In seiner Entscheidung vom 29.06.2023 (2 AZR 326/22) hat sich das Bundesarbeitsgericht zum wiederholten Mal mit den Voraussetzungen eines Betriebsüberganges und den Anforderungen eines Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB beschäftigt. Hilfreich sind die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichtes zu den Anforderungen an eine vollständige und richtige Information im Informationsschreiben im Hinblick auf die rechtlichen Folgen eines Betriebsüberganges sowie die Ausführungen zur Informationspflicht im Hinblick auf nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs eintretende Veränderungen.
§ 613a BGB, welcher auf einer europäischen Regelung zum Betriebsübergang basiert, setzt voraus, dass ein „Betrieb“ oder „Betriebsteil“ auf einen neuen Inhaber übergeht. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist darunter der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit zu verstehen. Im Falle eines solchen Betriebsüberganges regelt § 613a BGB zum Schutz der Arbeitnehmer den Übergang der in einem solchen Betrieb oder Betriebsteil bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber. Damit die betroffenen Arbeitnehmer eine eigene Einschätzung der Auswirkung und Folgen eines solchen Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses machen können, regelt § 613a Abs. 5 BGB die gemeinsame Pflicht des alten und neuen Arbeitgebers, die betroffenen Arbeitnehmer zu informieren, über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer die die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Eine Besonderheit des deutschen Recht ist die Möglichkeit für betroffene Arbeitnehmer, dem Betriebsübergang innerhalb eines Monats nach Zugang des Informationsschreiben zu widersprechen, mit der Folge, dass ihr Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber bestehen bleibt.
Deshalb haben Veräußerer und/oder Erwerber den Arbeitnehmer so zu informieren, „dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebs(teil)übergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs.5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ kann. Dem Arbeitnehmer soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden“. Die Frist zum Widerspruch gegen einen Betriebsübergang beginnt nur zu laufen, sofern die Information im Informationsschreiben richtig und vollständig ist.
Im vorliegenden Fall widersprach ein außertariflicher Mitarbeiter, einem Betriebsübergang nachträglich, da ca. acht Wochen nach dem Betriebsübergang eine weitere Reorganisation beim neuen Arbeitgeber erfolgte. Er berief sich hierbei auf angebliche Fehler im Informationsschreiben in Bezug auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen des Betriebsüberganges. Aufgrund der Fehlerhaftigkeit sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt, so dass ein Widerspruch weiter möglich sei. Anlass für den Widerspruch waren unter anderem für den betroffenen Arbeitnehmer nachteilige tarifliche Regelungen im Rahmen der Reorganisation, die aufgrund einer Erstreckungsvereinbarung auch für ihn als außertariflichen Mitarbeiter Anwendung finden sollten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG gehören zu den rechtlichen Folgen iSd § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert nach den Ausführungen des BAG einen Hinweis auf
Zu den beim Übernehmer geltenden Rechten und Pflichten gehört grundsätzlich weiter die Anwendbarkeit tariflicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden. Hierbei ist nach den weiteren Ausführungen des Bundesarbeitsgerichtes nicht erforderlich, für einzelne Arbeitnehmergruppen (tarifgebundene Arbeitnehmer/nichttarifgebundene Arbeitnehmer) verschiedene Unterrichtungsschreiben zu verfassen, sondern die Ausführungen für verschiedene Arbeitnehmergruppen können in einem Standardschreiben zusammengefasst werden.
Hierbei könne „vom Arbeitgeber keine umfassende Rechtsberatung im Einzelfall verlangt werden. Auch der Gesetzgeber gehe nicht davon aus, dass die Unterrichtung dazu diene, jeden einzelnen Arbeitnehmer über alle ihn möglicherweise treffenden Folgen des Betriebsübergangs in Kenntnis zu setzen, sondern stelle nur darauf ab, dass der Arbeitnehmer sich nach der Unterrichtung eingehender informieren bzw. beraten lassen kann. Es genüge daher, wenn die schriftliche Information es dem Arbeitnehmer – wie im Streitfall – ermöglicht, sein Arbeitsverhältnis einer der im Unterrichtungsschreiben genannten Gruppen von Arbeitnehmern zuzuordnen und er so die beim konkreten Betriebsübergang auftretenden Rechtsfolgen erkennen könne“.
Anlass für den Widerspruch des Mitarbeiters war eine erneute Restrukturierung beim neuen Arbeitgeber. Im Hinblick auf diese Restrukturierung vereinbarte der neue Arbeitgeber mit seinem Konzernbetriebsrat ca. sechs Wochen nach dem Betriebsübergang eine Erstreckung einer bestehenden tariflichen Regelung auch auf außertarifliche Mitarbeiter, wodurch auch der Kläger von den für ihn ungünstigen Regelungen des besagten Tarifvertrages betroffen war.
Während das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung noch ausführte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die vereinbarte Erstreckung auch schon zu einem Zeitpunkt vor dem Betriebsübergang geschehen sein könnte, so dass auf diese Rechtsfolge im Rahmen des Informationsschreiben hätte hingewiesen werden müssen, hat das Bundesarbeitsgericht diese Ausführungen als reine Spekulation abgetan und klargestellt, es sei nicht festgestellt, dass die Erstreckung des Tarifvertrages auf außertarifliche Mitarbeiter im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits das Stadium konkreter Planung erreicht hätte. Auch sei nicht ersichtlich, dass die neun Wochen nach dem Betriebs(teil)übergang erfolgte Verschmelzung zum Zeitpunkt der Unterrichtung bereits derart konkrete Formen angenommen hatte, dass sie detaillierte Angaben hierzu erforderlich machte. Zu spekulativen Mitteilungen im Informationsschreiben seien früherer und neuer Arbeitgeber nicht verpflichtet.
Das Erstellen von Informationsschreiben ist in der Regel sehr fehleranfällig, da das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an die Vollständigkeit und Fehlerfreiheit von Informationsschreiben sehr hoch gesetzt hat. Hilfreich an dieser Entscheidung ist die erneute Ausführung zu den Anforderungen an die rechtlichen Folgen des Betriebsüberganges. Zugleich erteilt das Bundesarbeitsgericht dem Ansatz des Instanzgerichtes, aufgrund eines engen zeitlichen Zusammenhanges von einer Vermutung auszugehen, dass bestimmte Entscheidung bereits zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges bekannt gewesen sein müssten, eine klare Absage. Im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ist es daher unerlässlich, eine präzise Abgrenzung zwischen möglichen Änderungen und konkreten Planung vorzunehmen, um auch im zeitlich engen Zusammenhang ein korrektes Informationsschreiben verfassen zu können.