Als Co-Head der globalen Finance & Financial Regulation Praxisgruppen und Leiter der deutschen F Finance & Financial Regulation Praxisgruppe berate ich in den Bereichen des nationalen und internationalen Finanz- und Kapitalmarktrechts sowie im Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht. Zudem bin ich Mitglied der internationalen Steuerungsgruppe unserer Sektorgruppe Finanzdienstleistungen.
Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts
Gerade im Anbetracht der aus der Corona-Pandemie folgenden Krise stellt sich die Frage: Was passiert mit Token in der Insolvenz, insbesondere, wenn sie von einem Dienstleister für seine Kunden verwahrt werden?
Kryptowährungen werden seit längerer Zeit diskutiert. Diese Diskussionen haben auch keinen Halt vor den Juristen gemacht. Viele Fragen waren anfangs zu lösen, Entscheidungen von Gerichten oder dem Gesetzgeber aber selten. Das deutsche Aufsichtsrecht hat hier zum 1. Januar 2020 nach langer Debatte (beispielhaft seien die Einstufung von Bitcoin als Recheneinheit durch die BaFin sowie das gegenteilige Urteil des Kammergerichts Berlin genannt) in überschießender Umsetzung der fünften Geldwäscherichtlinie Klarheit gebracht: Token, die unter die Definition Kryptowert fallen, sind Finanzinstrumente. Der Handel und die Verwahrung von Kryptowerten sind erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen.
Das Zivilrecht und das Insolvenzrecht haben keine Änderung im Hinblick auf Kryptowerte erfahren. So stellt sich weiterhin die bereits vielseitig in der juristischen Fachliteratur diskutiere Frage, was ein Token zivilrechtlich gesehen überhaupt ist. Daraus resultiert die Frage, was in der Insolvenz mit dem Token passiert.
Insolvenz des Emittenten
Die Diskussion um die Rechtsnatur von Token verstellt zuweilen den Blick auf das Eigentliche: Wenn ein Token einen Zahlungsanspruch gegen den Herausgeber (Emittenten) repräsentieren soll (Security Token), so kommt dem Token keine wesentliche Rolle zu. Der Tokeninhaber erhält einen isolierten Anspruch gegen den Emittenten. Der Token selbst soll nur Beweismittel für die Inhaberschaft der Forderung sein. Der Umgang mit dem Token richtet sich daher in der Insolvenz des Emittenten nach dem dem Token zugrundeliegenden Recht (hier einer Forderung). Bleiben wir bei dem Beispiel, dass der Token einen Zahlungsanspruch repräsentiert, so ist der Tokeninhaber (soweit kein Nachrang vereinbart ist) Insolvenzgläubiger. Er muss seine Forderung im Insolvenzverfahren anmelden und geltend machen. Dass ein Token die Inhaberschaft beweisen soll, führt nicht zu der Anmeldung des Token in dem Verfahren.
Beim Bitcoin stellt sich die Frage der Insolvenz des Emittenten nicht, da es beim Bitcoin keinen Emittenten gibt.
Insolvenz des Tokeninhabers
Auch bei der Insolvenz des Tokeninhabers lässt sich eine recht einfache Lösung finden. Da der Security Token in unserem vorherigen Beispiel keinen eigenen immanenten Wert hat, sondern nur als Beweismittel für das unterliegende Recht dient, fällt dieses Recht in die Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter muss dieses Recht entsprechend verwerten. Dies kann durch Einzug der Forderung oder durch Verkauf erfolgen. Der Token kann ihm dabei behilflich sein (etwa bei einem Verkauf an einer Kryptobörse).
Auch der Bitcoin, dem kein einem Security Token vergleichbares Recht unterliegt, muss in der Insolvenz verwertet werden. Dem Bitcoin kommt ein Vermögenswert bei, der entsprechend in die Insolvenzmasse fällt. Die Verwertung ist etwa über eine Bitcoin-Börse möglich. Jedoch steht der Insolvenzverwalter möglicherweise vor faktischen Hindernissen. Zwar hat er einen Auskunftsanspruch auf Herausgabe des private Keys, der auch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Jedoch muss der Insolvenzverwalter zunächst Kenntnis von den Token haben. Da Token regelmäßig auf Anonymität setzen, ist es für den Insolvenzverwalter zum Teil schwierig, überhaupt Kenntnis vom Tokenvermögen zu erlagen, wenn der Insolvenzschuldner pflichtwidrig handelt.
Insolvenz des Walletanbieters oder Kryptoverwahrers
In vielen Fällen verwahrt der Tokeninhaber seine Token oder privaten kryptografischen Schlüssel (private key) nicht selbst, sondern nutzt einen Dienstleister (Walletanbieter oder Kryptoverwahrer). Dies gilt sowohl für Token, die unter den Begriff des Kryptowerts fallen, als auch für andere Token. Die Rechte, die der Tokeninhaber hat, sollte der Verwahrer insolvent werden, sind bisher wenig beleuchtet und insbesondere nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt.
Hintergrund: Insolvenz der Depotbank
Rechtliche Sicherheit besteht insoweit bei klassischen Wertpapieren wie Aktien, die von einer Depotbank für den Kunden verwahrt werden. Dem Kunden steht im Falle der Insolvenz der Depotbank ein Aussonderungsrecht zu. Der Kunde ist Eigentümer des Wertpapiers und entsprechend durch die Insolvenzordnung geschützt.
Übertragbarkeit auf Token?
Die gesetzlichen Regelungen für Wertpapiere lassen sich leider nicht ohne weiteres auf Token übertragen. Der Hintergrund besteht darin, dass der Kunde bei Wertpapieren Eigentum am Wertpapier selbst hat, bei Token nach unserer Auffassung jedoch nur an dem unterliegenden Recht; der Token dient nur als Beweismittel. Bedeutsam ist aber auch, dass der Verwahrer nicht das dem Token zugrundeliegende Recht (etwa die Forderung) verwahrt, sondern nur den Token bzw. den private Key. Es geht damit nur um die Frage des faktischen Zugriffs auf das Recht, nicht das Recht selbst.
Anders ist dies etwa beim Bitcoin, dem kein Recht immanent ist. Hier liegt die Verwahrung eines wertgebenden Moments vor. Die derzeitigen Aus- und Absonderungsrechte der Insolvenzordnung knüpfen aber dingliche und persönliche Rechte an, die beim Bitcoin nicht bestehen.
Der Tokeninhaber sieht sich derzeit bei der Insolvenz des Verwahrers bedeutenden rechtlichen Unsicherheiten ausgesetzt. Das Wunschdenken nach einer digitalen Gesellschaft darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die aktuellen gesetzlichen Regelungen diese nicht erfassen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Deutschland auch insoweit fit für die Zukunft zu machen. Andere Länder haben dies bereits erkannt und die Gesetzgebung angepasst.
Mögliche gesetzgeberische Lösungen
In der Schweiz sollen Anpassungen an die digitalisierten Verfahren durch punktuelle Änderungen am bestehen Gesetzen erfolgen. Eine Anpassung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) soll für die Insolvenz des Verwahrers von Token Klarheit bringen. Das Aussonderungsrecht soll ausdrücklich auf kryptobasierte Vermögenswerte Anwendung finden.
Liechtenstein ist einen anderen Weg gegangen. Mit dem Token- und VT-Dienstleister-Gesetz (TVTG), das zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, werden die wesentlichen Grundlagen von Token, einschließlich einer Registrierungspflicht für Dienstleister im Bereich „Vertrauenswürdige Technologien“ (kurz VT-Dienstleister) geregelt. Hierzu gehören u.a. VT-Schlüssel-Verwahrer und VT-Token-Verwahrer. Token und VT-Schlüssel, die treuhänderisch oder im Namen des Kunden gehalten werden, sind im Konkursfall des VT-Dienstleisters als Fremdvermögen zu betrachten und werden unter Vorbehalt sämtlicher Ansprüche des VT-Dienstleisters gegenüber dem Kunden zu dessen Gunsten ausgesondert.
Beide Wege wären als Vorbild für Deutschland denkbar. Das Schweizer Model hat dabei den Vorzug einer ausdrücklichen Regelung im Insolvenzrecht und einer Einfassung in bestehende Systematiken. Die Liechtensteiner Lösung besticht dafür mit der einem Sondergesetz, in dem kompakt die wesentlichen Regeln zusammengefasst sind.
Mit einem vergleichbaren Gesetz des deutschen Gesetzgebers ist aber in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu rechnen.