Unternehmen sollten sorgfältig prüfen, ob erweiterte Gewährleistungen oder Garantieangebote nach deutschem Versicherungsaufsichtsrecht als Versicherungsgeschäft einzustufen sind, da die Ausübung eines Versicherungsgeschäfts ohne die erforderliche Erlaubnis eine Straftat darstellen kann. Selbst Sachleistungen wie Reparaturleistungen können, eine Erlaubnispflicht auslösen, sodass eine gründliche Produktprüfung unerlässlich ist, um strafrechtliche Risiken zu vermeiden. Flankiert wird dies durch umsatz- und versicherungsteuerrechtliche Problemstellungen.
Immer mehr Unternehmen bieten ihren Kunden erweiterte Garantien und andere Garantieprodukte (z. B. eine Ersatzgarantie bei Zerstörung oder Diebstahl) an. Trotz des verständlichen Interesses, solche Produkte den Kunden anzubieten, ist in diesem Zusammenhang Vorsicht geboten. Solche Produkte können in Deutschland als Versicherungsgeschäft gelten, das der Versicherungsaufsicht unterliegt. Unternehmen, die Versicherungsgeschäfte betreiben, unterliegen der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Der Betrieb von Versicherungsgeschäften ohne Lizenz stellt eine Straftat dar (§ 331 VAG).
Trotz der Bedeutung des Begriffs „Versicherungsgeschäft” enthält das VAG selbst keine ausdrückliche Definition des Versicherungsgeschäfts. Diese Lücke wurde auch durch die sehr detaillierte Solvabilität-II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG, „Solvabilität II“) nicht geschlossen. Daher wendet die BaFin weiterhin ihre vor Solvabilität II geltende Grundsätze an. In der Vergangenheit haben deutsche Gerichte, insbesondere das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Kriterien für die Einstufung einer Tätigkeit als Versicherungsgeschäft festgelegt. Zwar hat das BVerwG seit Inkrafttreten von Solvabilität II am 25. November 2009 keine neue Rechtsprechung erlassen, doch lassen jüngere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in Strafverfahren darauf schließen, dass die früheren Grundsätze des BVerwG weiterhin gelten. Bis der Europäische Gerichtshof, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) oder der europäische Gesetzgeber für mehr Klarheit sorgen, sollten Unternehmen, die auf dem deutschen Markt tätig sind, ihre Produkte vor dem Hintergrund der vom BVerwG entwickelten Voraussetzungen für ein Versicherungsgeschäft prüfen. Für die Einordnung sind folgende Leitlinien maßgeblich:
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann eine erweiterte Gewährleistung oder Garantie als Versicherungsgeschäft gelten, das den Zulassungs- und Compliance-Anforderungen des VAG unterliegt.
Neben dem Versicherungsaufsichtsrecht ist die steuerrechtliche Behandlung bedeutsam. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Thematik im BMF-Schreiben vom 11.05.2021 – III C 3 – S 7163/19/10001 :001, DOK2021/0533686 gewidmet. Zusammenfassend gesagt fällt in der Regel entweder Versicherungsteuer oder Umsatzsteuer an, wobei die Beurteilung unabhängig vom Versicherungsaufsichtsrecht vorzunehmen ist. Dies ergibt sich aus Art. 135 Abs. 1a) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) bzw. § 4 Nr. 10a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Danach sind sog. Versicherungsumsätze umsatzsteuerfrei (vice versa versicherungsteuerpflichtig). Die Versicherungsteuerpflicht führt zunächst zu einer erhöhten Belastung bei Geschäftskunden, da es bei der Versicherungsteuer im Gegensatz zur Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzugsmechanismus gibt. Doch auch für den anbietenden Unternehmer ergeben sich negative Folgen, da dieser in der Regel den zuordenbaren Vorsteuerabzug verliert. Dadurch kann er sich die Vorsteuer auf die im Rahmen der Vereinbarung erbrachten Reparaturen (konkret zuordenbare Eingangsleistungen) nicht vom Finanzamt erstatten lassen. Gleiches gilt für die anteilige, auf die nicht konkret zuordenbaren Eingangsleistungen anfallende Vorsteuer, die nach einem Vorsteuerschlüssel (§ 15 Abs. 4 UStG) zu berechnen ist. Hinzu kommen mögliche Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG.
Bei der Abgrenzung muss zunächst nach umsatzsteuerlichen Maßstäben unterschieden werden, ob die Garantie bzw. Gewährleistungserweiterung eine selbständige Hauptleistung oder lediglich eine untergeordnete Nebenleistung zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung darstellt. Dabei kommt es auf die konkrete Gestaltung an. Dem angebotenen Produkt muss ein eigenständiger Zweck zukommen, der über das Grundgeschäft hinausgeht. Bei einem Vollwartungsvertrag z.B. liegt eine einheitliche umsatzsteuerpflichtige Leistung vor.
Nur wenn das Produkt eine eigenständige Leistung darstellt, kann es umsatzsteuerbefreit sein. Ähnlich wie die oben genannten Versicherungsgeschäfte sind Versicherungsumsätze in der MwStSystRL nicht definiert. Zwar behilft sich § 4 Nr. 10a) UStG zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit einem Rückgriff auf das Versicherungsteuergesetz (VersStG). Dies ist jedoch unionsrechtskonform auszulegen. Insoweit hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung als charakteristisches Merkmal eines Versicherungsumsatzes herausgearbeitet, dass sich ein Versicherer dazu verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie im Fall der Verwirklichung des abgedeckten Risikos die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen (vgl. EuGH vom 17.03.2016 – C-40/15). Auch hier kommt es letzten Endes auf die vertragliche Ausgestaltung an. Insbesondere müssen das versicherte Risiko und die versprochene Leistung klar aus dem Vertrag hervorgehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Umsatzsteuerbefreiung in einem konkreten Fall für die Garantiezusage eines Kfz-Händlers bejaht (BFH vom 14.11.2018 – XI R 16/17). Nicht maßgeblich ist, ob ein Versicherer die erforderliche Lizenz nach nationalem Recht besitzt (vgl. EuGH vom 25. 2. 1999 – C-349/96).
In Deutschland kann das Angebot von erweiterten Garantie- und Gewährleistungsprodukten unbeabsichtigt in den Bereich des Versicherungsrechts fallen. Während gesetzliche Gewährleistungen oder geringfügige Gewährleistungserweiterungen, die eng mit einem Hauptverkaufsvertrag verbunden sind, regelmäßig nicht der Versicherungsregulierung unterliegen, kann eine umfassendere Deckung, wie z. B. Unfallgarantien, eine Erlaubnispflicht auslösen. Angesichts der strafrechtlichen Risiken, die mit einem Betrieb ohne Genehmigung verbunden sind, sollten Unternehmen ihre Produkte sorgfältig prüfen.
Hinzu kommen die steuerrechtlichen Folgen. Viele solcher Produkte unterfallen der Versicherungsteuer und nicht der Umsatzsteuer. Dies führt zu einer finalen Belastung für den Unternehmer durch den Vorsteuerausschluss und seine unternehmerischen Kunden aufgrund der Nichtabziehbarkeit von Versicherungsteuer.