Betriebsänderungen durch den Unternehmer können für die Belegschaft negative Folgen haben und im Extremfall die Kündigung bedeuten, weshalb der Gesetzgeber mit § 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, 5 BetrVG für die Milderung oder den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die mit einer solchen einhergehen, eine Sozialplanpflicht geschaffen hat. Ob diese allerdings auch für Kleinunternehmen (weniger als 20 Arbeitnehmern) gilt, geht aus dem Gesetz nicht eindeutig hervor und sorgt für Unklarheiten in der Praxis.
Wir meinen: Bei Berücksichtigung diverser Umstände wird eine Sozialplanpflicht für Kleinunternehmen nicht anzunehmen sein. Auch, wenn die Ausnahme des § 112a Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht greift, muss die Grenze von 20 Arbeitnehmern überschritten sein. Liegt eine Betriebsänderung iSv. § 111 S. 3 BetrVG vor, kann der Betriebsrat keinen Sozialplan fordern, geschweige denn erzwingen.
Plant ein Unternehmer eine Betriebsänderung, ist er dazu verpflichtet, den Betriebsrat zu informieren und sich mit diesem zu beraten. Diese Verpflichtung besteht allerdings nur, wenn es sich hierbei um ein Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitnehmern und damit um kein Kleinunternehmen handelt, § 111 S. 1 BetrVG.
Ziel der Zusammenarbeit ist die Aufstellung eines Interessensausgleichs und eines Sozialplanes, um die Maßnahme der Betriebsänderung transparent zu beschreiben und die sozialen Folgen der Betriebsänderung abzumildern bzw. auszugleichen. Scheitert eine Einigung zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat, können Vermittler wie etwa die Bundesagentur für Arbeit oder die Einigungsstelle eingeschaltet werden. Sind auch diese nicht in der Lage, einen Kompromiss zwischen den Parteien zu erreichen, ist das die Betriebsänderung vornehmende Unternehmen gemäß § 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, 5 BetrVG grundsätzlich, unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 112a BetrVG, gleichwohl zur Abmilderung der sozialen Folgen verpflichtet.
Unklarheit besteht nun hinsichtlich der Frage, ob die Grenze aus § 111 S. 1 BetrVG, dass es sich um ein Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern handeln muss, auch für die Sozialplanpflicht gilt. Der Wortlaut des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist dahingehend nicht eindeutig. Andernfalls bestände eine generelle Sozialplanpflicht für jedes Unternehmen, das eine Betriebsänderung vornimmt, unabhängig von seiner Größe.
Nach Untersuchung dieser Fragestellung sprechen gute Argumente dafür, dass in Kleinunternehmen bei Vorliegen einer Betriebsänderung kein Sozialplan vereinbart werden muss, geschweige denn erzwingbar ist.
Der Bezugspunkt des Schwellenwertes aus § 111 S. 1 BetrVG war ursprünglich der Betrieb und wurde erst durch die BetrVG-Reform 2001 zum Unternehmen geändert. Aus der Drucksache 14/5741 des Deutschen Bundestages ergibt sich, dass auch Kleinbetriebe in größeren Unternehmen von dem Ausschluss von der Mitbestimmung nach den §§ 111 ff. BetrVG erfasst waren und darin zunehmend ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen wurde. Deswegen sollte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf Kleinbetriebsklauseln im Kündigungsschutzgesetz auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach den §§ 111 ff. BetrVG übertragen werden: die Anwendung des Schwellenwerts in Unternehmen mit mehreren Betrieben kann nur dann als verfassungskonform angesehen werden, wenn die Schwelle der Arbeitnehmerzahl auf das Unternehmen bezogen wird.
Ziel der Reform war es sicherzustellen, dass der Sinn und Zweck des § 111 S. 1 BetrVG – kleine Unternehmen vor einer zu starken finanziellen Belastung durch Sozialpläne zu schützen – nicht umgangen wird und die Privilegierung auch tatsächlich nur Kleinunternehmen zukommt. Der Gesetzgeber wertet damit den Zweck der Grenze aus § 111 S. 1 BetrVG in Anlehnung an die Sozialplanpflicht aus § 112 Abs. 4 BetrVG.
Auch der Systematik der §§ 111 bis 112a BetrVG kommt eine Bedeutung zu. Der Begriff der Betriebsänderung ist in § 111 S. 1 BetrVG erstmals genannt und wird in § 111 S. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG durch einzelne Fälle näher definiert. Die §§ 112, 112a BetrVG verweisen entweder durch Nennung der Norm oder des Begriffes auf die Vorschrift des § 111 BetrVG. Insofern ist es naheliegend, dass auch die in § 111 S. 1 BetrVG normierte Grenze für die nachfolgenden Paragraphen §§ 112, 112a gilt.
Gegen die generelle Sozialplanpflicht spricht weiterhin, dass bereits die Unterrichtungs- und Konsultationspflicht eines Unternehmens bei Betriebsänderungen nicht für Kleinunternehmen gilt. Darum muss dieselbe Restriktion bei der verpflichtenden Vereinbarung eines Sozialplans bestehen, die als solche als Mitbestimmungsrecht noch intensiver und eingreifender ist.
Unterstützt wird die Ansicht, dass auch hier die Grenze aus § 111 S. 1 BetrVG gilt, von eindeutiger Fachliteratur: Sobald die Schwelle von 20 Arbeitnehmern unterschritten wird, lägen keine der Beteiligungsrechte des Betriebsrates gemäß den §§ 111 ff. BetrVG vor. Auch die Sozialplanpflicht würde für Kleinunternehmen nicht gelten. Lediglich freiwillige Betriebsvereinbarungen gemäß § 88 BetrVG kämen dann in Betracht. Sozialpläne in Kleinunternehmen seien als solche Vereinbarungen zu klassifizieren. Ein Insolvenzverwalter könne somit in solchen Unternehmen seinerseits nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung einen Sozialplan abschließen und würde sich andernfalls ersatzpflichtig machen.
Wird eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 3 BetrVG in einem Kleinunternehmen vorgenommen, besteht keine Pflicht zur Verhandlung und Vereinbarung eines Sozialplans nach § 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, 5 BetrVG.