Lang erwartetes Urteil des Landgerichts Hamburg (Kneschke gegen LAION) über die Schrankenregelung(en) für Text- und Data-Mining

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Dr. Simon Hembt

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Senior Associate für gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Branchenregulierung – spezialisiert auf Künstliche Intelligenz, Digitale Medien und Games.

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Dr. Niels Lutzhöft, LL.M.

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Ich bin strategischer Berater und Litigator für Unternehmen in den Sektoren Life Sciences sowie Digital Media – und dies an der Schnittstelle zwischen IP und sektorspezifischer Regulierung.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Fotograf („Kläger“) reichte Klage gegen die gemeinnützige Organisation LAION ein, die die Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz („KI“) durch die Bereitstellung offener Datensätze zu Trainingszwecken fördern wollte. Das Ergebnis war ein Datensatz, der aus fast sechs Milliarden Bild-Text-Paaren bestand. Eines dieser sechs Milliarden Bilder gehörte dem Kläger, der sein Bild auf einer Stockfoto-Website hochgeladen hatte. In den Nutzungsbedingungen dieser Stockfoto-Website hieß es jedoch, dass Bilder nicht für „automatisierte Programme“ verwendet werden dürfen. LAION verwendete das Bild des Klägers von dieser Website und nahm es in den Trainingsdatensatz auf. Der Kläger sah darin eine Urheberrechtsverletzung und argumentierte, dass keine Schranke des Urheberrechts (wie die für Text- und Data-Mining, „TDM“) anwendbar sei.

Wie hat das Gericht entschieden und warum ist dies von Bedeutung?

Das Gericht wies die Klage ab und entschied, dass LAION in den Genuss der Schranke nach § 60d Urheberrechtsgesetz („UrhG“) kommt, welche Art.  3 RL (EU) 2019/790 (Digital Single Market Directive („DSM-RL“) umsetzt. Diese Ausnahmeregelung gilt für Vervielfältigungen von Werken im Rahmen von TDM zu wissenschaftlichen Zwecken.

Das Gericht hatte zwar nicht über die generelle Anwendung der kommerziellen TDM-Ausnahme nach § 44b UrhG (welche Art. 4 DSM-Dir umsetzt) zu entscheiden. Dennoch werden die Ausführungen des Gerichts zum Anwendungsbereich der Ausnahme für die Entwickler von KI-Systemen in der EU von großem Interesse sein. Denn die Einhaltung des Rechtsvorbehalts nach Art. 4 DSM-RL hat nicht zuletzt Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe c des EU Acts für Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck (General Purpose Artificial Intelligence, GPAI“) in den Vordergrund gerückt.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob der Kläger gegen dieses Urteil Berufung einlegen wird und ob sich diese Argumentation in weiteren Urteilen (insbesondere vor dem EuGH) verfestigen wird.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Die Anwendung der Ausnahmeregelung für wissenschaftliche Zwecke (§ 60d UrhG (vgl. Art. 3 DSM-RL; Art. 5 Abs. 3 lit. a RL (EG) 2001/29, „InfoSoc-RL“)

  • Das Gericht wies das Argument des Klägers zurück, dass die bloße Erstellung einer Datenbank selbst noch nicht mit einem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn verbunden sei und daher nicht als Vervielfältigung zu wissenschaftlichen Zwecken zu qualifizieren sei. Das Gericht stellte fest, dass die Erstellung eines Datensatzes als Grundlage für das Training von KI-Systemen als wissenschaftliche Forschung angesehen werden kann, da es sich um einen grundlegenden Schritt handelt, der darauf abzielt, den Datensatz für die künftige Wissensgenerierung zu nutzen.

  • Das Gericht wies auch die Behauptung des Klägers zurück, die Forschung des Beklagten verfolge kommerzielle Zwecke, so dass die Ausnahmeregelung des § 60d UrhG nicht anwendbar sei (§ 60d Abs. 2 Nr. 1 UrhG). Der Kläger argumentierte, dass die Datensätze von gewerblich tätigen Unternehmen genutzt würden. Das Gericht bejahte das Fehlen einer kommerziellen Tätigkeit (§ 60d Abs. 2 Nr. 1. UrhG), da der Datensatz der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht wurde. Der Umstand, dass kommerziell tätige Unternehmen den Trainingsdatensatz auch nutzen, ist für die Beurteilung nach § 60d Abs. 2 UrhG unerheblich.

Analyse weiterer für das KI-Training relevanter Ausnahmen

Das Gericht hat auch die Schranken für vorübergehende Vervielfältigungen und für das gewerbliche TDM  eingehend erörtert:

  • Befristete Kopien: § 44a UrhG (Art. 5 Abs. 1 InfoSoc-RL): Diese Vorschrift erlaubt die vorübergehende und gelegentliche Vervielfältigung von Daten, wenn sie für das Funktionieren eines technischen Verfahrens erforderlich ist. Das Gericht verneinte jedoch die „Flüchtigkeit“ in diesem Fall, da die Löschung der Daten nicht unabhängig vom Nutzer (und mit dem bloßen technischen Prozess verbunden) war, sondern vielmehr auf eine bewusste Programmierung des Analyseprozesses zurückzuführen war.

  • Gewerbliche TDM-Schranke: § 44b UrhG (Art. 4 DSM-RL):
  • Anwendbarkeit von § 44b UrhG: Das Gericht stellte fest, dass die Vervielfältigung von Bildern im Rahmen des beschriebenen Verfahrens unter § 44b UrhG fällt. Einige Stimmen in der juristischen Literatur argumentierten, dass sich § 44b UrhG nicht auf Trainingsverfahren erstrecken sollte, die den Inhalt geistiger Schöpfungen extrahieren. Dieses Argument überzeugte das Gericht nicht. Das Gericht verwies auf insbesondere auf Art. 53(1)(c) des AI Acts, der Anbieter von GPAI-Modellen dazu verpflichtet, eine Copyright Policy festzulegen, die die Opt-Outs der Rechteinhaber berücksichtigt. Wenn diese Verpflichtung zur Berücksichtigung des Opt-Out für GPAI-Anbieter gilt, dann ist es nach Ansicht des Gerichts auch Wille des EU-Gesetzgebers, dass Art. 4 der DSM-Richtlinie auch für KI-Trainingsprozesse gelten muss, die Datensätze mit geistigem Inhalt enthalten. Zudem ergibt der Dreistufentest aus Art. 5(5) der InfoSoc-RL keine andere Bewertung. Danach dürfen die normierten Ausnahmen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechteinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Diese Anforderungen sieht das Gericht als erfüllt an, da die Vervielfältigung auf den Zweck der Analyse der Dateien beschränkt ist und eine mögliche spätere Schaffung künstlicher konkurrierender Werke es nicht rechtfertigt, eine grundsätzliche Verletzung der Vervielfältigungsrechte zu sehen.

  • Öffentlich zugängliches Erfordernis (§ 44b UrhG): Das Gericht stellte fest, dass ein Vorschaubild mit Wasserzeichen, das online in einer Bilddatenbank zur Verfügung gestellt wird, das Erfordernis der „öffentlichen Zugänglichmachung“ erfüllt (und daher unter § 44b UrhG fallen kann), auch wenn der Zugang zum Bild in voller Qualität ohne Wasserzeichen einen Lizenzvertrag erfordert.

  • Maschinenlesbarkeit von Opt-Outs (§ 44b UrhG): Obwohl es in der Entscheidung nicht darauf ankam, schlug das Gericht einen großzügigen Ansatz in Bezug auf die Maschinenlesbarkeit vor und stellte fest, dass ein Opt-Out in natürlicher Sprache in diesem Fall wohl ausgereicht hätte, um die kommerzielle TDM-Ausnahme auszuschließen. Das Gericht wies jedoch auch darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine allgemeine Regel handelt, sondern es auf den jeweiligen Einzelfall ankäme, bei dem insbesondere die technische Entwicklung zum Zeitpunkt der Nutzung des Werks zu berücksichtigen ist. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Verweis auf Art. 53(1)(c) AI Act, der besagt, dass Art. 4 Abs. 3 DSM-RL unter Verwendung von „modernsten Technologien“ - einschließlich des Einsatzes von KI - zu beachten sei. Den Einwand, dass die maschinelle Lesbarkeit enger auszulegen sei - etwa nach der PSI-Richtlinie (RL EUR 2019/1024), wo natürliche Sprache eher nicht ausreichen würde - wies das Gericht unter Hinweis auf die unterschiedliche Interessenlage der Richtlinien zurück. Im Wesentlichen stellte das Gericht fest, dass § 44b UrhG nicht einerseits die Entwicklung immer leistungsfähigerer Modelle ermöglichen, andererseits aber im Rahmen seiner Beschränkung (d.h. des Opt-Outs) den Einsatz von KI zur Erkennung von Opt-Outs nicht vorschreiben sollte.

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