Hat ein Arbeitnehmer Kontakt mit einer infizierten Person und muss sich aufgrund dessen für die Zeit eines genehmigten Urlaubs in Quarantäne begeben, so führt dies für Zeiten vor September 2022 nicht zu einem Anspruch auf nachträgliche Gewährung der betroffenen Urlaubstage.
BAG, Urteil vom 28.05.2024 – 9 AZR 216/22
Der Kläger ist Arbeitnehmer und beantragte vier Tage Urlaub für Ende Dezember 2020, der ihm vom Arbeitgeber im November 2020 bewilligt wurde. Aufgrund des Kontakts mit einer mit dem Coronavirus infizierten Person ordnete das zuständige Gesundheitsamt eine Woche vor Urlaubsbeginn die 14-tägige häusliche Quarantäne des Klägers an, die sich mit dem genehmigten Urlaub überschnitt. Der Kläger selbst erkrankte währenddessen nicht und blieb arbeitsfähig. Nach Ablauf der Quarantäne verlangte er vom Arbeitgeber eine Gutschrift von vier Arbeitstagen auf seinem Urlaubskonto.
In seiner Klage führte der Arbeitnehmer als Begründung an, dass hinsichtlich seines Urlaubsanspruchs keine Erfüllung eingetreten sei – schließlich habe er den Urlaub nicht selbstbestimmt gestalten können. Vielmehr wäre die Quarantäne mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. In diesem Falle würde bei Vorlage eines ärztlichen Attestes die Krankheitszeit gemäß § 9 BUrlG nicht als Urlaubtage angerechnet werden. Ein solches Vorgehen stehe ihm aufgrund der Vergleichbarkeit der Situationen ebenfalls zu.
Wie bereits die Vorinstanzen erteilte das BAG den Ausführungen des Klägers eine Absage und wies die Revision als unbegründet ab. Dem Vortrag des Arbeitgebers zustimmend führt das BAG aus, dass der Urlaubsanspruch erloschen sei.
Bewilligt ein Arbeitgeber für einen zukünftigen Zeitraum die bezahlte Freistellung zu Erholungszwecken, entfällt für diese Zeit die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Treten danach weitere Umstände hinzu, die für sich genommen eine Aufhebung der Leistungspflicht begründen würden, bleiben diese grundsätzlich unberücksichtigt. Beeinträchtigungen der Urlaubsqualität, die nicht vom Arbeitgeber verursacht werden, fallen regelmäßig in den Risikobereich des Arbeitnehmers.
So auch im Fall des Klägers: Der Arbeitgeber hatte ihm entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung vier Tage Urlaub zu Erholungszwecken bewilligt. Für die Ausgestaltung und Qualität hat er jedoch nicht einzustehen, sodass die später erfolgte Anordnung der Quarantäne in den Risikobereich des Klägers fiel. Demnach hat der Arbeitgeber seine Pflicht erfüllt und der Urlaubsanspruch ist erloschen.
Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur im Falle einer gesetzlichen Regelung möglich. Eine solche findet sich in § 9 BUrlG in Form des Anrechnungsverbots. Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Durch die Vorschrift wird berücksichtigt, dass ein kranker Arbeitnehmer den Urlaub nicht zu Erholungszwecken nutzen kann. Da der Kläger während der Quarantäne jedoch nicht selbst arbeitsunfähig erkrankt war, greift das Anrechnungsverbot für ihn nicht.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 9 BUrlG scheidet aus. Das Infektionsschutzgesetz enthielt zum fraglichen Zeitpunkt abschließende Regelungen, die eine umfassende Gleichstellung von in Quarantäne befindlichen Personen mit arbeitsunfähig Erkrankten gerade nicht vorsah, sodass für eine analoge Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes kein Raum bleibt.
Dessen ungeachtet lehnt das BAG in seinem Urteil eine Vergleichbarkeit von Arbeitsunfähigkeit und der Quarantäne einer Kontaktperson dezidiert ab. Urlaub und Erkrankungen würden einander ausschließen. Der Erholungszweck könne bei Letzterer nicht erfüllt werden. Während einer Quarantäne sei dies hingegen – wenn auch eingeschränkt – möglich.
Praktisch relevant wird das Urteil für alle ungeklärten Altfälle, die zeitlich vor dem 16. September 2022 liegen. Mit der zu diesem Datum in Kraft getretenen Novellierung des § 59 Abs. 1 im Infektionsschutzgesetz stellte der Gesetzgeber klar, dass Tage der Quarantäne fortan nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Diese Regelung ist aber nur auf Sachverhalte nach Inkrafttreten des Gesetzes anwendbar. Wie vom BAG bestätigt, scheidet eine rückwirkende Anwendung aus, sodass für vorherige ungeklärte Zeiträume die obigen Ausführungen zu berücksichtigen sind.