Am 28. Juni 2024 wurde die neue Ökodesign-Verordnung 2024/17811 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Ökodesign-Verordnung löst die bisherige Ökodesign-Richtlinie ab und wird Unternehmen vor neue, deutlich strengere Pflichten stellen, welche den gesamten Lebenszyklus eines Produktes abdecken sollen.2
Die Neufassung der Ökodesign-Verordnung ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der EU, des sog. Green Deals, und integrativer Bestandteil bei den Bemühungen der EU hin zur klimafreundlichen Kreislaufwirtschaft. Sie wird komplettiert von der sog. Recht auf Reparatur-Richtlinie und der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel 2024/825 (siehe für einen Gesamtüberblick zu den drei Rechtsakten unseren Client Alert vom 26. Februar 2024).
Im Gegensatz zur Ökodesign-Richtlinie, die sich auf energieverbrauchsrelevante Produkte (wie Waschmaschinen oder Kühlschränke) beschränkte, erstreckt sich der Anwendungsbereich der neuen Verordnung nun auf nahezu alle physischen Produkte. Dies stellt eine erhebliche Ausweitung dar. Die Verordnung führt zudem neue Anforderungen ein, um Produkte langlebiger, zuverlässiger, wiederverwendbar, nachrüstbar, reparierbar, wartungs-, reparatur- und recyclingfreundlicher sowie energie- und ressourceneffizienter zu machen.
Die Verordnung stellt als Rahmenverordnung keine eigenständigen Anforderungen im Sinne von einzuhaltenden Parametern, sondern bildet lediglich den Rahmen für zukünftige produktbezogene delegierte Rechtsakte, die die konkreten Pflichten produktbezogen regeln werden. Mit den ersten Rechtsakten ist ab dem 19. Juli 2025 zu rechnen. Insbesondere Hersteller sowie Importeure und Händler von Eisen, Stahl, Aluminium, Textilien, insbesondere Bekleidung und Schuhwerk, Möbeln, einschließlich Matratzen, Reifen, Waschmitteln, Anstrichmitteln, Schmierstoffen, Chemikalien, Produkten der Informations- und Kommunikationstechnologie und sonstigen Elektronikgeräten sowie energieverbrauchsrelevanten Produkten sollten die Entwicklungen kurzfristig im Auge behalten, da dies die ersten Produktgruppen sind, für die die EU-Kommission Ökodesign-Anforderungen prüfen soll.3
Die neue Ökodesign-Verordnung richtet sich an alle Wirtschaftsakteure der Vertriebs- und Lieferkette. Dies sind im Einzelnen Hersteller, Importeure, Händler (Dealer), Vertreiber (Distributor), Bevollmächtigte von Herstellern, Fulfillment-Dienstleister sowie Betreiber von Online-Marktplätzen und Suchmaschinen.
Der Anwendungsbereich umfasst grundsätzlich alle physischen Waren, die in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, einschließlich Bauteile und Zwischenprodukte (Art. 1 Abs. 2 Satz 1). Ausgenommen sind u.a. Lebensmittel, Arzneimittel und Fahrzeuge, soweit die Harmonisierungsrechtsvorschriften bereits Anforderungen an Fahrzeuge vorsehen (Art. 1 Abs. 2 S. 2); explizit nicht ausgenommen sind aber Elektrofahrräder und Elektroroller4. Darüber hinaus sollen für Produkte, die ausschließlich der Verteidigung oder der nationalen Sicherheit dienen, keine Ökodesign-Anforderungen festgelegt werden (Art. 5 Abs. 5).
Ein Großteil der Regelungen wird erst durch delegierte Rechtsakte "aktiviert". Für folgende Produkte hat die EU-Kommission gestützt auf die bisherige Ökodesign-Richtlinie bereits Ökodesign-Anforderungen festgelegt (u. a.): Smartphones, Mobiltelefone und Slate-Tablets5, diverse Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Waschtrockner6 und Kühlschränke7, Lichtquellen und separate Betriebsgeräte8, bestimmte Klimaanlagen und Ventilatoren sowie bestimmte Elektromotoren.
Unternehmen, die die Ökodesign-Anforderungen nicht erfüllen, drohen potenziell Konsequenzen aus zwei verschiedenen Richtungen. Zum einen sollen die Mitgliedstaaten nach Art. 74 Abs. 3 der Ökodesign-Verordnung (mindestens) Geldbußen sowie den vorübergehenden Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge verhängen können. Zum anderen sollen Verbraucherinnen und Verbraucher nach Art. 76 der Ökodesign-Verordnung bei Nichteinhaltung der Ökodesign-Verordnung einen Schadensersatzanspruch gegen Unternehmen haben. Diese Schadensersatzpflicht trifft in erster Linie den Hersteller, subsidiär den Importeur oder Bevollmächtigten und schließlich den Fulfilment-Dienstleister. Die Schadensersatzansprüche können auch im Wege der Verbandsklage durch Verbraucherverbände stellvertretend für eine Vielzahl von Betroffenen geltend gemacht werden, etwa durch die neu geschaffene Abhilfeklage (siehe hierzu unseren Client Alert vom 19. März 2024).
Die neue Ökodesign-Verordnung enthält zahlreiche Übergangsbestimmungen, nach denen die bisherige Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG weiterhin Anwendung findet (siehe Art. 79 der neuen Verordnung). Die ersten delegierten Rechtsakte nach der neuen Verordnung werden frühestens am 19. Juli 2025 in Kraft treten (siehe Art. 4 Abs. 7 der Verordnung). Nach der Verabschiedung haben die Wirtschaftsakteure grundsätzlich 18 Monate Zeit, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen (vgl. Art. 4 Abs. 4 der Verordnung).
Wir beraten Sie gerne zu allen Fragen rund um die neuen Ökodesign-Anforderungen und unterstützen Sie bei der Anpassung Ihrer unternehmensinternen Prozesse. Nehmen Sie gerne Kontakt zu unserem Team auf!
1 Verordnung (EU) 2024/1781 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG.
2 Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte.
3 Vgl. Erwägungsgrund 49 der Ökodesign-Verordnung.
4 Vgl. Erwägungsgrund 13 der Ökodesign-Verordnung.
5 Verordnung (EU) 2023/1670 der Kommission vom 16. Juni 2023 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Smartphones, Mobiltelefone, die keine Smartphones sind, schnurlose Telefone und Slate-Tablets.
6 Verordnung (EU) 2019/2023 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner.
7 Verordnung (EU) 2019/2019 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Kühlgeräte.
8 Verordnung (EU) 2019/2020 der Kommission vom 1. Oktober 2019 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Lichtquellen und separate Betriebsgeräte.