Kein Verzicht auf gesetzliche Urlaubsansprüche

In einem gerichtlichen (Tatsachen-)Vergleich können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer recht frei über die Beendigungskonditionen einigen – ein Verzicht auf unstreitig bestehende gesetzliche Urlaubsansprüche ist jedoch nicht möglich. Auch eine Abgeltungsklausel ändert hieran nichts.

Vergleiche als Kompromiss im arbeitsgerichtlichen Prozess

Zahlreiche Prozesse vor den Arbeitsgerichten enden nicht mit einem Urteil, sondern im Wege eines gerichtlichen Vergleichs – also einer einvernehmlichen Einigung der Parteien. Im Rahmen eines solchen Vergleichs können Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich sehr weitgehend entscheiden, auf welche Konditionen sie sich in Bezug auf verschiedenste Aspekte im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung verständigen möchten. Dies kann beispielsweise die Höhe einer Abfindungszahlung oder den konkreten Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses betreffen. 

LAG Köln setzt dem Inhalt eines (Tatsachen-)Vergleichs klare Grenzen

Wo jedoch die Grenzen eines solchen Vergleichs liegen, entschied nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Hinblick auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch (Urteil vom 11. April 2024 – 7 Sa 516/23). Die Parteien stritten um die Abgeltung von Urlaubsansprüchen im Rahmen von gerichtlichen Vergleichsverhandlungen. Im Laufe des Rechtsstreits führte die klägerische Partei mehrfach aus, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne. Gleichwohl einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des gerichtlichen Vergleiches insbesondere darüber, dass das Arbeitsverhältnis aus betrieblichem Anlass zum 30. April 2023 endet und die Urlaubsansprüche bereits in natura gewährt worden sind. Dieser Vergleich wurde zum 31. März 2023 gerichtlich festgestellt. Bis zum Beendigungszeitpunkt konnte der Kläger aufgrund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit seinen (Rest-)Urlaub unstreitig nicht mehr nehmen. Zusätzlich vereinbarten die Parteien eine Abgeltungsklausel („Die Parteien sind sich darüber einig, dass über die hier geregelten Ansprüche hinaus weitere Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht mehr gegeneinander bestehen.“). Sodann klagte der Arbeitnehmer im Juli 2023 auf Urlaubsabgeltung seines noch bestehenden Resturlaubs.

Ein Tatsachenvergleich – wie er oft im arbeitsrechtlichen Kontext gewählt wird – setzt dabei voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über tatsächliche Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Es muss also eine Unsicherheit darüber existieren, ob ein Anspruch überhaupt oder in der jeweiligen Höhe besteht. Umstände, die hingegen völlig unstreitig zwischen den Parteien sind, können nicht wirksamer Inhalt eines Tatsachenvergleichs werden, welcher weniger gewährt als den unstreitigen Anspruch.

Urlaub ist zur Erholung da – darauf kann nicht verzichtet werden 

Gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) kann – abgesehen von Regelungen zur zusammenhängenden Gewährung von Urlaub – durch einzelvertragliche Regelung nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers von den Bestimmungen des BUrlG abgewichen werden. Danach steht jedem Arbeitnehmer ein Recht auf einen gesetzlichen Mindesturlaub zu, §§ 1, 3 BUrlG. Bei einer üblichen 5-Tage-Woche ergibt sich ein gesetzlicher Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen pro Jahr. Teilzeitarbeit kann zu einer entsprechenden Kürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs führen, sofern mit der Arbeitszeitreduzierung ebenfalls eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitstage einhergeht. Schutzzweck dieses gesetzlichen Urlaubsanspruchs ist es, den Arbeitnehmer für eine bestimmte Dauer im Jahr von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen, um ihm Gelegenheit zur selbstbestimmten Erholung zu geben.

Schutzwürdigkeit endet erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses

Fraglich ist sicherlich, ob nicht dann etwas anderes gelten kann, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht – ganz nach dem Motto, dass es dann keiner Erholung mehr bedürfe.

In Fällen, in denen der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann, ist er finanziell abzugelten, § 7 Abs. 4 BUrlG. Dieser Abgeltungsanspruch ist als reiner Geldanspruch selbst dann zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Beendigungszeitpunkt dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt ist und daher eine Freistellung von der Arbeitspflicht zu Erholungszwecken unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht mehr erfolgen kann. Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses kann aufgrund des Schutzzwecks der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Urlaubs aber weder ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehen noch wirksam auf diesen verzichtet werden. Nach Auffassung des angerufenen LAG Köln gilt dies ebenfalls, wenn das Ende eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer einschränkenden Vereinbarung bereits verbindlich feststeht.

Eine rechtsgeschäftliche Regelung, die dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch bzw. dessen Abgeltung zuwiderläuft, bevor die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, ist daher gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der aus der strukturell schwächeren Stellung des Arbeitnehmers seine besondere Schutzbedürftigkeit bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet. So könne der Arbeitnehmer aufgrund seiner schwächeren Position davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen, da er sich andernfalls dem Risiko aussetzen könne, dass der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken können. Diese Schutzbedürftigkeit ende erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst, nicht aber schon, wenn das Ende der vertraglichen Beziehungen bloß für die Zukunft feststehe. Im vorliegenden Fall konnte sich der Arbeitgeber auch nicht darauf berufen, dass es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße, wenn sich der Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit der vereinbarten Abgeltungsklausel berufe. Das LAG Köln machte deutlich, dass sich eine Partei erst dann treuwidrig verhalte, wenn ein Vertrauenstatbestand dahingehend entstanden sei, dass die andere Seite später die Unwirksamkeit ihrer Erklärungen nicht mehr geltend machen werde. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall gewesen, da die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Vergleichsverhandlungen deutlich gemacht habe, dass der Kläger – auch in Bezug auf den Vergleich – der Auffassung sei, dass auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch nicht wirksam verzichtet werden könne. Folglich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abgeltung seines Resturlaubs.

Fazit und Praxishinweis

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht dispositiv ist, jedenfalls nicht während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Bei einer einvernehmlichen Vereinbarung über die Abgeltung von Urlaub sollte daher stets zwischen gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsansprüchen differenziert werden. Im Rahmen eines Vergleichs, welcher gleichzeitig erst das Ende des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft regeln soll, kann auf unstreitig bestehenden Mindesturlaub nicht verzichtet werden.

Mangels Rechtskraft des Urteils bleibt abzuwarten, wie sich das Bundesarbeitsgericht (Az. 9 AZR 104/24) diesbezüglich positioniert. Arbeitgeber sollten bereits jetzt zwingend im Arbeitsvertrag zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen, vertraglichen Urlaubsansprüchen differenzieren. Denn in Bezug auf vertraglichen Zusatzurlaub kann bereits im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass dieser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten ist. Gleiches gilt diesbezüglich für außergerichtliche und gerichtliche Vergleichsabschlüsse.

 

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