Aufsichtsbehörden fordern MiCAR-Reform

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Dr. Michael Jünemann

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Als Co-Head der globalen Finance & Financial Regulation Praxisgruppen und Leiter der deutschen Finance & Financial Regulation Praxisgruppe berate ich in den Bereichen des nationalen und internationalen Finanz- und Kapitalmarktrechts sowie im Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht. Zudem bin ich Mitglied der internationalen Steuerungsgruppe unserer Sektorgruppe Finanzdienstleistungen.

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Johannes Wirtz, LL.M.

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Timo Förster

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Als Associate in der Praxisgruppe Finanzierung & Finanzregulierung in unserem Büro in Frankfurt berate ich internationale Mandanten zu banken- und finanzierungsrechtlichen Fragen.

Seit etwas mehr als 9 Monaten ist die Europäische Kryptowerteverordnung MiCAR vollständig anwendbar. Noch laufen je nach EU-Mitgliedstaat unterschiedliche Übergangsfristen. Doch bereits jetzt herrschen Unstimmigkeiten zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bei der Anwendung der Verordnung. Diese Entwicklung könnte weitreichende Folgen für Marktteilnehmer haben.

1. Regulator Shopping als Systemrisiko

Der Streit entzündete sich an der unterschiedlichen Aufsichtspraxis in den EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere an der Thematik der Zulassung von Kryptowertedienstleistern, die mit einer Erlaubnis in einem EU-Mitgliedstaat ihre Dienstleistungen im EU-Markt anbieten dürfen. Marktteilnehmer, die in Europa Dienstleistungen mit Kryptobezug erbringen wollen, benötigen eine Erlaubnis der jeweils für sie zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde – in Deutschland von der BaFin. Sobald diese Erlaubnis erteilt wurde, kann sie in den gesamten europäischen Raum genutzt werden (sogenanntes Passporting).

Nun machen jedoch Aufsichtsbehörden mehrerer EU-Staaten geltend, dass es erhebliche Unterschiede in der Anwendung der MiCAR gebe. Einzelne Mitgliedsstaaten hätten unterschiedlich hohe Hürden, die es zu überwinden gilt, um eine solche Erlaubnis zu erhalten. Dies begünstigt „Regulator Shopping“ also die Praxis sich das Land bzw. die Aufsichtsbehörde mit den geringsten Anforderungen für eine Zulassung auszusuchen. Es wurde bereits geäußert, dass manche EU-Staaten es in Betracht ziehen, die Erlaubnisse anderer EU-Staaten nicht mehr anzuerkennen.

Aufgrund der monierten Uneinheitlichkeit und der daraus potenziell resultierenden Risiken fordern mittlerweile die Aufsichtsbehörden von drei EU-Staaten erste Reformen der Kryptoaufsicht. Die drei Aufsichtsbehörden sind FMA aus Österreich, Consob aus Italien und AMF aus Frankreich.

2. Die geforderte Reform 

Die drei Aufsichtsbehörden haben vier Forderungen für eine Reform der MiCAR, die allesamt auf eine strengere Regulierung von Kryptowerte-Dienstleistern und eine Zentralisierung der Aufsicht abzielen.

Kernforderung ist, dass die ESMA direkte Aufsicht über signifikante Kryptowerte-Dienstleister ausüben soll, um zu gewährleisten, dass die Anwendung der MiCAR einheitlich erfolgt. Ansonsten könne nicht adäquat verhindert werden, dass Unternehmen, die hohen Zulassungsstandards einiger Länder umgehen, indem sie ihren Sitz in einem Land mit niedrigen Standards wählen. 

Ferner sollen alle Intermediäre, die für Kunden Aufträge bzgl. Kryptowerten ausführen, dies nur über Plattformen tun dürfen, die der MiCAR oder vergleichbaren Regulierungen unterliegen. So sollen Plattformen, die in Drittstaaten sitzen und über Intermediäre in Europa ihre Kunden erreichen, besser reguliert werden. Die Europäische Kommission könnte Entscheidungen über die Vergleichbarkeit von Drittstaatenregulierung mit der Unterstützung der ESMA treffen.

Die Aufsichtsbehörden fordern, dass, bevor eine Erlaubnis als Kryptowerte-Dienstleister erteilt wird, der Antragsteller eine unabhängige IT-Sicherheitsprüfung durchführen soll. Eine solche Prüfung sollte zudem auch in regelmäßig wiederkehrenden Abständen durchgeführt werden. Die Überprüfung soll insbesondere die Widerstandsfähigkeit gegenüber Cyberangriffen, den Schutz von Vermögenswerten und das Management von Sicherheitsvorfällen umfassen. Dadurch sollen die Kryptomärkte besser geschützt werden.

Schließlich soll eine zentrale europäische Stelle bei der ESMA eingeführt werden, die für die Analyse von Kryptowerte-Whitepapern für Emittenten zuständig ist, da die Mehrzahl der Angebote sich an die Bürger aller europäischen Staaten richtet.

Diese Forderungen markieren einen Wendepunkt in der europäischen Kryptopolitik – doch ihre Umsetzung birgt sowohl Chancen als auch Risiken.

3. Chancen und Risiken

Die Reformvorschläge der drei Aufsichtsbehörden markieren einen Einschnitt für Europas Position im globalen Kryptowettbewerb. Kurzfristig versprechen sie dringend benötigte Rechtssicherheit und könnten chaotisches "Regulator Shopping" verhindern. Zentralisierte Standards würden Marktteilnehmern klare und für alle einheitlich geltende Spielregeln geben und das Vertrauen institutioneller Investoren stärken. Zudem könnte so ein Alleingang einzelner Aufsichtsbehörden, die Erlaubnisse aus anderen EU-Staaten nicht mehr anzuerkennen, verhindert werden.

Doch der Preis könnte hoch sein. Übermäßige Zentralisierung droht Europas regulatorische Flexibilität zu ersticken, während Abschottung gegenüber Drittstaaten-Anbietern Gegenreaktionen aus dem Ausland provozieren könnten. Start-ups und kleinere Anbieter könnten durch hohe Compliance-Kosten vom Markt verdrängt werden. Ob eine zusätzliche IT-Prüfung überhaupt erforderlich ist, ist im Lichte des DORA zumindest zweifelhaft.

Mittelfristig entscheidet sich, ob Europa eine sichere, aber dennoch attraktive Krypto-Jurisdiktion sein kann oder durch Überregulierung Innovationen und Unternehmen an agilere Märkte verlieren wird. 

In den gegenwärtigen Unstimmigkeiten zwischen den Regulierern liegen sowohl Risiken als auch Chancen. Es ist für Marktteilnehmer wichtig, dass sie nicht nur compliant, sondern auch strategisch optimal positioniert sind, wenn sich Europas Krypto-Landschaft deshalb neu formiert.

Mit freundlicher Unterstützung von Florian Liedtke – wissenschaftlicher Mitarbeiter

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