Die Produktschutzversicherung für die Lebens- und Genussmittelindustrie

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Dr. Jonas Baier, LL.M. (Cambridge)

Counsel
Deutschland

Ich berate als Counsel in den Praxisgruppen Commercial und Streitbeilegung im Frankfurter Büro. Ich bin zudem Mitglied der International Automotive Group und dem internationalen Team für Versicherungsstreitigkeiten (Insurance Disputes SIG).

In den letzten Jahren kam es in der Lebensmittelindustrie zu einer Reihe von viel beachteten Produktrückrufen. Diese Vorfälle, die von kontaminierten Lebensmitteln bis hin zu nicht deklarierten Allergenen in Fertiggerichten reichen, zeigen, dass selbst die strengsten Qualitätskontrollsysteme versagen können. Kontaminationen können durch viele Faktoren verursacht werden, darunter unzureichende Kontrollen, defekte oder unzureichende Sensoren, unzureichende Erhitzung der Produkte und böswillige Einflüsse von außen, wie z. B. vorsätzliche Produktmanipulationen.

Die finanziellen Folgen gehen weit über die unmittelbaren Kosten für die Rücknahme der Produkte aus den Regalen hinaus. Zu diesen Kosten zählen entgangene Einnahmen, die Schädigung des Markenrufs und die kostspielige Wiederherstellung des Verbrauchervertrauens. Die Herausforderungen, mit denen Hersteller in solchen Situationen konfrontiert sind, sind vielfältig: Sie müssen die Ursache des Mangels identifizieren, den Reputationsschaden bewältigen und in schweren Fällen sogar um die Existenz des Unternehmens kämpfen.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Produktschutzversicherung auf dem deutschen Markt als unverzichtbares Risikomanagementinstrument für Hersteller etabliert. Solche Produktschutzversicherungen sind mehr als nur erweiterte Haftpflichtversicherungen, da sie vom haftungsbasierten Modell klassischer Produkthaftpflicht- und Rückrufversicherungen abweichen.

Was ist der Versicherungsfall in der Produktschutzversicherung und wie ist er definiert?

Typische deutsche Produktschutzversicherungen bieten Schutz vor den Folgen einer vorsätzlichen oder unbeabsichtigten Kontamination von Produkten. In einem ersten Schritt ist der Versicherungsfall jede unbeabsichtigte Produktverunreinigung, d. h. eine zufällige oder unbeabsichtigte Verunreinigung, Beschädigung oder falsche Kennzeichnung eines Produkts des Versicherungsnehmers infolge der Herstellung. Die Verunreinigung muss eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen oder in einigen Fällen auch von Tieren darstellen. Darüber hinaus wird in der Regel Versicherungsschutz gewährt, wenn das Produkt für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist, unabhängig davon, ob es ein Gesundheitsrisiko darstellt. Produktschutzpolicen gehen jedoch in der Regel über diese Haftpflichtversicherungskomponente hinaus und schützen auch vor vorsätzlicher Produktverunreinigung oder angeblicher Verunreinigung durch Dritte, die darauf abzielen, den Versicherungsnehmer zu erpressen.

Was deckt die Produktschutzpolice ab?

Jede Produktschutzpolice bietet mehrere Schadensersatzoptionen für verschiedene Ereignisse.

  • Entgangener Gewinn: Der Kern und Schwerpunkt ist der entgangene Gewinn. Dies ist eine deutliche Abweichung von klassischen Rückrufversicherungen. Dieser wird definiert als der Betrag, den der Versicherte aus geplanten, aber nicht realisierten Verkäufen der betroffenen Produkte erzielt hätte. Die Quantifizierung dieses Verlusts erfordert eine detaillierte Analyse der Deckungsbeiträge für bestimmte Produktlinien, wobei die tatsächlichen Verkäufe mit denen verglichen werden, die in vergleichbaren Vorperioden erzielt und in Geschäftsplänen prognostiziert wurden. Diese Aufgabe erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Rechtsberatern, den Wirtschaftsprüfern des Versicherten und möglicherweise unabhängigen Schadensregulierern mit Fachkenntnissen im Bereich Betriebsunterbrechungsschäden.
  • Rückruf- und Untersuchungskosten: Die Kosten für die Rücknahme von Produkten vom Markt sind erheblich und vielfältig. Dazu gehören die Kosten für die Benachrichtigung von Einzelhändlern und Verbrauchern, die Untersuchungskosten zur Ermittlung der Quelle und des Ausmaßes der Kontamination, die Transport- und Logistikkosten für die Rückholung der Produkte, die Kosten für Zwischenlager und die Kosten für die Vernichtung und Entsorgung der betroffenen Produkte.
  • Ersatz- und Wiederherstellungskosten: Die Policen decken die Kosten für die Wiederherstellung und den Ersatz zurückgerufener Produkte, sodass die Hersteller nach Behebung des Kontaminationsproblems ihren normalen Betrieb wieder aufnehmen und ausstehende Aufträge erfüllen können.
  • Marketing und Reputationsmanagement: Die Policen sehen oft zusätzliche Werbeausgaben vor, um das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen und die Marktposition wieder aufzubauen, da sie erkennen, dass der Schaden für die Marke über die unmittelbare Krise hinausgehen kann.
  • Honorare für Fachleute und Krisenmanagement: Viele Policen gewähren Zugang zu spezialisierten Dienstleistungen, darunter Krisenplanung, Qualitätsmanagement und -sicherung, Krisenkommunikationsstrategien und fortlaufende Unterstützung während der Krisenbewältigung.
  • Rechtskosten und Ansprüche Dritter: Diese Policen bieten Schutz vor Haftungsansprüchen Dritter aufgrund von Personen- oder Sachschäden und decken die Rechtskosten ab, die in Produkthaftungsfällen anfallen.

Zunehmend erweitern viele Versicherer ihre Dienstleistungen über das traditionelle Versicherungsangebot hinaus. Dazu gehören beispielsweise Beratung zu Präventivmaßnahmen, Qualitätsmanagementberatung und Rückrufplanungsdienste. Einige Versicherungsgesellschaften betreiben auch eine Notfall-Hotline, die in zeitkritischen Situationen den sofortigen Zugang zu fachkundiger Beratung gewährleistet. In einigen Fällen bieten sie sogar Konzepte und Lösungen für Lösegeldforderungen an.

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