Weisungsrecht und berufliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts

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Dr. Catharina Klumpp, LL.M.

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Als Partnerin der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht berate ich in- und ausländische Mandanten. Mein Ziel ist es, diese so pragmatisch und lösungsorientiert wie möglich zu unterstützen, um sicherzustellen, dass die gewünschten Änderungen erfolgreich umgesetzt werden können. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf internationalen Technologieunternehmen. Seit 2022 bin ich Mitglied der Geschäftsführung der deutschen Büros.

Die Bundesrechtsanwaltsordnung regelt neben der Tätigkeit von Rechtsanwältin auch die Anforderungen an die anwaltliche Tätigkeit von Syndikusanwälten, die im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber tätig sind. Die Zulassung als Syndikusanwalt setzt nach § 46 Abs. 4 BRAO insbesondere die vertragliche und tatsächliche Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusanwaltes bei der Berufsausübung voraus. Diese Anforderung steht häufig im Gegensatz zum arbeitgeberseitigen Direktionsrecht und wirft Fragen bei der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages auf. 

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt (vom 28.01.2025, Az. 24 Ca 5262/24) liefert hilfreiche Anhaltspunkte für die Abgrenzung zwischen zulässigen organisatorischen Anweisungen nach dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht einerseits, und der durch die Bundesrechtsanwaltsordnung berufsrechtlich garantierten fachlichen Unabhängigkeit von Syndikusrechtsanwälten.

Sachverhalt

Der Kläger, ein bei einem größeren Unternehmen beschäftigter als Syndikusrechtsanwalt tätiger Jurist, wandte sich gegen Weisungen seines Arbeitgebers, die im Rahmen eines Jahresgesprächs erteilt wurden. Nach einer sechsmonatigen Auszeit und krankheitsbedingten Fehlzeiten aufgrund psychischer Belastungen hatte sein Vorgesetzter ihm aufgegeben, vor der Erstellung von Kreditverträgen Rücksprache zu halten und eine Genehmigung einzuholen sowie an regelmäßigen Jour-Fixe-Meetings teilzunehmen. Der Kläger empfand diese Weisungen als unzulässigen Eingriff in seine gesetzlich geschützte fachliche Unabhängigkeit als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46 Abs. 3 und 4 BRAO. Er argumentierte, die unternehmensseitigen Vorgaben zur Erstellung von Vertragsdokumenten und dessen Durchführung gehörten zum Kernbestand seiner syndikusanwaltlichen Tätigkeit.

Der beklagte Arbeitgeber hingegen vertrat die Auffassung, die Rücksprachepflicht stelle eine bloße organisatorische Maßnahme zur Kapazitätssteuerung dar, die nicht nur den Kläger, sondern das gesamte Team betreffe. Die Anweisungen dienten der Erfüllung der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht und der Steuerung der Arbeitsbelastung. Das Arbeitsgericht Frankfurt wies die Klage vollumfänglich ab. Den Kern der Entscheidung bildet die Abgrenzung zwischen dem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht und der fachlichen Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die fachliche Unabhängigkeit des Klägers gemäß § 46 Abs. 4 BRAO durch die streitigen Weisungen nicht beeinträchtigt werde.

Die fachliche Unabhängigkeit fehlt gemäß § 46 IV BRAO, wenn der Antragsteller an Weisungen gebunden ist, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt erfordert jedoch keinen Ausschluss jeglichen Weisungsrechts eines Arbeitgebers. Auch der selbständige Rechtsanwalt ist nämlich nicht völlig weisungsfrei, sondern ist im Rahmen des Mandatsverhältnisses an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden. Insgesamt ist daher für das Berufsbild des Syndikusrechtsanwalts prägend, dass ihm keine fachlichen Vorgaben gemacht werden dürfen, wie er einen Sachverhalt rechtlich beurteilt und grundsätzlich auch, wie er diesen bearbeiten soll. 

Dem Arbeitgeber verbleibt auch unter Berücksichtigung der §§ 46 Abs. 3 und 4 BRAO die Möglichkeit, organisatorische Vorgaben über den Ablauf betrieblicher Vorgänge zu machen und insbesondere Aufgaben und sachliche Kompetenzen zu vergeben, neu zu verteilen bzw. abzuändern. Davon ist nach den Ausführungen des Gerichtes auch die arbeitgeberseitige Vorgabe abgedeckt, dass nach Abschluss der rechtlichen Bewertung des Anliegens durch den klagenden Arbeitnehmer, dessen Vorgesetzter darüber entscheidet, ob die entsprechenden Entwürfe durch den Syndikusanwalt selbst, oder durch eine andere Person, ggfl. einen externen Anwalt, erstellt werden. Eine solche Entscheidung sei gerade nicht mit dem Infrage stellen der Expertise und rechtlichen Beratung des betreffenden Syndikusrechtsanwalts verbunden, sondern diene dazu, Kapazitäten im Team zu steuern. Entscheidend war hierbei aber auch, dass sich aus dem Vortrag des Klägers nicht ergab, ob und inwieweit die Arbeitgeberin mit dieser Weisung Einfluss auf das Ergebnis der rechtlichen Analyse nehmen konnte. 

Insoweit sah das Gericht die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Klägers hierdurch nicht berührt, sondern führte vielmehr auch, es sei vom arbeitgeberseitigen Weisungsrecht umfasst, bestimmte Aufgaben, auch bei einem Syndikusrechtsanwalt, von nichtrechtlichen Voraussetzungen wie einer Genehmigung durch den zuständigen Vorgesetzten im Einzelfall abhängig zu machen oder die Aufgabe anderen Personen oder externen Anwälten zu übertragen. Für die Rechtmäßigkeit der Weisung sei ferner zu beachten, dass Syndikusrechtsanwälte trotz einer fachlichen Unabhängigkeit Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bleiben und so organisatorischen Vorgaben ihres Arbeitgebers unterworfen sind.

Das Gericht stellte ferner klar, dass auch die Verpflichtung zur Teilnahme an regelmäßigen Jour-Fixe-Meetings eine zulässige organisatorische Maßnahme ist, die nicht unzulässig in die Arbeitsweise des Klägers eingreift.

Praktische Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt bietet wertvolle Orientierungshilfen für die Praxis im Umgang mit dem Spannungsfeld zwischen arbeitgeberseitigem Weisungsrecht und der berufsrechtlich garantierten fachlichen Unabhängigkeit von Syndikusrechtsanwälten:

Das Urteil betont den Doppelstatus des Syndikusrechtsanwalts als unabhängiger Rechtsberater einerseits und weisungsgebundener Arbeitnehmer andererseits. Dieser Doppelstatus führt zwangsläufig zu einem gewissen Spannungsverhältnis. Arbeitsanweisungen zur Steuerung der Arbeitsbelastung und zur Organisation der Zusammenarbeit im Team fallen grundsätzlich in den legitimen Bereich des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts, auch wenn sie die Arbeit des Syndikusrechtsanwalts in organisatorischer Hinsicht strukturieren.

Die fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalts bezieht sich primär auf die rechtliche Beurteilung und nicht auf organisatorische Aspekte der Tätigkeit. Der Arbeitgeber darf beispielsweise bestimmen, wann und unter welchen organisatorischen Voraussetzungen bestimmte Tätigkeiten auszuführen sind, solange die inhaltliche Bewertung dem Syndikusrechtsanwalt überlassen bleibt. Dies umfasst auch die Entscheidung, nach einer vorgenommenen internen rechtlichen Bewertung, die weitere Bearbeitung, sei es das Erstellen von Entwürfen oder die Betreuung von Fällen, an externe Dritte zu übertragen. 

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