Eine Finanzierung durch Security Token (als tokenisierte Schuldverschreibung) ist beinahe alltäglich geworden. Anfang 2019 erhielt Bitbond als erstes deutsches Startup die Freigabe der BaFin, tokenisierte Schuldverschreibungen auszugeben. Dabei führte Bitbond ein sogenanntes Security Token Offering (STO) durch. Auch zahlreiche ausländische, insbesondere US-amerikanische, Unternehmen machten bereits von dieser neuartigen Finanzierungsmöglichkeit Gebrauch.
Bei deutschen Finanzierungsrunden im Venture Capital-Bereich sind viele Abläufe eingespielt, wobei tokenisierte Finanzierungsrunden jedoch noch Neuland sind. Im Folgenden wird beleuchtet, wie eine Ausgestaltung der Startup-Finanzierung durch Token nach deutschem Recht aussehen könnte und welche Chancen sich hieraus für Gründer:innen und Investor:innen ergeben.
Üblicherweise werden Startups in Deutschland als GmbH gegründet und die Venture Capital-Finanzierungsrunden von Startups erfolgen durch den Abschluss einer Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung (investment and shareholders' agreement) zwischen den Gesellschafter:innen, der Gesellschaft und den Investor:innen. Diese Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung, sowie der Beschluss über die Kapitalerhöhung zur Schaffung der neuen Geschäftsanteile für die Investor:innen, bedürfen der notariellen Beurkundung. Die Kapitalerhöhung muss beim Handelsregister angemeldet und eingetragen werden. Dieser Prozess ist komplex und bedeutet für die Gesellschaft und die Investor:innen einen zeitlichen und finanziellen Aufwand.
Möglich ist auch die Vereinbarung eines Wandeldarlehens (convertible loan), wobei die Investor:innen den Investmentbetrag als Darlehen direkt einzahlen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt den Darlehensrückzahlungsanspruch in Geschäftsanteile wandeln. Mit der Wandlung ist in der Regel die Durchführung einer Venture Capital-Finanzierungsrunde verbunden (also der Abschluss einer notariellen Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung und eine Kapitalerhöhung). Das Wandeldarlehen ersetzt also nicht die Komplexität und die notarielle Beurkundung der Finanzierungsrunden, sondern verlagert diesen Aufwand nur in die Zukunft.
Abhilfe könnte hier der Einsatz von Stock Token bzw. Security Token schaffen. Bei der Finanzierung durch Security Token Offerings (STOs) erhalten die Investor:innen statt realer Geschäftsanteile Token, welche bestimmte Rechte repräsentieren bzw. mit schuldrechtlichen Rechten und Ansprüchen verknüpft sind. Wie bereits erörtert hat die BaFin bereits Wertpapierprospekte für Security Token gebilligt.
Denkbar ist also eine Finanzierung durch ein Wandeldarlehen, bei dem der Darlehensrückzahlungsanspruch in Stock Token bzw. Security Token umgewandelt wird. Eine schuldrechtliche Forderung aus dem Darlehen gegen eine schuldrechtliche tokenisierte Forderung zu tauschen, erscheint jedoch nicht als Gewinn für die Investor:innen. Interessant kann es aber dann werden, wenn der Token Rechte repräsentiert, die den schuldrechtlichen Investorenrechten, die üblicherweise mit einem Geschäftsanteil verbunden werden, weitestgehend nachgebildet sind. Solche schuldrechtlichen Investorenrechte können durch eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Gesellschaft, den Gesellschafter:innen und den Investor:innen begründet werden (eine solche Vereinbarung könnte man "Token Issuance Agreement" nennen), da dieses Token Issuance Agreement nicht die Verpflichtung zur Verfügung, oder gar die Verfügung über Geschäftsanteile zum Gegenstand hat (vgl. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG) bedarf es keiner notariellen Beurkundung. Inhaltlich kann das Token Issuance Agreement einer Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung nachgebildet werden, wobei alle Regelungen, die einen Geschäftsanteil oder die Gesellschafterstellung voraussetzen, natürlich nicht zum Gegenstand gemacht werden können. Allerdings sind die wirtschaftlich bedeutendsten Rechte rein schuldrechtlicher Natur und wären daher ohne Einschränkungen übertragbar. Zu denken ist insbesondere an die Liquidationspräferenz (insbesondere im Falle eines Share Deals oder Merger, da in diesen Fällen die Zahlungsverpflichtungen von den veräußernden Gesellschaftern zu tragen ist), die Downround Protection (sogenannte Anti Dilution Protection), Garantien und Rechtsfolgen von Garantieverletzungen. Die Rechte, welche mit diesen Token verbunden sein können, können dabei weitreichend sein. Es handelt sich dabei jedoch stets um schuldrechtliche Ansprüche.
Sowohl für Gründer:innen als auch für Investor:inneen bieten Token zahlreiche Vorteile. Durch die weitgehende Freiheit, der Rechte und Pflichten, welche mit dem Token verbunden werden können, bieten diese einen großen Gestaltungsspielraum. Auch der im Vorfeld des STO geschlossene, bereits erläuterte, schuldrechtliche Wandeldarlehensvertrag erlaubt eine große Bandbreite an Regelungsmöglichkeiten. Insbesondere können auch für Gesellschaftervereinbarungen typische Regelungen, wie Informations- und Zustimmungsrechte, Liquidationspräferenzen (liquidation preference) und Anti-Dilution-Klauseln (downround protection), aufgenommen werden, ohne dass eine Beurkundungspflicht ausgelöst wird.
Gegenüber einem klassischen Börsengang bieten Token den Vorteil, dass sie, anders als Aktien, keine Mitgliedschafts-, Informations-, Kontroll- oder Stimmrechte zugunsten der Investoren vorsehen müssen. Anders als bei der Aktiengesellschaft, entfallen auch das Recht der Aktionäre zur Teilnahme an einer Hauptversammlung und deren Bezugsrechte bei einer weiteren Kapitalerhöhung der Gesellschaft.
Bei einer Ausgestaltung der Startup-Finanzierung durch Token als Wandeldarlehen erfolgt statt Rückzahlung des Darlehens die Ausgabe von Token an die Investor:innen.
Bei einer Tokenisierung ist, wegen den damit einhergehenden geringeren Transaktionskosten, außerdem kein großes Investitionsvolumen erforderlich. Dies bietet gerade für Kleinanleger, ähnlich dem Crowdinvesting, die Möglichkeit auch geringe Beträge zu investieren, ohne dass die Transaktionskosten zur Investition außer Verhältnis stehen. Auch Startups, die keine großen Investor:innen, insbesondere Venture Capital-Fonds, Corporate VC oder Banken, für sich gewinnen können, profitieren von dieser niedrigschwelligen Form der Kapitalbeschaffung.
Daneben ist positiver Marketingeffekt denkbar, indem das Unternehmen als innovativ wahrgenommen wird.
Aufsichtsrechtlich stellen Security Token Wertpapiere sui generis i.S.d. ProspektVO, des WpPG und des WpHG dar und sind daneben auch Finanzinstrumente i.S.d. KWG und WpIG. Das öffentliche Angebot von Token bei einem STO löst folglich in der Regel auch eine Prospektpflicht nach den genannten Gesetzen aus. Werden die Token zusätzlich in ein Kryptowertpapierregister eingetragen, so unterfallen sie als Kryptowertpapiere dem eWpG, wodurch sich gegebenenfalls andere Anforderungen an den Wertpapierprospekt ergeben können. Zu beachten ist aber, dass die BaFin, unabhängig von der Bezeichnung des Tokens, jeweils mögliche Prospekt- und Erlaubnispflichten im Einzelfall prüft (BaFin, Merkblatt, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, 2019).
Exkurs: Auswirkungen des Verbots von Econos-Produkt durch BaFin
Laut Medienberichten hat Ende 2022 die BaFin ein Produkt des Fintechs Econos, welches über einen Spezial-AIF tokenisierte Venture-Capital-Anteile zum Erwerb angeboten haben soll, verboten. Fraglich ist, ob dadurch zu befürchten ist, dass weitere Verbote von ähnlichen Produkten folgen werden, welche tokenisierte Schuldverschreibungen nutzen.
Das Econos-Produkt ermöglicht auch Kleinanleger:innen durch den Erwerb von tokenisierten Schuldverschreibungen in einen sogenannten Spezial-AIF zu investieren. Anteile einen sogenannten Spezial-AIF können nach dem KABG nur von professionellen und semiprofessionellen Anlegern erworben werden. Nach Auffassung der BaFin fand durch das Econos-Produkt eine Umgehung dieser Regelung statt, indem auch Kleinanleger:innen, den möglichen Risiken eines Spezial-AIFs ausgesetzt würden.
Aus dem Handeln der BaFin lässt sich also nicht schließen, dass diese die Verwendung von tokenisierten Schuldverschreibungen grundsätzlich verbieten wollte. Vielmehr sollte wohl unterbunden werden, dass Kleinanleger:innen Spezial-AIF erwerben konnten und erhöhten Risiken ausgesetzt wurden. Eine offizielle Erklärung der BaFin zu diesem Fall gibt es derzeit nicht. Für die Startups und Investor:innen bleibt die Unsicherheit.
Trotz der Einzelfallbetrachtung der BaFin stellen STOs eine attraktive und zeitgemäße Finanzierungsalterative für Startup-Gründer:innen und ihre Investor:innen dar. Es bleibt also zu beobachten, ob sich die Finanzierung durch STOs in Zukunft neben den bereits vorhanden Venture-Capital-Finanzierungsinstrumenten etabliert oder sogar gegenüber diesen durchsetzt. Unser Team aus dem Venture-Capital Bereich sowie aus dem Bereich Finanzregulierung unterstützt Sie gerne bei Ihren Fragen und Projekten.
Mit freundlicher Unterstützung von Yana Kurguzov, wissenschaftliche Mitarbeiterin