Oftmals sind in Unternehmen Kosteneinsparungen notwendig, die beispielsweise durch Personalabbau erreicht werden können. Transfergesellschaften haben sich dabei aus arbeitsrechtlicher Sicht als unverzichtbares Instrument etabliert. So müssen mitunter sehr lange Kündigungsfristen nicht beachtet werden und durch die einvernehmliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse werden die mit Kündigungsstreitigkeiten verbundenen rechtlichen Risiken vermieden. Letztlich ist man auch an keine Sozialauswahl gebunden und kann daher betriebliche Notwendigkeiten besser berücksichtigen.
Häufig befassen sich Arbeitgeber nur am Rande mit steuerlichen Themen in diesem Kontext. In einem neueren Urteil des FG Baden-Württemberg (das „FG“) vom 16.3.2023 (1 K 2865/21) wurden nun umsatzsteuerliche Fragen aufgeworfen, die es im Blick zu behalten gilt. Es geht um die umsatzsteuerliche Behandlung von sog. Remanenzkosten, die an die Transfergesellschaft vom bisherigen Arbeitgeber geleistet werden.
In diesem Beitrag erläutern wir, zu welchem Ergebnis das FG in seinem Urteil kam und welche praktischen Folgen dies haben kann.
Geklagt hatte eine Transfergesellschaft. Diese erhielt von dem Alt-Arbeitgeber auf ein Treuhandkonto folgende Zahlungen:
Daneben erhielt die Transfergesellschaft das Transferkurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit.
Die erhaltenen Beträge zahlte die Transfergesellschaft, soweit sie nicht ihr zustanden, an die übernommenen Arbeitnehmer und relevanten Stellen aus. Dies betraf insbesondere das Transferkurzarbeitergeld und die Aufstockungsbeträge sowie Abfindungszahlungen. Über die erhaltenen Beträge erteilte die Transfergesellschaft den Alt-Arbeitgebern Rechnungen, in denen sie die Verwaltungs- und Qualifizierungskosten gesondert auswies und hierauf 19 % Umsatzsteuer berechnete. Umsatzsteuer auf die weiterbelasteten Remanenzkosten oder Abfindungen berechnete sie nicht.
Die umsatzsteuerliche Behandlung der war deshalb zwischen den Parteien nicht streitig.
Nach einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass nicht nur die Verwaltungs- und Qualifizierungskosten, sondern auch die weiterbelasteten Remanenzkosten sowie die Abfindungen der Umsatzsteuer unterlägen. Dabei sah das Finanzamt die von den Alt-Arbeitgeber erhaltenen Zahlungen der Remanenzkosten und Abfindungen als Bruttobeträge an, aus denen sie die Umsatzsteuer herausrechnete (siehe § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Die so ermittelte Umsatzsteuer wurde daher nachgefordert. Hiergegen wehrte sich die Transfergesellschaft mit ihrer Klage vor dem FG.
Das FG entschied, dass die von der Transfergesellschaft erhaltenen Remanenzkosten als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung zu behandeln seien.
Die Leistung der Transfergesellschaft bestünde in der Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse, wodurch der Alt-Arbeitgeber von seinen bisherigen Pflichten (z. B. Lohnzahlung, Gewährung von Urlaub, Fortführung einer betrieblichen Altersversorgung) befreit werde. Die Weiterbelastung der Remanenzkosten sei auch kein durchlaufender Posten für die Transfergesellschaft. Ein solcher setze nämlich voraus, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen zwei Beteiligten bestehen und der Unternehmer nur als Zahlstelle zwischengeschaltet wird. Vertraglich habe aber eine direkte vertragliche Beziehung zwischen der Transfergesellschaft und den Alt-Arbeitgebern bestanden, aus denen sich die Einordnung der Kosten als Entgelt ergebe.
Anders verhalte es sich mit den Abfindungskosten, die Arbeitnehmer als Entschädigung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes erhalten. Das FG entschied, dass diese Zahlungen keine Entgelte für eine umsatzsteuerbare Leistung seien. Die Zahlung der Abfindungen erfolge aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis, weshalb die Transfergesellschaft lediglich als Zahlstelle fungiere.
Insbesondere bei den Qualifizierungs- und Remanenzkosten kann angezweifelt werden, ob diese tatsächlich ein Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung darstellen. Neben einigen Stimmen in der Literatur hat offensichtlich auch die bayerische Finanzverwaltung (bisher) vertreten, dass Remanenzkosten nicht steuerbar sind.
Muss dennoch der rechtlichen Einschätzung des FG in den eigenen Steuererklärungen gefolgt werden? - Die Antwort ist nein.
Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, diese Kosten in Rechnungen weiterhin als nicht umsatzsteuerbares Entgelt zu behandeln. Zwar existieren nach unserem Kenntnisstand derzeit weder ein im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlichter Bundes- bzw. Ländererlass noch eine im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Behandlung der Kosten für Alt-Arbeitgeber bei Nutzung von Transfergesellschaften. Es sollte jedoch die von dem FG-Urteil „abweichende“ Auffassung bei der Abgabe der betreffenden Umsatzsteuererklärung bzw. -anmeldung gegenüber dem Finanzamt erläutert werden. Dagegen sollte bei bereits eingereichten Erklärungen jedenfalls im Grundsatz keine Anzeige- bzw. Berichtigungspflicht nach § 153 AO bestehen; dies sollte aber mit einem steuerlichen Berater abgestimmt werden.
Bei der Gestaltung der Verträge sollte präzise zwischen den unterschiedlichen Kostenpositionen und deren steuerlicher Behandlung unterschieden werden. Nur so wird nach unserer praktischen Erfahrung eine zutreffende Umsetzung sichergestellt.
Wird dem Urteil des FG gefolgt, kann die von der Transfergesellschaft in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer für manche Alt-Arbeitgeber, die nicht (voll) vorsteuerabzugsberechtigt sind, zu einer finalen Kostenbelastung führen.
Dies betrifft insbesondere Alt-Arbeitgeber, die (teilweise) umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen, sodass sie entweder überhaupt nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind oder nur einen geringen Vorsteuerschlüssel (§ 15 Abs. 4 UStG) besitzen. Dazu zählen etwa Banken, Finanzdienstleister, Versicherungen, Immobilienunternehmen, Krankenhausunternehmen oder Seniorenheimbetreiber.
Gerade in solchen Fällen kann es sinnvoll sein, derzeit noch von der Rechtsauffassung des FG abzuweichen. Bei der vertraglichen Gestaltung ist dann darauf zu achten, dass Regelungen für den Fall der Bestätigung des FG-Urteils oder bei einem Aufgriff durch die Finanzverwaltung vorgesehen sind. Dies wäre im Einzelfall zu prüfen.
Wurden Qualifizierungs- und Remanenzkosten bisher als nicht als der Umsatzsteuer unterliegendes Entgelt behandelt und wird die umsatzsteuerliche Behandlung in der Betriebsprüfung bei der Transfergesellschaft aufgegriffen, hat dies auch Auswirkungen auf den Alt-Arbeitgeber.
Die Transfergesellschaft wird dann regelmäßig die „fehlende“ Umsatzsteuer vom Alt-Arbeitgeber fordern. Ob eine solche Nachforderung zivilrechtlich möglich ist, hängt davon ab, ob im maßgeblichen Vertrag eine Brutto- oder Nettopreisvereinbarung getroffen wurde.
Alt-Arbeitgeber sollten bei ihrer Finanzplanung nicht aus den Augen verlieren, dass die nachträgliche Zahlung der Umsatzsteuer an die Transfergesellschaft aufgrund einer Nettopreisvereinbarung je nach Umfang der Zahlungen trotz eines Vorsteuerabzuges zu zeitweise erheblichen Liquiditätsnachteilen führen kann.
Dies liegt darin begründet, dass Umsatzsteuererstattungen erst nach Zustimmung durch die Finanzbehörde ausgezahlt werden (§ 168 S. 2 AO), was häufig mindestens 3 bis 4 Wochen Bearbeitungszeit in Anspruch nimmt.
Der Beitrag hat gezeigt, dass die erläuterte umsatzsteuerliche Fragestellung im Blick zu behalten ist. Dies betrifft die Bereiche der Vertragsgestaltung, die Kommunikation mit dem Finanzamt, aber auch eine etwaige spätere Rückabwicklung. Die Einbindung eines steuerlichen Beraters dürfte hierbei unerlässlich sein.
Hinweis: Die rechtliche Klärung ist noch nicht abgeschlossen. Gegen das Urteil des FG wurde Revision eingelegt, sodass die endgültige Entscheidung nun beim Bundesfinanzhof liegt, der das anhängige Verfahren unter dem Az. V R 10/23 führt. Sobald es neuere Entwicklungen gibt, werden wir für Sie ein Update veröffentlichen.
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Die vorstehenden Ausführungen dienen nur der Information und ersetzen keine Rechts- oder Steuerberatung.
Bei der Erstellung des Artikels hat unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Freeke Tasman mitgewirkt.