Trilog-Einigung über Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten

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Felix Schmidtke

Associate
Deutschland

Als Senior Associate in unserem Düsseldorfer Commercial-Team sowie Mitglied unserer Automotive Sektorgruppe berate ich nationale und internationale Unternehmen in verschiedenen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Dabei vertrete ich die Interessen unserer Mandanten sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich.

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Dr. Matthias Spilker, LL.M.

Partner, Co-Head of the Automotive & Mobility Group
Deutschland

Der Schwerpunkt meiner Beratung liegt auf gerichtlichen (Litigation, Arbitration) und außergerichtlichen Rechtstreitigkeiten und komplexen Wirtschaftsverträgen, beides mit einem Fokus auf Mandanten aus den Sektoren Automotive & Mobility sowie Energie. Besonders spezialisiert bin ich auf Lieferkettenstreitigkeiten. Ich bin Co-Leiter der Internationalen Automotive & Mobility Group von Bird & Bird und Partner in der Dispute Resolution und der Commercial Group der Kanzlei. Zudem bin ich Co-Leiter der deutschen ESG-Group.

Am 5. März 2024 haben sich die Vertreter der europäischen Organe im sog. Triologverfahren auf eine finale Fassung der neuen EU-Verordnung über das Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten verständigt (nachfolgend: „EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung“). Die Verordnung soll die Rahmenbedingungen zur Durchsetzung des Verbots von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem europäischen Markt schaffen. Die Verordnung ergänzt damit die kürzlich beschlossene Europäische Lieferkettenrichtlinie und ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der EU.

Auch wenn die finale Textfassung der Verordnung noch nicht veröffentlicht wurde, ergeben sich aus  den Pressemitteilungen des Europäischen Rats und des Europäischen Parlaments bereits Eckpunkte, auf die sich die EU-Gesetzgebungsorgane geeinigt haben.[1] Hierzu zählen die Folgenden:

Welche Unternehmen sind betroffen?

Die EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung betrifft grundsätzlich alle Wirtschaftsakteure, die auf einer beliebigen Stufe der Lieferkette mit einem Produkt Handelsgeschäfte betreiben. Dazu gehören alle Unternehmen, die Produkte in der EU in Verkehr bringen (Erzeuger, Hersteller, Importeure), bereitstellen (Lieferanten, Händler) oder aus der EU ausführen (Exporteure).

Welche Produkte sind erfasst?

Erfasst ist grundsätzlich jedes Produkt mit Geldwert, das Gegenstand eines Handelsgeschäfts sein kann. Es spielt keine Rolle, ob die Zwangsarbeit auf Ebene der Gewinnung, Ernte, Erzeugung oder Herstellung des Produkts eingesetzt wird. Von einem „in Zwangsarbeit hergestellten Produkt“ geht die Verordnung aus, wenn auf einer beliebigen Stufe der Lieferkette Zwangsarbeit eingesetzt wird.

Was ist künftig untersagt?

Die zentrale Norm der EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung soll allen Wirtschaftsakteuren verbieten, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder aus der EU auszuführen (hierbei handelt es sich um Art. 3 des Vorschlags der EU-Kommission). Erfasst ist nach dem Vorschlagstext der EU-Kommission explizit auch eine Bereitstellung online oder über andere Formen des Fernabsatzes, wenn sich das Verkaufsangebot an Nutzer in der EU richtet.

Der Verordnungsvorschlag orientiert sich dabei an dem Begriff der Zwangsarbeit, wie ihn das Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1930 definiert. Danach ist Zwangsarbeit „jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat“.

Welche Maßnahmen zur Umsetzung dieses Verbots sieht die Verordnung vor?

Neben dem allgemeinen Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt werden, soll die Verordnung nach der nun getroffenen Einigung ein eigenes Verfahren zur Durchsetzung dieses Verbots vorsehen. Unter anderem die folgenden Instrumente sollen zur Verfügung stehen:

  • Untersuchungen: Die zuständigen Behörden[2] der EU-Mitgliedstaaten, bzw. in Drittstaaten die EU-Kommission, führen nach einem risikobasierten Ansatz Untersuchungen durch, ob Wirtschaftsakteure gegen das Verbot nach Art. 3 verstoßen. Die zuständigen Behörden können von den Unternehmen Informationen anfordern, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um das Zwangsarbeitsrisiko zu ermitteln, zu verhindern, zu minimieren oder zu beenden. Liegt ein begründeter Verdacht vor, wird eine formelle Untersuchung der betroffenen Produkte und Wirtschaftsakteure durchgeführt. Bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Verstoßes werden folgende Kriterien herangezogen:
    • Ausmaß und Schwere der mutmaßlichen Zwangsarbeit, einschließlich der Frage, ob staatlich verordnete Zwangsarbeit vorliegt (zu diesem Zweck soll die EU-Kommission eine Liste von Wirtschaftsbereichen und geographischen Gebieten erstellen, bei denen von einem erhöhten Risiko für staatlich verordnete Zwangsarbeit ausgegangen werden kann);
    • Menge und Volumen der in der EU in Verkehr gebrachten oder bereitgestellten Produkte;
    • Anteil der Endproduktbestandteile, der wahrscheinlich unter Zwangsarbeit hergestellt wurde;
    • Nähe des Wirtschaftsakteurs zu den Risikofaktoren für Zwangsarbeit in der Lieferkette und dessen Einflussmöglichkeiten darauf, diese Risiken zu beseitigen.
     
  • Verbotsentscheidung: Erst nach erfolgter Untersuchung trifft die für die Untersuchung zuständige Behörde die finale Entscheidung darüber, dass ein konkretes Produkt verboten ist. Das Verbot umfasst das Inverkehrbringen, Bereitstellen und die Ausfuhr des Produkts sowie eine Anordnung bereits in Verkehr gebrachte Produkte vom Markt zu nehmen bzw. aus dem Verkehr zu ziehen. Betrifft der Verstoß nur ein Bestandteil des Produkts, so ist nur dieser Bestandteil von der Verbotsentscheidung betroffen. Ein Hersteller kann beispielsweise einen neuen Lieferanten finden. Andernfalls kann ein Produkt erst wieder in Umlauf gebracht werden, wenn das Unternehmen nachweist, dass die Lieferkette nicht mehr von Zwangsarbeit betroffen ist.

    Nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gilt die von einer nationalen Behörde getroffene Entscheidung in allen anderen EU-Mitgliedstaaten entsprechend.

  • Digitales Informationsportal: In einem sog. „Forced Labour Single Portal“ (Zwangsarbeit-Datenbank) sollen Anzeigen und Informationen gesammelt werden. Das umfasst Verhaltensmaßstäbe für Unternehmen, Bekanntmachungen über die verhängten Verbote nach der EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung, eine Datenbank über die Bereiche und Produkte mit Zwangsarbeitsrisiko sowie ein Portal für Whistleblower.
  • Informationsaustausch mit Drittstaaten

Welche potenziellen Sanktionen drohen Unternehmen?

Neben der Verbannung einzelner Produkte und Produktgruppen aus dem europäischen Markt drohen Unternehmen hohe Bußgelder, wenn sie gegen ein verhängtes Verbot des Inverkehrbringens, Bereitstellens oder der Ausfuhr eines in Zwangsarbeit hergestellten Produkts oder eine der Begleitanordnungen verstoßen. Den Umfang und das Bußgeldverfahren regelt voraussichtlich das nationale Recht. Im Gespräch waren im Gesetzgebungsverfahren zuletzt Geldbußen von bis zu 5% des Vorjahresumsatzes des Wirtschaftsakteurs auf dem EU-Markt.

Wann tritt die EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung in Kraft?

Dem Text der politischen Einigung müssen das Europäische Parlament und der Europäische Rat noch formell zustimmen. Das ist – trotz der derzeit energisch geführten politischen Debatte um die Europäische Lieferketten-Richtlinie, CSDDD – zeitnah zu erwarten. Die EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung tritt am 20. Tag nach ihrer Verkündung in Kraft. Als Verordnung gilt sie unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Nach dem letzten bekannten Stand des Gesetzgebungsverfahrens werden die Regelungen jedoch erst nach 3 Jahren angewendet. Somit müssen Unternehmen voraussichtlich ab 2027 mit ihrer Durchsetzung rechnen.

Was sollten betroffene Unternehmen jetzt beachten?

Das Verbot von Zwangsarbeit ist nicht neu. Beispielsweise das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nennt das Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit als eines der in Lieferketten zu bekämpfenden Menschenrechtsrisiken (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LkSG). Und auch vor Inkrafttreten des LkSG enthielten eine Vielzahl an Code of Conducts oder anderweitige, rechtlich unverbindliche unternehmerische Selbstverpflichtungen dahingehende Initiativen. Für nahezu alle Unternehmen ist die Materie daher keinesfalls gänzlich unbekannt.

Neu ist hingegen das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit im europäischen Markt. Zwar baut die EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung auf bestehenden Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten sowie auf Empfehlungen der Vereinten Nationen, IAO und OECD auf. Die EU legt daher Wert darauf zu betonen, dass Unternehmen keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten auferlegt werden würden, wenn sie keine Zwangsarbeit in ihren Lieferketten einsetzen. Die Kehrseite ist aber, dass Unternehmen auf jeder beliebigen Stufe der Lieferkette sorgfältig prüfen müssen, dass sie keine Zwangsarbeit einsetzen und entsprechende Dokumentation für Untersuchungen auf Grundlage der EU-Zwangsarbeitsprodukteverordnung vorhalten müssen. Die neue Verordnung gibt den zuständigen Behörden ein wirkmächtiges Mittel, Produkte oder Produktegruppen zu verbieten und damit aus dem Verkehr zu ziehen, wenn ein begründeter Verdacht eines Verstoßes besteht. Gerade mit Blick auf den risikobasierten Ansatz der Verordnung, sollten insbesondere größere Wirtschaftsakteure prüfen, welche Produktgruppen, Wirtschaftsbereiche und geographische Gebiete von der EU-Kommission als besonders risikobelastet für Zwangsarbeit eingestuft werden und insoweit gegebenenfalls Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe schaffen.


[1] Bei der hiesigen Darstellung handelt es sich aufgrund der bislang fehlenden Veröffentlichung der finalen Volltextfassung lediglich um einen ersten, groben Überblick unter Einbeziehung des Texts des Kommissionsvorschlags und der vorliegenden interinstitutionellen Textversionen. Erfahrungen aus der Vergangenheit mit derartigen Pressemitteilungen zeigen, dass sich im Nachhinein durchaus noch Änderungen ergeben können, die Stand jetzt nicht absehbar sind.

[2] Welche nationalen Behörden in Deutschland die Untersuchungen durchführen, ist noch nicht bekannt.

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