Diskriminierung durch Berücksichtigung des Kundenwunschs nach einem männlichen Berater

Written By

alisa nentwig Module
Alisa Nentwig

Associate
Deutschland

Als associate der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Der Beitrag bespricht eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2024 – 10 Sa 13/24, die sich mit der Verpflichtung von Arbeitgebern befasst, ihre Arbeitnehmer vor Benachteiligungen durch Dritte zu schützen. In dem Fall kam der Regionalleiter eines Bauunternehmens der Bitte einer Kundin nach, lieber von einem Mann als von einer Frau beraten werden zu wollen. Das Gericht stellte fest, dass die Arbeitgeberin sich Schadensersatzpflichtig gemacht hat, indem sie diesem Wunsch entsprach, ohne ihre Schutzpflichten aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nachzukommen. 

Die Entscheidung unterstreicht die Herausforderung für Arbeitgeber, einerseits ihre Beschäftigten vor Diskriminierungen zu schützen und andererseits die eigenen Kunden nicht zu verprellen.

Schutz der Beschäftigten vor Diskriminierungen durch Dritte

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist der Arbeitgeber nicht nur verpflichtet, selbst keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung zu begehen, sondern muss auch seine Arbeitnehmer vor Diskriminierung durch Dritte schützen, § 12 Abs. 4 AGG. Häufig kommt diese Pflicht bei innerbetrieblichen Diskriminierungen oder Belästigungen durch andere Arbeitnehmer zum Tragen, wobei dem Arbeitgeber eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verfügung stehen, die von Abmahnungen über Versetzungen bis hin zur Kündigung des diskriminierenden Arbeitnehmers reichen. Schwieriger zu beurteilen und bislang seltener entschieden sind Fälle, in denen die Diskriminierung durch Kunden des Arbeitgebers erfolgt. 

Ein Beispiel hierfür ist etwa der Fall in dem der Inhaber eines gehobenen Bekleidungsgeschäfts im Streit um den Umfang seines Weisungsrechts sich darauf stützte, dass die Kunden erwarten würden, dass seine Arbeitnehmerinnen ohne Kopftuch arbeiteten (BAG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01). Das LAG Baden-Württemberg hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, diskriminierende Kundenwünsche im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit seinen Beschäftigten aktiv entgegenzutreten, um sich nicht der Gefahr einer Schadensersatzpflicht auszusetzen.

Potenzielle Kundin bittet um männlichen Berater

Der Entscheidung zugrunde lag ein Streit zwischen einer Architektin und ihrer ehemaligen Arbeitgeberin, einem Bauunternehmen. Die Architektin wurde durch das interne Verteilungssystem mit der Anfrage einer Kundin betraut, und kontaktierte sie für eine erste Besprechung. Die potenzielle Kundin kontaktierte daraufhin den Regionalleiter des Unternehmens und teilte ihm mit, dass sie keine Frau als Beraterin haben wolle. 

Daraufhin ließ der Regionalleiter den Fall auf sich umschreiben. Die Klägerin fühlte sich durch diese Entscheidung benachteiligt und machte Ansprüche auf Entschädigung geltend, gestützt auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sie argumentierte, dass die Entscheidung, ihr den Fall zu entziehen, eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts darstellte. Der Regionalleiter habe die diskriminierende Äußerung ohne Weiteres akzeptiert und sich in keiner Weise schützend vor die Klägerin gestellt.

Arbeitgeber darf Benachteiligung nicht als unabänderlich hinnehmen

Das Landesarbeitsgericht folgte dem Vortrag der Klägerin und bejahte entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung eine unmittelbare Diskriminierung durch die Arbeitgeberin und mithin einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Eine unmittelbare Diskriminierung sei in dem nachträglichen Entzug der Sachbearbeitung zu sehen. Damit sei der Klägerin eine berufliche Aufgabe wegen ihres Geschlechts entzogen worden. 

Eine Benachteiligung sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Arbeitgeber damit lediglich einem Wunsch der Bauinteressentin entsprochen habe. Denn der Arbeitgeber hätte, insbesondere um seiner Verpflichtung aus § 12 Abs. 4 AGG nachzukommen, auch anders reagieren können. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, wobei das Landesarbeitsgericht betont, dass das, was angemessen ist, weitgehend im Ermessen des Arbeitgebers stehe und ein Erfolg mangels Durchsetzungsmöglichkeit nicht geschuldet sei. 

Allerdings dürfe der Arbeitgeber die Benachteiligung „nicht als unabänderlich hinnehmen oder sich gar zu eigen machen“. Als zumutbares Alternativverhalten sah das Gericht hier an, dass die Arbeitgeberin sich nach den Gründen für die Vorbehalte gegenüber Frauen hätte erkundigen oder versuchen können, sie davon zu überzeugen, dass die Klägerin eine hinreichend gute Arbeit leistet. Da die Arbeitgeberin selbst aktiv an der Diskriminierung beteiligt war, komme es nicht darauf an, ob ein bloßes Unterlassen im Hinblick auf die Schutzpflichten einen Schadensersatzanspruch auslösen kann. Die herrschende Meinung verneint dies bislang.

Höhe einer immateriellen Schadensersatzforderung

Der von der Klägerin geforderten Entschädigungszahlung in Höhe von sechs Bruttomonatsgehältern (hier: EUR 84.300,00) ist das Gericht jedoch nicht gefolgt. Um dem Zweck des immateriellen Schadensersatzes und insbesondere dem Präventionszweck desselben gerecht zu werden, genüge eine Zahlung von EUR 1.500,00. Zu Gunsten der Arbeitgeberin berücksichtigte das Gericht, dass der Personalleiter selbst die AGG-Beschwerdestelle des Unternehmens informiert hatte und auch die übrige Vorgehensweise der Geschäftsführung dafür sprach, dass der Vorfall eine nachhaltige Betroffenheit ausgelöst hatte. Eine Wiederholungsgefahr sei daher unwahrscheinlich.

Praxishinweis: Anforderung an Arbeitgeber 

Leider ist diskriminierendes Verhalten durch Kunden weiterhin kein Einzelfall. Die Entscheidung verlangt von Arbeitgebern, ein gewisses Maß an Resistenz gegenüber diskriminierendem Verhalten von Kundinnen und Kunden zu entwickeln und sich zumindest bis zu einem gewissen Grad schützend vor die eigenen Arbeitnehmer zu stellen. Sie dürfen dieses Verhalten nicht einfach hinnehmen und sich dadurch selbst zu diskriminierendem Verhalten verleiten lassen. Das Gerich erkennt den Drahtseilakt zwischen Kundenwunsch und Schutz der eigenen Arbeitgeber. Hier ist Fingerspitzengefühl der Arbeitgeber gefragt, um den richtigen Ton zu treffen. Duldung von diskriminierendem Verhalten kann auch gegenüber Kunden nicht die Antwort sein.

Interessant ist das Urteil auch im Hinblick darauf, dass auch das Verhalten nach der Diskriminierung maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Entschädigung haben kann und sich Umstände wie die Meldung bei einer AGG-Beschwerdestelle mindernd auswirken können. Das Landesarbeitsgericht sieht also auch im „Nachtatverhalten“ weitreichende Einflussmöglichkeiten auf die Entschädigungshöhe. Für Arbeitgeber ist es daher in jedem Fall sinnvoll, entsprechenden Vorwürfen sorgfältig nachzugehen und die Fälle selbst bei Beschwerdestellen zu melden.

Latest insights

More Insights
featured image

Haustiere am Arbeitsplatz

7 minutes Jun 23 2025

Read More
featured image

Der Koalitionsvertrag und die Arbeitszeit – Was soll man tun?

5 minutes Jun 23 2025

Read More
featured image

Weisungsrecht und berufliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts

5 minutes Jun 23 2025

Read More