Betriebsratsvergütung: BGH hebt Freisprüche für VW-Manager auf

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Linus Boberg, LL.M.

Associate
Deutschland

Als Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Freisprüche von vier hochrangigen (früheren) Managern des Volkswagen-Konzerns aufgehoben.

In seinem Urteil vom 10. Januar 2023 (Az. 6 StR 133/22) bestätigte der BGH, dass der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB erfüllt sein kann, wenn Vorstände bzw. Personalleiter:innen Betriebsräten unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot überhöhte Vergütungen gewähren.

Hintergrund zur Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder

Mitglieder:innen des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Sie erhalten für ihre Betriebsratstätigkeit keine besondere, sondern ihre vertraglich vereinbarte Vergütung. Insbesondere bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern stellt die Bestimmung der Vergütung Arbeitgeber:innen regelmäßig vor Herausforderungen.

Zentrale Bedeutung hat dabei § 37 Abs. 4 BetrVG. Danach darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer:innen mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift stellt eine Konkretisierung des Benachteiligungsverbots des § 78 S. 2 BetrVG dar und soll sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder mit Blick auf ihre Vergütung keine Nachteile wegen ihrer Betriebsratstätigkeit erleiden. Das gilt besonders für freigestellte Betriebsratsmitglieder, die sich vollständig auf die Betriebsratsarbeit konzentrieren und ihren Karriereweg auf ihrer ursprünglichen Position (vorerst) nicht fortsetzen können.

Um sicherzustellen, dass die (freigestellten) Betriebsratsmitglieder keine Nachteile mit Blick auf ihre Vergütung erleiden, wird zur Vergütungsbestimmung eine Vergleichsgruppe bestehend aus dem Betriebsratsmitglied und vergleichbaren Arbeitnehmer:innen gebildet. Die Vergütung der Betriebsratsmitglieder wird im Anschluss an die Vergütung der Vergleichsgruppe angepasst. 

Die Bestimmung dieser Vergleichsgruppe stellt in der Praxis regelmäßig eine Herausforderung dar. Gleichzeitig kommt dieser Vergleichsgruppe eine wichtige Bedeutung zu. So kann eine überhöhte Betriebsratsvergütung nicht bloß einen Verstoß gegen Betriebsverfassungsrecht darstellen, sondern zugleich eine strafbewehrte Untreue nach § 266 StGB darstellen, wie der BGH in seinem Urteil vom 10. Januar 2023 feststellte.

Überhöhte Betriebsratsvergütung kann Strafbarkeit wegen Untreue begründen

Die Angeklagten, zwei ehemalige Vorstände für den Bereich Personal und zwei weitere ehemalige Personalleiter der Volkswagen AG, hatten in den Jahren 2011 bis 2016 Steigerungen der Arbeitsentgelte und freiwillige Bonuszahlungen an die freigestellten Mitglieder des Betriebsrates bewilligt. Diese Zahlungen überstiegen die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlichen Vergleichsgruppen erheblich.

Das Landgericht Braunschweig urteilte in der ersten Instanz, dass diese Zahlungen, in Verbindung mit dem der Volkswagen AG hierdurch entstandenen Schaden von mehr als 4,5 Millionen Euro, den objektiven Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB erfüllten, verneinte aber das Vorliegen des Vorsatzes. Dies begründete das Landgericht damit, dass sich die Angeklagten auf verschiedene interne und externe Berater:innen und bestehende Vergütungssysteme verlassen hätten und deshalb irrtümlich davon ausgegangen seien, dass sie keine Pflichtverletzung begehen würden. Dementsprechend hat das Landgericht sämtliche Angeklagten mangels Vorsatzes vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. 

Der BGH hat diese Freisprüche mit seinem Urteil vom 10. Januar 2023 nunmehr aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Verstoß gegen Begünstigungsverbot

Die Vergleichspersonen, die für die Bestimmung der (überhöhten) Vergütungen herangezogen wurden, seien nicht nach den betriebsverfassungsrechtlich bestehenden Vorgaben ausgewählt worden. Weder hätten diese zum entscheidenden Zeitpunkt der erstmaligen Amtsübernahme durch das jeweilige Betriebsratsmitglied ähnliche Tätigkeiten wie die Betriebsratsmitglieder ausgeübt noch seien sie in gleicher Weise qualifiziert gewesen. Etwaige im Betriebsratsamt erworbene Qualifikationen seien nicht zu berücksichtigen, sofern diese nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit des Betriebsratsmitglieds stünden.

Die Zurückverweisung an das Landgericht begründete der BGH unter anderem damit, dass die Urteilsfeststellungen nicht den gesetzlichen Darstellungsanforderungen genügen würden. Es könne nicht nachvollzogen werden, ob die Bewilligung der erhöhten Entgelte und Bonuszahlungen den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspreche und ob das Landgericht den Vorsatz zutreffend verneint habe.

Praxishinweis

Die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern bleibt eine Herausforderung. Entscheidend ist, dass sich Arbeitgeber:innen dieser Herausforderung rechtzeitig stellen. Die Wichtigkeit der Bildung einer ordnungsgemäßen Vergleichsgruppe zur Bestimmung einer angemessen Betriebsratsvergütung wurde durch das Urteil des BGH erneut unterstrichen.
Schließlich ist allein auf die betriebsübliche Entwicklung der Vergleichsgruppe abzustellen, um zu bestimmen, wie das Betriebsratsmitglied zu vergüten ist. Die hypothetische Entwicklung des Betriebsratsmitglieds findet hingegen keine Berücksichtigung. Zudem sind während der Zugehörigkeit zum Betriebsrat erworbene Zusatzqualifikationen, sofern sie nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen, außen vor zu lassen.

Eine betriebsverfassungswidrig gebildete Vergleichsgruppe und eine daraus folgende überhöhte Vergütung von Betriebsratsmitgliedern können eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB nach sich ziehen. Dabei betonte der BGH, dass sich Arbeitgeber auf einen fehlenden Vorsatz nicht allein deshalb berufen können, dass man sich auf anwaltlichen Rat verlassen habe.

Zu empfehlen ist eine frühzeitige Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer:innen, bestenfalls zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts, sowie eine fortlaufende Dokumentation der Vergütungsentwicklung innerhalb der Vergleichsgruppe.

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