Änderungen im Außenwirtschaftsrecht und ihre Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

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Dr. Kai Kerger

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Deutschland

Ich bin ein erfahrener Transaktionsanwalt und Partner unseres Corporate/M&A-Teams in Frankfurt am Main und biete Mandanten langjährige Expertise bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A-, Private Equity- und Venture Capital-Transaktionen, Investitionen aller Art, bei komplexen Restrukturierungen und Reorganisationen und Joint Ventures, insbesondere bei Projekten mit einem besonderem Technologiefokus sowie in allgemeinen gesellschafts- und handelsrechtlichen Angelegenheiten.

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Dr. Ann-Kristin Asmuß, LL.M.

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Als Rechtsanwältin und Mitglied der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht / M&A in unserem Büro in Frankfurt am Main berate ich in- und ausländische Mandanten insbesondere in nationalen und grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen (sowohl käufer- als auch verkäuferseitig und hauptsächlich mit einem bedeutendem Tech-Fokus), Umstrukturierungen, Reorganisationen und Joint Ventures sowie im Rahmen ihrer laufenden Geschäftstätigkeit zu allen gesellschafts- und wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen.

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Johannes Wirtz, LL.M. (London)

Partner
Deutschland

Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts

Der deutsche Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben und im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, mehrere Änderungen des deutschen Außenwirtschaftsrechts auf den Weg gebracht.

Die teilweise bereits in Kraft getretenen Änderungen wirken sich nicht unerheblich auf die Transaktionspraxis aus, so sind insbesondere längere Verfahrensdauern zu erwarten.

Das Außenwirtschaftsrecht umfasst die Regelungen, die den Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland berühren. Das nationale Außenwirtschaftsrecht in Deutschland ist in dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) normiert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) kann dabei prüfen, ob der Erwerb eines inländischen Unternehmens durch einen ausländischen Erwerber die öffentliche Ordnung oder Sicherheit berührt.

1. Änderungen im deutschen Außenwirtschaftsrecht

Bereits im Juni 2020 wurde die AWV geändert, um vor dem der Covid-19-Pandemie eine dauerhafte Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems in Deutschland zu sichern. Im Juli 2020 sind Änderungen des AWG zur Umsetzung der Verordnung (EU) 2019/452 (EU-Screening-Verordnung) in Kraft getreten. Dem nachgelagert wird eine weitere umfassende Änderung der AWV erfolgen, welche das deutsche Investitionsprüfrecht an die europarechtlichen Vorgaben und an die Änderungen des AWG anpasst.

a) Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (15. ÄndVO zur AWV)

Die 15. ÄndVO zur AWV ist am 3. Juni 2020 in Kraft getreten. Das AWV erweitert die Kataloggeschäfte der sektorübergreifenden Prüfung, führt Anpassungen an die EU-Screening-Verordnung ein und nennt investorbezogene Prüffaktoren. Zudem kommt es zur Kodifizierung der Verwaltungspraxis des BMWi.

Erweiterung der Kataloggeschäfte

Die Änderungen zielen insbesondere auf den Schutz kritischer Infrastrukturen im Gesundheitssektor. Dabei soll den aktuellen Entwicklungen vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie Rechnung getragen werden und eine dauerhafte Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems gewährleistet werden. Durch die Änderungen wird der Kreis, der bei der Investitionskontrolle besonders zu berücksichtigenden Unternehmen (meldepflichtige Kataloggeschäfte) erweitert.

Als besondere Fallgruppen werden nun auch Erwerbe von Unternehmen erfasst,

  • die persönliche Schutzausrüstungen (z.B. FFP2- und FFP3-Masken) entwickeln oder herstellen;
  • die für die Gewährleistung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung wesentliche Arzneimittel (einschließlich deren Ausgangs- und Wirkstoffe) entwickeln, herstellen oder in Verkehr bringen bzw. die Inhaber einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Zulassung sind;
  • die Medizinprodukte zur Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten entwickeln oder herstellen; oder
  • die In-vitro-Diagnostika, die dazu dienen, Informationen über physiologische oder pathologische Prozesse oder Zustände oder zur Festlegung oder Überwachung therapeutischer Maßnahmen im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten zu liefern, entwickeln oder herstellen. 

Anpassungen aus der EU-Screening Verordnung

Daneben wurden auch Änderungen zur Umsetzung von Vorgaben aus der EU-Screening-Verordnung vorgezogen, die ursprünglich erst im Rahmen der umfassenden Änderung der AWV geplant waren. So ist die Liste der meldepflichtigen Kataloggeschäfte um den Erwerb von Unternehmen, die zur Sicherstellung der Störungsfreiheit und Funktionsfähigkeit staatlicher Kommunikationsinfrastrukturen erforderliche Dienstleistungen erbringen, erweitert worden. 

Investorbezogene Prüffaktoren

Darüber hinaus sind investorbezogene Prüffaktoren in die AWV aufgenommen worden. Das BMWi kann bei der Beurteilung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit insbesondere berücksichtigen,
  • ob der Erwerber unmittelbar oder mittelbar von der Regierung (einschließlich sonstiger staatlicher Stellen oder Streitkräfte) eines Drittstaates kontrolliert wird;
  • ob der Erwerber bereits an Aktivitäten beteiligt war, die nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit eines anderen EU-Mitgliedstaates hatten; oder
  • ob der Erwerber an Katalogstraftaten nach dem § 123 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder an Verstößen gegen das AWG und das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beteiligt war.

Kodifizierung der Verwaltungspraxis

Schließlich umfassen die Änderungen auch Klarstellungen und eine Kodifizierung der Verwaltungspraxis des BMWi. Insbesondere dahingehend, dass

  • die Meldepflicht von Kataloggeschäften mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Erwerbsgeschäftes ausgelöst wird und grundsätzlich den unmittelbaren Erwerber trifft; und
  • auch der Asset Deal als Erwerb nach der AWV einzustufen ist.

b) Erstes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze (GWB-Novelle)

Die GWB-Novelle ist am 17. Juli 2020 in Kraft getreten und dient im Wesentlichen der Umsetzung der Vorgaben der EU-Screening-Verordnung. Durch die europarechtlichen Vorgaben soll ein Rahmen für die Überprüfung von Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Staaten geschaffen werden, durch die eine voraussichtlich Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit droht. Dabei verbleibt die Entscheidung, ob eine bestimmte Direktinvestition überprüft wird bei den Mitgliedsstaaten. Die EU-Screening-Verordnung erlangt am 11. Oktober 2020 unmittelbare Geltung in den Mitgliedsstaaten.

Erweiterung des Prüfungsmaßstabes bei der sektorübergreifenden Kontrolle

Mit der AWG-Novelle wurde der Prüfungsmaßstab in Bezug auf die erwerbsbeschränkenden Maßnahmen im Zusammenhang mit der sektorübergreifenden Kontrolle erweitert. War bisher eine tatsächliche und schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich, ist nunmehr deren voraussichtliche Beeinträchtigung maßgebend. Mit diesem verringerten Gefährdungsmaßstab wird auch der Prognosecharakter der Regelung unterstrichen.

Daneben werden auch die zu berücksichtigenden Schutzinteressen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit von anderen Mitgliedstaaten sowie in Bezug auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse (z.B. Galileo, EGNOS, Copernicus) ausgeweitet. Schließlich soll die Koordination mit anderen Mitgliedsstaaten und der Kommission durch eine Kontaktstelle im Zuständigkeitsbereich des BMWi gewährleistet werden, Einzelheiten dazu werden in der AWV geregelt.

Erweiterung des Anwendungsbereiches bei der sektorspezifischen Kontrolle

Im Bereich der sektorspezifischen Kontrolle ist der Anwendungsbereich erweitert worden. In Bezug auf Erwerbe von Unternehmen der Rüstungsindustrie war zuvor nur auf die Herstellung und Entwicklung von Rüstungsgütern abgestellt worden. Nunmehr ist die Anordnung von Beschränkungen oder Handlungspflichten auch möglich, wenn diese Unternehmen solche Güter modifizieren oder die tatsächliche Gewalt über diese innehaben. War ein Unternehmen in der Vergangenheit im Rüstungsbereich tätig, so können Beschränkungen oder Handlungspflichten gerechtfertigt sein, wenn Kenntnisse oder sonstiger Zugang zu der Technologie verfügbar sind. 

Einheitliche Fristenregelung

Mit der AWG-Novelle wurden die Fristen vereinheitlicht, Fristenregelungen der AWV verweisen nun auf das AWG. Das BMWi muss innerhalb von zwei Monaten nach dem Erlangen der Kenntnis vom Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags über den Erwerb über die Eröffnung eines Prüfverfahrens entscheiden und innerhalb von vier Monaten nach dem vollständigen Eingang der erforderlichen Unterlagen über die Anordnung von Beschränkungen oder Handlungspflichten entscheiden. Eine Verlängerung der Frist durch das BMWi ist möglich, wenn das Prüfverfahren besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder mit Einverständnis der Beteiligten.

Vollzugsverbote und strafbewährte Handlungsverbote

Schließlich erweitert die AWG-Novelle die Vollzugsverbote während der Investitionsprüfung auf die sektorübergreifende Kontrolle, um faktische Vollzugsmaßnahmen (im Wettbewerbsrecht auch „gun jumping“ genannt) zu verhindern. Nunmehr sind alle meldepflichtigen Erwerbe bis zur Erteilung der Freigabe durch das BMWi schwebend unwirksam.

Daneben wurden auch konkrete Handlungsverbote während der Prüfphase aufgestellt. So ist es dem Veräußerer verboten, dem Erwerber

  • die Ausübung von Stimmrechten zu ermöglichen;
  • den mit dem Erwerb einhergehenden Bezug von Gewinnauszahlungsansprüchen, oder eines wirtschaftlichen Äquivalents zu gewähren;
  • sicherheitsrelevante, unternehmensbezogene Informationen zu überlassen oder anderweitig offenzulegen, soweit diese eine Investitionsprüfung auslösen oder bei dieser besonders zu berücksichtigen sind; oder
  • unternehmensbezogene Informationen zu überlassen oder anderweitig offenzulegen, die in einer Anordnung als bedeutsam bezeichnet sind.

Ein Verstoß gegen die aufgeführten Handlungsverbote ist dabei straf- und bußgeldbewährt. Ein vorsätzliches Zuwiderhandeln kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, bei einem fahrlässigen Verstoß droht ein Bußgeld bis zu 500.000 Euro. Durch diese Vorschriften soll eine Regelungs- und Verfolgungslücke geschlossen werden, denn nach der alten Regelung gab es keine Handhabe den (rechtlichen oder faktischen) Vollzug eines Erwerbs während der Prüfphase zu verhindern. Um die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit in jedem Fall zur verhindern, kommt es nach Ansicht des Gesetzgebers darauf an, dass eine mögliche Beeinträchtigung durch die verbotene Handlung zum Zeitpunkt der Tat vorliegt.

c) Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (16. ÄndVO zur AWV)

Im Nachgang zu der AWG-Novelle sollen durch die 16. ÄndVO zur AWV weitere Anpassungen der AWV an die europarechtlichen Vorgaben vorgenommen werden. Dabei ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs, insbesondere durch Übernahme der in der EU-Screening-Verordnung erfassten Fallgruppen schutzwürdiger Güter und Technologien in die meldepflichtigen Kataloggeschäfte, zu erwarten.

2. Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

Längere Verfahrensdauern

Die Änderungen des AWG und der AWV haben die Anforderungen der Investitionskontrolle weiter verschärft und führen in der Folge zu komplexeren Prüfverfahren. Hierdurch und nicht zuletzt durch die Einbindung der Kommission und der anderen Mitgliedsstaaten wird sich die einzelne Verfahrensdauer verlängern. Eine intensive Prüfung von Meldepflichten oder die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das BMWi wird dabei eine wesentliche Rolle spielen, um erfolgreiche Transaktion zu gewährleisten.

Informationsaustausch im Rahmen der Due Diligence

Die neuen Handlungsverbote beziehen sich auch auf die Offenlegung von sicherheitsrelevanten Informationen vor Freigabe durch das BMWi. Damit sollen Abflüsse von Informationen oder Technologie während einer Erwerbsprüfung verhindert werden. Der Informationsaustausch im Rahmen der Due Diligence soll nach dem Willen des Gesetzgebers davon aber nicht erfasst sein.

Das Verbot beziehe sich nicht auf rein kaufmännische oder sonstige unternehmensbezogene Informationen, die für die belastbare Bewertung der mit dem Erwerb verbundenen ökonomischen Chancen und Risiken erforderlich sind. Die in Frage stehenden Informationen würden in der Praxis erst nach Vollzug ausgetauscht.

Die Auswirkungen für die Praxis sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Die einzelnen Informationen, die im Rahmen der Due Diligence offengelegt werden, müssen im Zweifelsfall durch das Target und den Verkäufer einzeln bewertet werden, ob es sich um Informationen handelt, die mit Blick auf eine mögliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung von besonderer Relevanz sind.

Diese Prüfung wird häufig schwerfallen. Die verbotswidrige Offenlegung stellt jedoch einen Straftatbestand dar und sollte daher ausreichend Aufmerksamkeit erhalten. Auch kann das Target nach Erwerb bei Verstoß gegen das Handlungsverbot mit einem Bußgeld belastet sein, da es an der Offenlegung der Informationen zumindest mitgewirkt hat. 

Straf- bzw. Bußgeldandrohung

Die Straf- bzw. Bußgeldandrohung hinsichtlich der Handlungsverbote wird insbesondere in Bezug auf die Offenlegung von Informationen im Rahmen der Due Diligence eine Herausforderung. Hier ist eine weitere Konkretisierung der sicherheitsrelevanten Informationen auf Ebene der AWV erforderlich, um den Erwerbsbeteiligten Klarheit über die Zulässigkeit des Informationsaustausches zu gewähren. Käufer sollten überlegen, ob sie eine Freistellungsklausel im SPA für solche Bußgelder fordern.

3. Fazit

Die Änderungen des AWG und der AWV machen es ausländischen Erwerbern nicht einfacher. Es erfordert einen größeren Prüfungsaufwand, längere Vollzugsfristen und erhöht damit den Beratungsaufwand. Die einzelnen Fallstricke des Investitionskontrollverfahrens sollten durch ausreichende Beratung vermieden werden.

Mit freundlicher Unterstützung von Jonathan Stoldt (wissenschaftlicher Mitarbeiter)

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