitierte Regelung nach § 6 BUrlG nach der Feststellung des Gerichtes für den vorliegenden Fall eines Doppelarbeitsverhältnisses keine Anwendung findet, kommt das Gericht mit einer analogen Anwendung der §§ 11 KSchG und § 615 S. 2 BGB zu einem vergleichbaren Ergebnis:

Um die Verdoppelung von Urlaubsansprüchen und die damit einhergehende Besserstellung des gekündigten Arbeitnehmers zu vermeiden, ist der vom neuen Arbeitgeber gewährte Urlaub auf die Urlaubsansprüche gegen den ursprünglichen Arbeitgeber anzurechnen. Da der gesetzliche Urlaub für das maßgebliche Kalenderjahr gewährt wird, kann allerdings eine solche Anrechnung auch nur für das maßgebliche Kalenderjahr erfolgen.

Die Jahresbezogenheit des Urlaubsanspruchs wurde bereits in früheren Entscheidungen durch das BAG bestätigt: Durch die Bindung des Urlaubs an das Kalenderjahr soll gewährleistet werden, dass der Erholungszweck in jedem Jahr erfüllt wird. Ebenso wenig wie eine Urlaubsgewährung im Vorgriff auf das nächste Urlaubsjahr zulässig ist, kann zu viel gewährter Urlaub des Vorjahres auf den Urlaubsanspruch des nächsten Jahres angerechnet werden. Entsprechend kann nach der Feststellung des BAG der im neuen Arbeitsverhältnis erhaltene Urlaub nicht im Wege einer auf den Zeitraum, in dem beide Arbeitsverhältnisse bestanden bezogenen Gesamtberechnung, sondern nur kalenderjahresbezogen auf die Urlaubsansprüche gegen den ursprünglichen Arbeitgeber angerechnet werden.

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