Update zur Kundenanlage: Die Entscheidungsgründe des BGH

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Dr. Matthias Lang

Partner
Deutschland

Als Head unserer internationalen Sektorgruppe Energie- und Versorgungswirtschaft und Mitglied der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht biete ich unseren Mandanten kommerzielles Denken und langjährige Expertise in regulatorischen Aspekten rund um Infrastruktur und Energie.

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Anja Holtermann, LL.M.

Counsel
Deutschland

Als Counsel in unserem Düsseldorfer Team Energierecht berate und vertrete ich internationale Mandanten in energie-, regulatorischen und umweltrechtlichen Angelegenheiten.

Am 13.05.2025 entschied der Bundesgerichtshof, dass das bisherige Verständnis der Kundenanlage nicht mit europäischem Recht vereinbar ist (EnVR 83/20). Vielmehr sei jede Leitungsanlage, die der Weiterleitung von Elektrizität diene, die zum Verkauf an Großhändler oder Endkunden bestimmt sei, ein Verteilnetz. Als solches müsse es der Regulierung unterfallen (näher dazu hier sowie zum zugrundeliegenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs hier). Nun veröffentlichte der Bundesgerichtshof seine Entscheidungsgründe.

Der wesentliche Inhalt des Beschlusses

Wie schon aus der Pressemitteilung vom 13.05.2025 bekannt war, entschied der Bundesgerichtshof, dass die Regelung zu Kundenanlagen in § 3 Nr. 24a EnWG richtlinienkonform dahin auszulegen sei, dass eine Energieanlage nur dann eine Kundenanlage sein kann, wenn sie kein Verteilernetz ist. Dabei sei ein Verteilernetz ein Netz, das der Weiterleitung von Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung diene, die zum Verkauf an Großhändler und Endkunden bestimmt sei. Verteilnetze können nicht von der Regulierung ausgenommen werden und jeder Betreiber einer solchen Anlage sei ein Verteilnetzbetreiber.

Die bisherige Rechtsprechung zu den für die Einstufung als Kundenanlage heranzuziehenden Kriterien, insbesondere die Kennzahlen zur Entscheidung über die Irrelevanz für den Wettbewerb, gab der BGH ausdrücklich auf. Weitere Kriterien, anhand derer eine bestimmte Art von Netz von der Qualifikation als Verteilnetz ausgenommen werde, dürften nicht herangezogen werden.

In der Folge führt der Bundesgerichtshof jedoch auch aus, dass weiterhin ein ausreichender Anwendungsbereich für die Kundenanlage verbleibe. Sämtliche Leitungssysteme, die der Weiterleitung von Elektrizität dienen, die nicht zum Verkauf bestimmt sei, seien weiterhin erfasst. Als Beispiel nennt der Bundesgerichtshof Energieanlagen, die der Eigenversorgung der Betreiber dienen. Darunter fielen zum Beispiel mit Erzeugungsanlagen verbundene Leitungssysteme, die von Eigentümern einer Wohnungseigentumsanlage oder Grundstückseigentümern gemeinsam betrieben und genutzt werden.

Weiterhin von der Regulierung teilweise befreit werden können in Übereinstimmung mit europäischem Recht nur die Betreiber eines geschlossenen Verteilnetzes der Bürgerenergiegemeinschaften.

In Übereinstimmung mit dieser neuen Auslegung des Begriffs der Kundenanlage stuft der Bundesgerichtshof die konkret in Frage stehenden Energieanlagen der betroffenen Wohnblöcke nicht als Kundenanlage, sondern als (reguliertes) Verteilnetz ein. In der Konsequenz hat der hier betroffene Betreiber der Energieanlagen keinen Anspruch auf Bereitstellung von Zählpunkten nach § 20 Abs. 1d EnWG gegen den vorgelagerten Netzbetreiber.

Was bedeutet dies für Kundenanlagebetreiber?

Der wesentliche Inhalt des Beschlusses ist angesichts des recht klaren Urteils des Europäischen Gerichtshofs nicht verwunderlich. Es blieb dem Bundesgerichtshof nichts anderes übrig, als das bisherige Verständnis und die bisherige Rechtsprechung zur Kundenanlage aufzugeben und alle Energieanlagen, die die Definition eines Verteilnetzes erfüllen, auch als solche der Regulierung zu unterwerfen. Aufgrund der sehr weitreichenden Konsequenzen für die vielen Kundenanlagenbetreiber in Deutschland ist es zwar begrüßenswert, dass der Bundesgerichtshof weiterhin einen Anwendungsbereich für die Kundenanlage sieht. Auf den ersten Blick dürfte dieser verbleibende Anwendungsbereich jedoch eher für wenige der aktuell kritisch diskutierten Fälle praktisch relevant sein. Denn nur in wenigen Fällen dürfte das Leitungssystem nicht (zumindest teilweise) auch der Weiterleitung von Elektrizität dienen, die zum Verkauf bestimmt ist. Dies ist nun im Einzelfall zu begutachten. Hierbei wird es auch darauf ankommen, welche Konsequenzen der Gesetzgeber aus dem Beschluss zieht, ob also die Regelung in § 3 Nr. 24a EnWG (und entsprechend auch die Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung in § 3 Nr. 24b EnWG) bestehen bleibt, geändert oder unter Umständen doch abgeschafft wird.

Auch wenn die Beschlussgründe nun veröffentlicht sind, bleiben weiterhin Fragen zur praktischen Konsequenz für viele Kundenanlagebetreiber offen. Wünschenswert wäre hier eine schnelle Reaktion des Gesetzgebers bzw. der Regulierungsbehörden, um für die betroffenen Betreiber Rechtssicherheit zu schaffen. Betreiber von Kundenanlagen sollten in der Zwischenzeit prüfen, was sie schon jetzt tun können, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Für viele dürfte dies darauf hinauslaufen, sich als Betreiber eines geschlossenen Verteilnetzes aufzustellen.

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