Gastzugang im Online-Shop: DSGVO-Pflicht oder Mythos?

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Gökhan Kosak

Counsel
Deutschland

Als Counsel bei Bird & Bird bin ich Mitglied der Praxisgruppen Commercial, Technologie & Kommunikation und Datenschutz der Kanzlei.

Ein kürzlich ergangenes Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG Hamburg) hat die anhaltende Debatte in Deutschland neu entfacht, ob Online-Shops aufgrund der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verpflichtet sind, einen Gastzugang anzubieten.

Hintergrund: Der DSK-Beschluss von 2022

Im März 2022 veröffentlichte die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) einen Beschluss, wonach Online-Händler, die keine Gast-Checkout-Option anbieten, gegen die DSGVO verstoßen können. Nach Auffassung der DSK verstößt ein verpflichtendes fortlaufendes Kundenkonto nicht nur gegen den Grundsatz der Datenminimierung, sondern erfordert zudem eine Einwilligung des Kunden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. Eine solche Einwilligung könne jedoch nur dann "freiwillig" im Sinne der DSGVO erteilt werden, wenn der Händler alternativ einen Gastzugang anbietet. Ein verpflichtendes Kundenkonto sei der DSK zufolge nur unter "besonderen Umständen" gerechtfertigt, nämlich wenn ein fortlaufendes Kundenkonto "ausnahmsweise" für die Vertragserfüllung erforderlich sei. Als Beispiel hierfür nennt die DSK Fachhändler für bestimmte Berufsgruppen.    

Obwohl der DSK-Beschluss für Gerichte nicht verbindlich ist, löste er andauernde Diskussionen aus, da viele Online-Händler aus Gründen der effizienten Bestellabwicklung und Betrugsprävention vor einer Bestellung eine Registrierung verlangen. 

Die Entscheidung des OLG Hamburg

Im Urteil vom 27. Februar 2025 (Az. 5 U 30/24) bewertete das OLG Hamburg den Bestellvorgang eines großen deutschen Online-Marktplatzes, der keinen Gastzugang anbot. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte unter Berufung auf den DSK-Beschluss Klage erhoben und die Rechtswidrigkeit dieser Praxis geltend gemacht.

Das OLG Hamburg wies die Klage jedoch ab und bestätigte die Zulässigkeit eines verpflichtenden Kundenkontos. Nach Auffassung des Gerichts können verpflichtende Kundenkonten mit der DSGVO vereinbar sein, wenn:

  • sie für den Betrieb eines Marktplatzes mit mehreren Drittanbietern tatsächlich erforderlich sind, um eine effektive Kommunikation und ordnungsgemäße Durchsetzung der Käuferrechte zu gewährleisten; und
  • die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten auf das für die Bestellabwicklung Erforderliche beschränkt ist und inaktive Profile nach angemessener Frist automatisch gelöscht werden.

Das Gericht stellte klar, dass die DSGVO die Datenverarbeitung nicht nur auf Grundlage einer Einwilligung oder zur Vertragserfüllung erlaubt, sondern auch dann, wenn der Online-Händler ein berechtigtes Interesse verfolgt (z. B. Betrugsprävention und effiziente Auftragsabwicklung).

Darüber hinaus betonte das OLG Hamburg, dass ein Online-Konto auch im Kundeninteresse liegen könne, da es einen Überblick über Bestellungen, vereinfachte Rücksendungen, die Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen sowie eine effizientere Kommunikation ermöglichen könne. Zudem würden im konkreten Fall die Daten nicht dauerhaft gespeichert, und Kunden könnten jederzeit die Löschung gemäß Art. 17 DSGVO verlangen.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass ein Gastzugang nicht zwingend eine gleichwertige Alternative zu einem dauerhaften Kundenkonto darstellt. Vielmehr könne die Verpflichtung zum Angebot eines Gastzugangs in bestimmten Konstellationen zu unnötigen technischen und organisatorischen Komplikationen führen, ohne einen erkennbaren Mehrwert für den Datenschutz zu bieten.

Fazit

Obwohl die Entscheidung des OLG Hamburg die Debatte nicht abschließend klärt, kann sie die Position von Online-Händlern stärken. Anders als die DSK interpretiert das OLG Hamburg den Grundsatz der Datenminimierung differenzierter und nicht als starres Gebot der absolut minimalen Datenerhebung. Zudem berücksichtigt das OLG Hamburg zutreffender Weise berechtigte Interessen von Online-Plattformen. 

Mit diesem realitätsnäheren Ansatz trägt das Gericht sowohl den Schutzzielen der DSGVO als auch den praktischen Anforderungen des modernen E-Commerce Rechnung. Anhand der vom Gericht entwickelten Kriterien können Unternehmen besser beurteilen, ob sie einen Gastzugang tatsächlich anbieten müssen. Eine Einzelfallbetrachtung bleibt unerlässlich. 

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