Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat mit Urteil vom 7. Dezember 2022 (Az.: 4 Sa 123/21) Stellung zur Darlegungslast bei Streitigkeiten über den Inhalt von Briefsendungen genommen. Diese Entscheidung ist insbesondere beim Versand schriftlicher Kündigungen relevant.
Das Landesarbeitsgericht Thüringen (im Folgenden „LAG“) hat entschieden, dass einfaches Bestreiten des konkreten Inhalts einer Briefsendung durch den Empfänger nicht ausreicht, wenn der Absender den Zugang der Briefsendung beim Empfänger nachweist und behauptet, Inhalt der Briefsendung sei ein bestimmtes Schreiben gewesen. Der Empfänger kann und muss vielmehr erklären, welchen anderen Inhalt die Briefsendung gehabt haben soll.
In dem der Entscheidung des LAG zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien über die Verjährung eines Anspruchs der Klägerin auf eine Sonderzahlung. Die Klägerin behauptete, dass sie die Auszahlung der Sonderzahlung schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Klägerin eine Briefsendung an die Beklagte übersandt hatte. Die Aufgabe einer Briefsendung bei der Post sowie den Zugang der Briefsendung konnte die Klägerin anhand der Sendungsverfolgung nachweisen. Die Beklagte bestritt jedoch pauschal, dass Inhalt des Schreibens die Geltendmachung der Sonderzahlung gewesen sei. Das LAG ließ dieses einfache Bestreiten nicht ausreichen, um den Vortrag der Klägerin zu erschüttern.
Diese Entscheidung ist aus Arbeitgebersicht begrüßenswert. Im Kündigungsschutzverfahren kann sich der Arbeitnehmer beispielsweise nicht mehr darauf zurückziehen, dass der Arbeitgeber das konkret in Abrede gestellte Kündigungsschreiben nicht zugestellt habe. Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass er dem Arbeitnehmer ein Schreiben zugestellt hat, muss der Arbeitnehmer erklären, welchen anderen Inhalt die Briefsendung gehabt haben soll.
Nichtsdestotrotz besteht auch weiterhin die Gefahr für den Absender, dass der Empfänger behauptet, die zugestellte Briefsendung hätte einen ganz anderen Inhalt gehabt als vom Absender behauptet (z.B. durch Vorlage eines anderen Schreibens des Arbeitgebers). In dem Fall trägt der Absender auch weiterhin die Darlegungs- und Beweislast für den Inhalt der Briefsendung.
Wir empfehlen daher weiterhin, zugangsbedürftige Erklärungen, insbesondere Kündigungen, so zuzustellen, dass neben dem Zugang selbst auch der Inhalt nachgewiesen werden kann.
Ein Versand per einfachem Brief oder Einschreiben-Rückschein bietet sich bei der Zustellung nicht an. Hier erhält der Absender keine Bestätigung, dass der Empfänger das Schriftstück tatsächlich erhalten hat. Auch von einer Übersendung per Einwurf-Einschreiben raten wir ab. Hier erhält der Absender lediglich eine Bestätigung, dass die Briefsendung in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen wurde. Welchen Inhalt die Briefsendung hatte, kann der Absender hingegen nicht nachweisen.
Besser ist es, schriftliche Kündigungserklärungen persönlich und im Beisein eines Zeugen zu übergeben. Der Zeuge muss dabei nicht nur die Übergabe bezeugen können, sondern auch den Inhalt des übergebenen Schreibens kennen. Wenn eine persönliche Übergabe nicht möglich ist, sollte eine vertrauenswürdige Person mit der Zustellung beauftragt werden. Diese Zustellperson sollte sowohl den Inhalt als auch die erfolgreiche Zustellung des Schriftstückes und den Zustellzeitpunkt bezeugen können.