Mit der am 25. April 2024 in Kraft getretenen Netto-Null-Industrie-Verordnung (Net Zero Industry Act, NZIA-Verordnung EU 2024/1735) soll maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie gestärkt werden.
Durch eine Erhöhung der Produktionskapazität für saubere Technologien soll bis zum Jahr 2030 mindestens 40% des jährlichen Bedarfs an sauberen Technologien in der EU hergestellt werden. Um dies zu erreichen, werden die regulatorischen Rahmenbedingungen – genauer die Genehmigungsverfahren - vereinfacht und der Marktzugang für saubere Technologien verbessert. Dadurch kann auch das Investitionsumfeld gestärkt werden. Darüber hinaus wird der Ausbau bestimmter Netto-Null-Technologien gefördert. Hierzu zählen, neben Wasserstofftechnologien (siehe dazu hier), unter anderem auch die CO2-Abscheidung, Speicherung und Verwendung.
Die CO2-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage „CCS“) ist von der CO2-Abscheidung und Verwendung (Carbon Capture and Utilization „CCU“) zu unterscheiden. In beiden Fällen wird zunächst CO2 aus industriellen oder energiebezogenen Emissionen abgeschieden und dann entweder unterirdisch an Land oder im Meeresboden gelagert (CCS) oder weiter genutzt (CCU).
Die NZIA-Verordnung enthält die grundsätzlichen Regelungen, ist aber durch delegierte Rechtsakte weiter auszuarbeiten. Seit dem 19. März 2025 befindet sich nun ein Vorentwurf einer delegierten Verordnung zur NZIA-Verordnung in der Feedback-Phase. Bis zum 16. April 2025 kann jeder, der ein berechtigtes Interesse an der vorgeschlagenen Rechtsvorschrift hat oder potenziell von dieser betroffen sein könnte, ein Feedback bei der Europäischen Kommission abgeben. Danach folgt eine Auswertung, sowie eine Überarbeitung des ursprünglichen Entwurfs, eine interne Abstimmung und letztendlich die Veröffentlichung der endgültigen Verordnung.
Der Vorentwurf knüpft an Artikel 23 der NZIA-Verordnung an. Danach muss jeder Öl- und Gasproduzent, der Inhaber einer Genehmigung zur Prospektion, Exploration oder Gewinnung von Kohlenwasserstoffen ist, einen individuellen Beitrag zu dem unionsweiten Ziel für CO2-Injektionskapazität leisten. Die CO2-Injektionskapazität meint die Menge an CO2, die in unterirdische geologische Speicherstätten transportiert und dort dauerhaft gelagert werden kann.
Ziel des delegierten Rechtsakts ist es, ergänzende Regelungen für Öl- und Gasproduzenten zu schaffen. Artikel 2 des Vorentwurfs enthält eine Regelung für die Identifizierung verpflichteter Produzenten. Die ermittelten Produzenten müssen zur Erreichung des EU-Ziels für verfügbare CO2-Einspeicherkapazität bis 2030 beitragen und jährliche Fortschrittsberichte abgeben, die inhaltlich noch näher konkretisiert werden (Artikel 5). Für die Ermittlung der individuellen Beiträge wird in Artikel 4 eine Berechnungsmethode (Formel) festgelegt. Darüber hinaus wird ein bestimmter Grenzwert festgelegt, wobei Produzenten, die unterhalb dieses Grenzwertes liegen von der Beitragspflicht befreit werden (Artikel 3 Absatz 1).
Die Vorschriften der endgültigen Verordnung können noch deutlich von denen des Verordnungsvorentwurfs abweichen. Daher sollten betroffene Öl- und Gasproduzenten die laufende Feedback-Phase nutzen, um auf die endgültige Fassung der delegierten Verordnung noch Einfluss zu nehmen.
Auch die alte deutsche Bundesregierung erkannte – nach langer Abneigung – die große Bedeutung der CCS/CCU-Technologien zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 und verfasste bereits im Februar 2024 ein Eckpunktepapier für eine Carbon-Management-Strategie (BT-Drs. 20/11585). In diesem wurde eine Förderung von CCS/CCU zur Reduktion schwer vermeidbarer Emissionen vorgeschlagen. Dabei geht es vor allem um emissionsintensive Industrien, wie die Zement- und Kalkindustrie oder die Abfallverbrennung. Auch sollte danach eine Transportinfrastruktur für CO2 aufgebaut und ein umfangreicher regulatorischer Rahmen geschaffen werden.
Am 26. Februar 2024 wurde außerdem ein Referentenentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegt. Dieser Entwurf zielte darauf ab, eine dauerhafte Speicherung von CO2 zu kommerziellen Zwecken im industriellen Maßstab zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen rechtliche Unsicherheiten bei der Genehmigung von CO2-Leitungen beseitigt werden. Für den Transport ist der Ausbau eines Pipeline-Netzes angedacht, welches teils durch den Bau neuer Leitungen, teils durch Umwidmung bereits vorhandener Gasleitungen erfolgen soll. Im Zusammenhang mit der geplanten Speicherung soll insbesondere die Erkundung von Offshore-Speicherflächen im Festlandsockel und in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vorangetrieben werden. Auch sieht der Referentenentwurf die Einführung eines speziellen Zulassungsverfahrens für bestimmte Speicheranlagen in unterirdischen Gesteinsschichten vor. Auf die Frage, ob und inwieweit eine unterirdische Onshore-Speicherung in naher Zukunft möglich sein soll, wird nicht eingegangen.
Der Referentenentwurf wurde am 27. September 2024 im Bundestag in erster Lesung beraten und an die Ausschüsse überwiesen, fiel dann jedoch den vorgezogenen Neuwahlen zum Opfer. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form die Thematik von der neuen Bundesregierung aufgenommen wird.
Derzeit existiert noch kein umfassender Rechtsrahmen für den Ausbau von CCS/CCU-Technologien. Der bisherige deutsche Rechtsrahmen wollte den Einsatz von CO2-Speicherung in Deutschland im Kern verhindern. Ein zügiger Ausbau wäre allerdings für die Erreichung der bestehenden Klimaziele hilfreich. Auf europäischer Ebene erfolgt der nächste Schritt unter anderem durch die in den nächsten Monaten zu erwartende Delegierte Verordnung. Auf nationaler Ebene sind aufgrund des Regierungswechsels noch unklar, was die neue Bundesregierung plant. Für den raschen Ausbau eines deutschlandweiten und europäischen Pipeline-Netzes wäre eine Vereinfachung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für den Leitungsbau nach dem KSpG hilfreich. Bei entsprechendem politischem Willen sollte es möglich sein, die unterirdischen Speichermöglichkeiten zu identifizieren und denkbare Risken zu bewältigen.