In der heutigen globalisierten und digital vernetzten Arbeitswelt sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote ein wichtiges Instrument für Unternehmen, um sich vor dem Abfluss von Geschäftsgeheimnissen, Kontakten und Know-how (vorübergehend zu schützen. Besonders für (Matrix-)Führungskräfte und technisches Personal sind solche Vereinbarungen weit verbreitet. Doch was passiert, wenn Arbeitgeber international tätige Mitarbeiter beschäftigen oder deutsche Arbeitnehmer im Ausland tätig sind? Die Antwort auf diese Frage ist komplex und kann erhebliche praktische Auswirkungen haben.
Der deutsche Gesetzgeber mit den §§ 74 ff. HGB ein vergleichsweise strenges und detailliertes System für nachvertragliche Wettbewerbsverbote geschaffen. Diese Regelungen entstanden aus der Erkenntnis, dass der Arbeitgeber als strukturell stärkere Partei ihre Arbeitnehmer unzulässig stark binden könnten. Daher schreibt das Gesetz zwingende Mindeststandards vor, die nicht unterschritten werden dürfen.
Die formellen Anforderungen sind besonders strikt. Das Wettbewerbsverbot muss eigenhändig unterschieben werden – eine rein elektronische Signatur reicht nach herrschender Meinung nicht aus. Zusätzlich muss dem Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber unterzeichnete Urkunde ausgehändigt werden.
Diese scheinbar bürokratischen Anforderungen haben einen wichtigen Zweck: Sie sollen sicherstellen, dass sich beide Parteien der Tragweite der Vereinbarung bewusst sind. Im Rahmen eines Gerichtsprozesses ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet für die Aushändigung des Originals an den Arbeitnehmer. Häufig ist diese Vereinbarung im Arbeitsvertrag enthalten, sodass diese vom Formerfordernis erfasst wird.
Materiell ist die Karenzentschädigung das Herzstück des deutschen Systems. Der Arbeitnehmer muss für die Dauer des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erhalten - und zwar inklusive aller Sonderleistungen wie Dienstwagen, Boni oder Gratifikationen. Diese Entschädigung soll einen fairen Ausgleich für die Einschränkungen der Berufsfreiheit schaffen. Zeitlich ist das Verbot auf maximal zwei Jahre begrenzt und sachlich sowie örtlich darf es nur so weit reichen, wie ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht.
Die Rechtfolgen bei Verstößen gegen diese Vorgaben sind differenziert gestaltet. Je nach Art des Mangels führen Verstöße zur Nichtigkeit oder zur Unverbindlichkeit des Verbots. Bei Unverbindlichkeit erhält der Arbeitnehmer ein Wahlrecht: Er kann entscheiden, ob er sich an das Verbot hält und die vereinbarte Karrenzentschädigung erhält, oder ob er das Verbot ignoriert und auf die Entschädigung verzichtet. Diese Flexibilität für den Arbeitnehmer ist ein besonderes Merkmal des deutschen Systems.
Sobald grenzüberschreitende Elemente ins Spiel kommen, wird die Rechtslage erheblich komplexer. Die zentrale Frage lautet: Welches Recht gilt für das Wettbewerbsverbot und wo kann das Wettbewerbsrecht (notfalls gerichtlich) durchgesetzt werden? Bei Arbeitsverhältnissen innerhalb der Europäischen Union bestimmt Art. 8 Rom I-Verordnung das anwendbare Recht nach einem klaren Stufensystem.
Zunächst haben die Parteien nach Art. 8 I 1 in Verbindung mit Art. 3 I Rom I-VO die Möglichkeit, das anwendbare Recht frei zu wählen. Diese Rechtswahl kann ausdrücklich im Arbeitsvertrag bzw. einer entsprechenden Vereinbarung über das nachträgliche Wettbewerbsverbot vereinbart oder sich aus den Umständen ergeben. Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften des Landes, in dem der Arbeitnehmer hauptsächlich tätig ist, können gemäß Art. 8 I 2 Rom I-VO durch eine Rechtswahl nicht umgangen werden. Wenn also ein Arbeitnehmer seinen Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland hat, gelten die deutschen Schutzvorschriften auch dann, wenn die Parteien beispielsweise Schweizer Recht gewählt haben.
Fehlt eine Rechtswahl, greift nach Art. 8 II Rom I-VO das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes. Für eine Bürokauffrau in Hamburg ist das eindeutig deutsches Recht. Schwieriger wird es bei Arbeitnehmern, die regelmäßig in verschiedenen Ländern tätig sind. Hier kann gemäß Art. 8 III Rom I-VO das Recht der Arbeitgeberniederlassung zur Anwendung kommen, wenn kein eindeutiger gewöhnlicher Arbeitsort bestimmbar ist.
Eine wesentliche Frage in der Praxis ist, ob die deutschen Vorgaben der §§ 74 ff. HGB als sogenannte Eingriffsnormen i.S.v. Art. 9 Rom I VO gelten. Eingriffsnormen sind Vorschriften, die so wichtig für das öffentliche Interesse eines Staates sind, dass die unabhängig von der gewählten Rechtsordnung angewendet werden müssen. Würden die deutschen Wettbewerbsverbotsregeln als Eingriffsnormen gelten, müssen sie auch dann beachtet werden, wenn die Parteien beispielweise Schweizer oder US-Recht gewählt haben.
Die Antwort auf diese Frage ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden, unter Berücksichtigung der Maßstäbe für die Einordnung einer Regelung als Eingriffsnorm allerdings recht eindeutig: Die §§ 74 ff. HGB sind keine Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I VO. Sie dienen primär dem Ausgleich privater Interessen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nicht dem Schutz übergeordneter Gemeinwohlinteressen. Anders als bei anerkennten Eingriffsnormen wie dem Mindestlohngesetz, Arbeitnehmerentsendungsgesetz oder den Mutterschutzvorschriften werden keine staatlichen Stellen eingeschaltet und es geht nicht um den Schutz der sozialen Sicherungssysteme oder des Arbeitsmarktes.
Diese Einschätzung wird durch einen Blick auf die Rechtsprechung zu anderen Arbeitsrechtsvorschriften bestätigt. Das Bundesarbeitsgericht hat beispielweise das Mindestlohngesetz als Eingriffsnormen anerkannt, weil es der Existenzsicherung aller im Inland Beschäftigter dient und die sozialen Sicherungssysteme vor Überlastung schützt. Ähnlich verhält es sich mit den Vorschriften zum Mutterschutz oder Schwerbehindertenrecht, bei denen öffentlich-rechtlichen Durchsetzungsmechanismen greifen. Die §§ 74 ff. HGB erfüllen diese Kriterien nicht.
Die vorstehende Einordnung hat weitreichende praktische Konsequenzen für deutsche Unternehmen mit internationalen Bezügen. Zunächst bedeutet sie, dass deutsche Unternehmen bei der Gestaltung von Wettbewerbsverboten erhebliche Flexibilität haben. Sie können durch eine gezielte Rechtswahl die strengen deutschen Anforderungen abwählen und sich für eine „arbeitgeberfreundlichere“ Rechtsordnung entscheiden.
So kennt beispielsweise das Schweizer Recht keine Karenzentschädigung, erlaubt aber Wettbewerbsverbote von bis zu drei Jahren. Österreichisches Recht begrenzt Wettbewerbsverbote auf ein Jahr, verzichtet aber ebenfalls auf eine Karenzentschädigung. Für deutsche Arbeitgeber kann es daher durchaus attraktiv sein, bei internationalen Sachverhalten eine entsprechende Rechtswahl zu treffen.
Allerdings birgt diese Flexibilität auch Risiken. Wer sich für eine andere Rechtsordnung entscheidet, muss deren Besonderheiten genau kennen und beachten. Zudem können sich die rechtlichen Rahmenbedingungen schnell ändern, wie das Beispiel der USA zeigt. Dort hat die Federal Trade Commission 2024 eine Regelung erlassen, die Wettbewerbsverbote grundsätzlich als unlautere Wettbewerbsmethode einstuft. Obwohl diese Regelung derzeit vor Gericht angefochten wird, zeigt sie die Dynamik internationaler Rechtsentwicklungen.
Die Durchsetzung von Wettbewerbsverboten in internationalen Sachverhalten bringt zusätzlich Herausforderungen mit sich. Innerhalb der Europäischen Union regelt die EuGVVO die gerichtliche Zuständigkeit. Danach kann ein Arbeitgeber seinen vormaligen Arbeitnehmer grundsätzlich nur in dessen Wohnsitzstaat verklagen, beispielsweise einen in Frankreich wohnenden Arbeitnehmer darf vor französischen Gerichten verklagt werden.
Ferner kann die Vollstreckung von deutschen Urteilen im Ausland schwierig und zeitaufwändig sein.
Besonders problematisch ist der einstweilige Rechtsschutz. Wettbewerbsverbote haben meist nur eine kurze Laufzeit von ein bis zwei Jahren. Wenn ein Gerichtsverfahren mehrere Monate oder gar länger dauert, kann der angestrebte Schutz faktisch wertlos werden. Bei internationalen Sachverhalten verlängern sich die Verfahren oft erheblich, weil die Gerichte ausländisches Recht ermitteln und anwenden müssen. Dies kann dazu führen, dass Arbeitgeber trotz eines wirksam vereinbarten Wettbewerbsverbotes praktisch schutzlos sind.
Für Unternehmen in Deutschland ergeben sich aus dieser Rechtslage verschiedene strategische Optionen. Bei rein deutschen Sachverhalten bleibt es bei den bekannten strengen Anforderungen der §§ 74 ff. HGB. Hier sollten Unternehmen besonders auf die korrekte formelle Gestaltung achten und realistischen Karenzentschädigungen kalkulieren.
Bei internationalen Sachverhalten eröffnet sich hingegen ein größerer Gestaltungsspielraum. Unternehmen können durch eine bewusste Rechtswahl für sie günstigere Rechtsordnungen wählen. Dabei sollten sie jedoch nicht nur die materiellen Anforderungen, sondern auch die Durchsetzbarkeit vor Ort im Blick behalten. Eine Vereinbarung nach Schweizer Recht nützt wenig, wenn sie vor deutschen Gerichten nicht durchsetzbar ist.
Die Komplexität internationaler Sachverhalte macht eine frühzeitige und umfassende rechtliche Beratung notwendig, um alle Risiken zu erkennen und zu bewerten. Dabei sollten nicht nur die arbeitsrechtlichen Aspekte, sondern auch steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Fragen berücksichtigt werden.
Unternehmen sollten zudem bedenken, dass sich die internationale Rechtslage dynamisch entwickelt. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Vertragsgestaltung ist daher unerlässlich. Zudem empfiehlt es sich parallele oder alternative Schutzinstrumente wie Geheimhaltungsvereinbarungen oder Abwerbungsverbote zu prüfen, die möglicherweise einfacher durchsetzbar sind.
Die Globalisierung der Arbeitswelt erfordert bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten eine durchdachtere und flexiblere Herangehensweise.
Sollten Sie Interesse an einer globalen Übersicht zu den rechtlichen Vorgaben im Ausland haben, finden Sie weitergehende Informationen in unserer globalen Übersicht zu Geheimhaltungsregelungen unter twobirds.com/en/insights/2023/globale-guide-on-confidential-information.
Eine tiefergehende Analyse der hier angesprochenen Rechtsfragen finden Sie unserem Beitrag „Vereinbarung und Durchsetzung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten im internationalen Kontext? (mit Mona Bracht), in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) vom 08. August 2025, Nr. 04, S. 1055-1062.