Verstößt der Arbeitgeber gegen Nachweispflichten i. S. d. Nachweisgesetzes („NachweisG“), kann dies einen Schadensersatzanspruch von Mitarbeiter:innen begründen.
Mit Urteil vom 22. September 2022 – 8 AZR 4/2 hat das Bundesarbeitsgericht („BAG“) entschieden, dass Mitarbeiter:innen einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1 und 2 i. V. m. 286 BGB gegen Arbeitgeber geltend machen können, sofern eine Verletzung der Nachweispflicht gem. § 2 Abs. 1 S. 1 NachG a.F. vorliegt und Mitarbeiter:innen einen adäquat-kausalen Schaden nachweisen können.
In dem urteilsgegenständlichen Fall klagt ein als Küster beschäftigter Mitarbeiter gegen die Kirchengemeinde auf Ersatz des Verzugsschadens, der ihm in Folge eines unzureichenden Nachweises der Ausschlussfrist entstanden sei.
In dem von den Parteien schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag wurde auf die kirchliche Arbeits- und Vergütungsverordnung (KAVO) in ihrer jeweils gültigen Fassung einschließlich Anlagen Bezug genommen wird. So wurde auch § 57 Abs. 1 KAVO in Bezug genommen, der eine Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis enthält, die nicht innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.
Beachten Sie: Problematisch ist, dass auf diese Ausschlussfrist nicht explizit hingewiesen wurde, wie es im NachweisG für wesentliche Vertragsbedingungen vorgesehen ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 a.F.). Ein dem NachweisG entsprechender Nachweis ist allerdings kein Wirksamkeitserfordernis für die jeweilige arbeitsvertragliche Vereinbarung. Das heißt, dass auch ohne expliziten Hinweis der Kirchengemeinde auf die Ausschlussfrist, diese durch die Inbezugnahme der KAVO wirksam Vertragsbestandteil wurde.
Mit einer Umstellung des Vergütungssystems im Jahr 2002 wurde der Mitarbeiter in eine falsche Entgeltgruppe eingeordnet, wodurch er niedrigeres Entgelt erhielt als ihm tatsächlich zustand. Kenntnis von der fehlerhaften Eingruppierung erlangte er erst 12 Jahre später und somit zu einem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf das Differenzentgelt bereits nach § 57 Abs. 1 KAVO verfallen war.
Aus diesem Grund erhob der Mitarbeiter gegen die Kirchengemeinde Klage auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe des Differenzentgelts gem. §§ 280 Abs. 1 und 2 i.V.m. 286 BGB. Er begründete seinen Schadenersatzanspruch mit dem Verstoß gegen die Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 S. 1 NachweisG a.F.
Das BAG hat klargestellt, dass eine Ausschlussfrist eine wesentliche Vertragsbedingung ist, auf die Arbeitgeber:innen gem. § 2 Abs. 1 S. 1 NachweisG a.F. ihre Mitarbeiter:innen hinzuweisen hat.
Gegen diese Verpflichtung hat die Kirchengemeinde im besagten Fall verstoßen, indem sie den Mitarbeiter in keiner der ihm überlassenen Niederschriften bzw. Vertragsexemplare ausdrücklich auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO hingewiesen hat.
Den daraus resultierenden Schaden, d.h. das Differenzentgelt, das der Mitarbeiter aufgrund des Verfalls nicht mehr beanspruchen kann, musste die Kirchengemeinde ihrem Mitarbeiter gem. §§ 280 Abs. 1 und 2 i.V.m. 286 BGB ersetzen.
Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass ein Verstoß gegen die Nachweispflichten aus dem NachweisG zur Folge haben kann, dass Arbeitnehmer:innen einen Verzugsschadensersatzanspruch für einen adäquat-kausalen Schaden geltend machen können.
Arbeitnehmer:innen kommt nach der Rechtsprechung des BAG somit eine Erleichterung der Beweisführungslast zugute, weil vermutet wird, dass diese bei Kenntnis der Ausschluss- bzw. Verfallfrist, diese auch gewahrt hätten. Einschränkend stellt das BAG allerdings klar, dass diese Vermutung nicht so weit geht, dass Arbeitnehmer:innen ihnen nicht bekannte Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätten.
Zu beachten ist jedoch, dass für Arbeitsverträge die Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge enthalten, keine gesonderte Nachweispflicht für Arbeitgeber besteht, auf die einschlägigen Klauseln des jeweiligen Tarifvertrags hinzuweisen. Gleiches gilt für die Bezugnahme auf Betriebs- oder Dienstvereinbarung.
Eine Verzugshaftung wegen Verstoßes gegen das NachweisG, kommt demnach nur in solchen Fällen in Betracht, in denen eine Ausschlussfrist wirksam in Bezug genommen wurde (bspw. durch den Verweis auf eine Vergütungsordnung) ohne diese ausdrücklich im Arbeitsvertrag niederzuschreiben.
Mit der Novellierung des Nachweisgesetzes zum 1. August 2022 wurden die Nachweispflichten von Arbeitgeber ausgeweitet und konkretisiert. Im Ergebnis finden die Grundsätze, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf Rechtsfolgen aus dem allgemeinen Zivil- und Prozessrecht bei Verstoß gegen die Nachweispflicht gem. § 2 Abs. 1 S. 1 NachweisG a.F. aufgestellt hat, gleichermaßen auf § 2 Abs. 1 S. 1 NachweisG n.F. Anwendung. Ein Verzugsschadenersatz ist demnach sowohl nach alter als auch nach neuer Gesetzeslage denkbar.
Darüber hinaus sind die nach dem neuen NachweisG vorgesehenen Sanktionen für Arbeitgeber, die gegen ihre Nachweispflichten verstoßen, zu beachten. Es ist mit bis zu EUR 2.000,00 Bußgeld zu rechnen.
Wir empfehlen Arbeitgeber sich über die Verpflichtungen aus dem NachweisG zu informieren und Arbeitsverträge entsprechend dieser Vorgaben auszugestalten, um die Geltendmachung von etwaige Schadenersatzansprüche durch Arbeitnehmer:innen und eventuelle Bußgelder zu verhindern.
Erfahrungsgemäß legen Arbeitgeber großen Wert auf die Vereinbarung von Ausschlussfristen. Neben eines dem NachweisG entsprechenden Hinweises, müssen Arbeitgeber auch andere gesetzliche Regelungen wie etwa § 202 Abs. 1 BGB und §§ 307 ff. BGB beachten. Zudem sollte die aktuelle Rechtsprechung zu Ausschlussfristen berücksichtigt werden.