Das Landesarbeitsgericht München hat sich mit Beschluss vom 23. Juli 2025 (Az. 11 TaBVGa 4/25) erstmals zur umstrittenen Frage der Eigentümerstellung an Betriebsratsunterlagen geäußert und damit wichtige Rechtssicherheit in einer bisher ungeklärten Rechtsfrage geschaffen. Zu dieser Thematik existierte bisher weder eine höchstrichterliche Entscheidung noch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, was in der Praxis regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten führte.
Der zugrundeliegende Sachverhalt war insofern ungewöhnlich, als nicht der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Herausgabe von Unterlagen verlangte, sondern der Arbeitgeber von ehemaligen Betriebsratsmitgliedern die Rückgabe von Betriebsratsunterlagen forderte. Der Arbeitgeber stützte seine Forderung dabei maßgeblich auf seine vermeintliche Eigentümerstellung an den streitgegenständlichen Dokumenten.
Die rechtliche Ausgangslage erwies sich als unklar, weil das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zwar in § 40 Abs. 1 BetrVG bestimmt, dass der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratstätigkeit trägt, und in § 40 Abs. 2 BetrVG vorsieht, dass der Arbeitgeber für Sitzungen, Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen hat. Eine ausdrückliche Regelung zur Eigentümerstellung an den entstehenden Unterlagen enthält das Gesetz jedoch nicht.
In der arbeitsrechtlichen Literatur herrschte zu dieser Frage erhebliche Uneinigkeit. Eine Ansicht vertrat die Position, dass der Arbeitgeber Eigentümer der dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten Einrichtungen bleibe, wobei das Eigentum lediglich durch die sich aus § 40 Abs. 2 BetrVG ergebende Zweckbindung entsprechend beschränkt sei. Nach dieser Auffassung werde der Arbeitgeber auch Eigentümer neuer Sachen, die durch Umbildung oder Verarbeitung überlassener Sachen entstehen.
Die Gegenmeinung argumentierte differenzierter und unterschied zwischen verschiedenen Arten von Materialien. Für verbrauchbare Sachen wie Papier und Schreibmaterialien gelte etwas anderes. An diesen verliere der Arbeitgeber nach § 950 Abs. 1 S. 2 BGB das Eigentum, weil diese durch das Beschreiben und Bedrucken zu Geschäftspapieren und Akten des Betriebsrats werden. Diese Geschäftspapiere und Akten könne der Arbeitgeber deshalb nach Ende der Amtszeit eines Betriebsrats nicht an den neuen Betriebsrat herausverlangen. Das Eigentum an diesen gehe vielmehr an den neuen Betriebsrat über. Darüber hinaus sei die Gesamtheit der Betriebsratsmitglieder Eigentümer der für den Betriebsrat eingehenden Schriftstücke und der dem Betriebsrat überlassenen Akten, wozu auch Verfahrensakten und andere an den Betriebsrat adressierte Schriftstücke zählten.
Das LAG München folgte in seiner Entscheidung der zweiten Ansicht und stellte fest, dass der Arbeitgeber bei verbrauchbaren Materialien durch deren bestimmungsgemäße Verwendung das Eigentum verliert. Durch das Beschreiben und Bedrucken von Papier entstehen Geschäftspapiere und Akten, die dem Betriebsrat als Gremium gehören. Bei einer Neuwahl des Betriebsrats gehe das Eigentum als Funktionsnachfolge auf den neuen Betriebsrat über, sodass der Arbeitgeber nach Ende der Amtszeit keine Herausgabe der Unterlagen verlangen könne.
Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Konsequenzen für beide Seiten. Für Betriebsräte bedeutet sie, dass sie als Eigentümer ihrer Unterlagen diese behalten können und bei Neuwahl an den neuen Betriebsrat übergeben müssen. Bei unrechtmäßiger Zurückhaltung von Unterlagen steht dem neugewälten Betriebsrat der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zur Verfügung. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollte bei Amtsende ein detailliertes Übergabeprotokoll für den neuen Betriebsrat erstellt werden, das alle relevanten Unterlagen und deren Aufbewahrungsorte erfasst.
Für Arbeitgeber folgt daraus, dass sie Betriebsratsunterlagen nicht als ihr Eigentum beanspruchen können, obwohl sie die Kosten für die Betriebsratstätigkeit tragen. Die zur Verfügung gestellten Mittel unterliegen der betriebsverfassungsrechtlichen Zweckbindung, begründen aber kein Eigentumsrecht. Stattdessen sollten Arbeitgeber ordnungsgemäße Übergabeprozesse zwischen altem und neuem Betriebsrat unterstützen und kooperativ zusammenarbeiten.
Die Entscheidung des LAG München schafft (vorerst) Rechtssicherheit in einer bisher umstrittenen Frage und bietet eine wertvolle Orientierungshilfe für die Praxis. Es bleibt abzuwarten, ob höhere Instanzen diese Rechtsprechung bestätigen würden.