Eine arbeitgeberfreundliche Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg könnte die Abfindungspraxis ändern.
LAG Berlin-Brandenburg, 30. September 2022 (Az. 6 Sa 280/22)
Im Anschluss an ein abgeschlossenes Kündigungsschutzverfahren streiten die Parteien oft über Annahmeverzugsansprüche. Hat der Arbeitnehmer das Kündigungsschutzverfahren gewonnen, muss der Arbeitgeber das Gehalt für die Zeit des Verfahrens nachzahlen.
Der Arbeitnehmer musste sich dafür bislang nur arbeitslos melden und darauf achten, dass er den Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit auch tatsächlich nachgeht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg stellt nun höhere Anforderungen an den Annahmeverzugslohn. Der Arbeitnehmer muss sich künftig deutlich stärker um einen neuen Job bemühen, um den Verlust des Annahmeverzugslohns zu vermeiden. Das könnte zur Folge haben, dass die Abfindungshöhen in Zukunft sinken.
Der Kläger hatte im konkreten Fall das Kündigungsschutzverfahren gewonnen. Im Anschluss forderte er für den Zeitraum der vermeintlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Annahmeverzugslohn.
Die Arbeitgeberin lehnte dies unter Hinweis auf § 11 Nr. 2 KSchG ab. Der Arbeitnehmer habe im Hinblick auf die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit keine hinreichenden Bewerbungsbemühungen angestellt und es daher böswillig unterlassen, anderweitigen Erwerb zu erzielen. Insoweit schulde die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer keinen Verzugslohn.
Abweisendes Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg:
Das Landesarbeitsgericht wies mit Urteil vom 30. September 2022 sämtliche auf Annahmeverzug gerichtete Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers ab.
Es prüfte, ob der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit hinreichende Bewerbungsbemühungen angestellt hatte und verneinte das nicht nur hinsichtlich der Quantität, sondern auch der Qualität.
Das Gericht bemängelte, dass der Arbeitnehmer rechnerisch noch nicht einmal eine Bewerbung pro Woche abgeben hatte, obwohl er im fraglichen Zeitraum ohne Arbeit war. Nach Ansicht des Gerichts, hätte der Arbeitnehmer Bewerbungsbemühungen im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle entfalten können und müssen.
Auch inhaltlich seien die Bewerbungsanschreiben unzureichend gewesen. Sie waren nicht an die zu besetzende Stelle und/oder den potenziellen Arbeitgeber angepasst, sondern enthielten eine allgemein anwendbare Formulierung. Zudem bemängelte das Gericht den vergleichsweisen kurzen Text und zwei darin enthaltene Rechtschreibfehler.
Insgesamt sah das Gericht daher ausreichende Indizien für ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs nach § 11 Nr. 2 KSchG und urteilte zugunsten der Arbeitgeberin.
Die Höhe des drohenden Annahmeverzugslohns hat starken Einfluss auf die Verhandlung um die Abfindungshöhe. Das könnte sich nun aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts etwas relativieren.
Durch die Entscheidung erhält der Arbeitgeber weitere Ansatzpunkte, die Zahlung der Verzugslohns erfolgreich zu verweigern. In einem Rechtsstreit muss der Arbeitnehmer seine Bewerbungsbemühungen auf Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit unter Umständen der Anzahl nach und auch inhaltlich ausreichend darlegen. Ansonsten droht ihm der Verlust des Verzugslohns.
Hinreichende Bewerbungsbemühungen über einen längeren Zeitraum zeigen hingegen in vielen Fällen Erfolg. Somit reduziert sich das Verzugslohnrisiko und dadurch auch ein wichtiges Argument seitens der Arbeitnehmer in Abfindungsverhandlungen.
Ungeklärt bleibt die Frage, ob sich der Auskunftsanspruch des Arbeitgebers auch auf eigene Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers erstreckt. Hierzu mussten weder das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg noch das Bundesarbeitsgericht Stellung beziehen. Dies sollte aber konsequenterweise bejaht werden.