Trotz des Leaks des Referentenentwurfs zum Arbeitszeitgesetz im April 2023: Mit einer zeitnahen Umsetzung des Gesetzesvorhabens zur Reform des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist nicht zu rechnen.
Nachdem am 18. April 2023 der Referentenentwurf zum Arbeitszeitgesetz geleakt wurde, der die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) kurz zuvor festgestellte Pflicht der Arbeitgeber:innen zur (elektronischen) Arbeitszeiterfassung innerhalb des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vorsah, war zunächst erwartet worden, dass jedenfalls ein offizieller Gesetzesentwurf bereits noch vor der Sommerpause 2023 dem Bundestag vorgelegt werden würde. Dies ist wider Erwarten nicht geschehen. Offenbar ist ein Fortschritt in der Umsetzung des geplanten Gesetzesvorhabens jedoch auch innerhalb der zweiten Jahreshälfte 2023 nicht mehr ersichtlich. Vielmehr scheint der Prozess gänzlich zu stagnieren: Die Thematik „Arbeitszeitgesetz“ steht nunmehr für das Jahr 2023 weder auf der Agenda des Bundestages (diesbezüglich sind keine Lesungen geplant) noch auf der Agenda des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Seit dem geleakten Referentenentwurf im April 2023 hat das BMAS keine weitergehenden Informationen herausgegeben oder gar einen offiziellen Referentenentwurf veröffentlicht. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Rechtslage bis mindestens Ostern 2024 nicht ändern wird.
In seinem Beschluss vom 13. September 2022 (Az.: 1 ABR 22/21) stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Pflicht von Arbeitgeber:innen zur Arbeitszeiterfassung fest. Dabei orientierte sich das BAG an den Vorgaben des europäischen Arbeitszeitrechts und dem Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (Az.: C-55/18).
Nach dem BAG-Beschluss sind Arbeitgeber:innen im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, das Beginn, Ende und die Dauer der geleisteten täglichen Arbeitszeit von Arbeitnehmer:innen erfasst. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung leitet das BAG aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG her. Hierbei bestehe hinsichtlich der Form des Zeiterfassungssystems ein Gestaltungsspielraum, sodass die Erfassung nicht zwingend elektronisch erfolgen müsse.
Da die vorgeschlagenen Neuerungen des BMAS bisher nicht gesetzlich umgesetzt wurden, gelten die bereits bestehenden Vorschriften des ArbZG weiter. Daneben ist von Arbeitgeber:innen die Rechtsprechung des BAG zu beachten. Dies bedeutet für Arbeitgeber:innen
Dennoch bleibt zu beachten, dass neben der Pflicht zur Erfassung der Netto-Arbeitszeit nach dem BAG-Beschluss (s.o.), die Vorschrift des § 16 Abs. 2 ArbZG gilt: Danach haben Arbeitgeber:innen Überstunden sowie Mehrarbeit ihrer Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Im Gegensatz zu einem Verstoß gegen die Erfassungspflicht der Netto-Arbeitszeit, ist ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 ArbZG sanktionierbar. Bei einem Verstoß drohen insbesondere hohe Bußgelder.
Mangels erkennbarer Fortschritte im Gesetzgebungsprozess ist aktuell davon auszugehen, dass die derzeit bestehende Gesetzeslage noch bis mindestens Ostern 2024 fortbestehen wird. Auch ohne eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes und die geplante Einführung der elektronischen Arbeitszeiterfassung besteht aber bereits jetzt die Verpflichtung für Arbeitgeber:innen zur Erfassung der Arbeitszeit aller Arbeitnehmer:innen.