Aktuelle europäische Pläne zur Förderung von Wasserstoff-Technologien: Der Net Zero Industry Act

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Anja Holtermann, LL.M.

Associate
Deutschland

Als Associate in unserem Düsseldorfer Team Energierecht berate und vertrete ich internationale Mandanten in energie-, regulatorischen und umweltrechtlichen Angelegenheiten.

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Dr. Matthias Lang

Partner
Deutschland

Als Partner unserer internationalen Sektorgruppe Energie- und Versorgungswirtschaft und Mitglied der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht biete ich unseren Mandanten kommerzielles Denken und langjährige Expertise in regulatorischen Aspekten rund um Infrastruktur und Energie.

Die Pläne für den Einsatz grünen Wasserstoffs und dessen Produktion sind bekanntermaßen ambitioniert. Während Deutschland, jedenfalls kurz- bis mittelfristig, vor allem auf den Import von Wasserstoff aus dem außereuropäischen Ausland setzt, sehen die Pläne auf europäischer Ebene auch einen signifikanten Hochlauf von Produktionskapazitäten innerhalb der EU vor. Laut der Europäischen Kommissionen sollen die Hersteller von Elektrolyseuren in der Union ihre technologische Führungsrolle festigen und aktiv zur Gestaltung dieser Märkte beitragen. Der RePowerEU-Plan sieht vor, dass bis 2030 10 Millionen Tonnen erneuerbarer Wasserstoff innerhalb der EU produziert sowie weitere bis zu 10 Millionen Tonnen importiert werden. Die Gesamtkapazität an installierter Elektrolyseleistung in der EU soll bis 2030 mindestens 100 GW betragen.

Um den Hochlauf der Produktionskapazitäten zu beschleunigen und insgesamt unabhängiger von im Ausland produzierter Technologie zu werden, hat die Europäische Kommission im März 2023 einen Vorschlag für die sogenannte Netto-Null-Industrie-Verordnung (Net Zero Industry Act, NZIA) vorgestellt. Ziel dieser Verordnung ist es, die Produktion ausgewählter grüner Technologien innerhalb der EU zu fördern und zu beschleunigen. Im Februar 2024 wurde im Trilog-Verfahren ein Verordnungstext beschlossen, der nun noch das Europäische Parlament und den Ministerrat passieren muss. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wesentlichen Regelungen des NZIA, die insbesondere für Wasserstoff-Projekte von Bedeutung sein können.

I. Die Netto-Null-Technologien & Strategische Projekte

Der NZIA listet eine Reihe so genannter „Netto-Null-Technologien“ auf, die von den Vereinfachungs- und Beschleunigungsmaßnahmen der Verordnung profitieren sollen.

Umfasst sind insbesondere die folgenden Netto-Null-Technologien:

  • Wasserstofftechnologien, insb. Elektrolyseure & Brennstoffzellen
  • Photovoltaik & Solarthermie
  • Onshore-Windenergie & erneuerbare Offshore-Energie
  • Batterien & Speichertechnologie
  • CO2-Abscheidung & -Speicherung
  • Wärmepumpen & Geothermie
  • Netztechnologien
  • Nachhaltiges Biogas/Biomethan

Der NZIA sieht auch vor, so genannte „strategische Projekte für Netto-Null-Technologien“ (net-zero strategic projects) zu bestimmten. Dazu müssen Projekte bestimmte Kriterien einhalten, zum Beispiel, dass es sich um eine Technologie handelt, für die die EU bislang zu mehr als 50% auf Importe angewiesen ist, die einen substanziellen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele bis 2030 leistet oder die einen positiven Beitrag zur Netto-Null-Industrie-Lieferkette leistet und dabei unter anderem positive Auswirkungen auf Beschäftigte und deren Qualifikationen haben. Da die Kriterien weit ausgelegt werden können, sollen innerhalb von 8 Monaten nach Inkrafttreten des NZIA mit einem weiteren Rechtsakt Auslegungshinweise gegeben werden. Zusätzlich können insbesondere Projekte, die über das IPCEI-Programm gefördert werden oder Teil der European Hydrogen Valleys oder der Hydrogen Bank werden, auf Antrag als strategische Projekte anerkannt werden.

Wenn ein Projekt als strategisches Projekt anerkannt wird, soll es den Status der höchstmöglichen nationalen Bedeutung erhalten und davon im Genehmigungsprozess und der Raumplanung profitieren. Unter anderem wird für strategische Projekte auch das überwiegende öffentliche Interesse anerkannt.

II. Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Während es in Deutschland schon länger Bestrebungen gibt, die Genehmigungen für Elektrolyseure zu vereinfachen und zu beschleunigen (siehe unseren Beitrag dazu hier), soll es mit dem NZIA nun auch von europäischer Seite konkrete Beschleunigungsmöglichkeiten geben.
Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des NZIA sollen die Mitgliedstaaten Kontaktpersonen benennen, die für die Vereinfachung und Koordinierung der Genehmigungsverfahren zuständig sein werden und als Ansprechpartner für Antragsteller und Interessierte dienen. Die Einreichung von Antragsunterlagen und Durchführung der Genehmigungsverfahren soll vollständig digital und über die zuständige Kontaktperson erfolgen.

Der NZIA sieht für Durchführung und Abschluss von Genehmigungsverfahren die folgenden Fristen vor.

  • Errichtung oder Erweiterung eines Projekts
    • mit jährlicher Produktionskapazität < 1 GW: 12 Monate (bei strategischen Projekten: 9 Monate)
    • mit jährlicher Produktionskapazität > 1 GW: 18 Monate (bei strategischen Projekten: 12 Monate)
  • Soweit die Produktionskapazität nicht in GW gemessen werden kann, gilt eine Frist von 18 Monaten bzw. für strategische Projekte 12 Monate.

In Ausnahmefällen können die Fristen eingeschränkt verlängert werden, so zum Beispiel bei besonders komplexen Verfahren oder Projekten, die Risiken für Beschäftigte oder die Bevölkerung darstellen können.

Nach Eingang der Antragsunterlagen muss die Behörde innerhalb von 45 Tagen die Vollständigkeit der Antragsunterlagen bestätigen oder fehlende Dokumente anfordern. Bei Nachreichung von Dokumenten muss die Behörde innerhalb von weiteren 30 Tagen die Vollständigkeit der Antragsunterlagen und damit den Beginn des Genehmigungsprozesses bestätigen. Zudem ist durch die zuständige Kontaktperson ein Zeitplan für den Genehmigungsprozess zu erstellen und zu veröffentlichen.

Auch im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung enthält der NZIA verschiedene Fristen:

  • Festlegung des Umfangs der Prüfung (Scoping): 45 Tage
  • Konsultation der Öffentlichkeit: 30 – 85 Tage
  • behördliches Ergebnis der Prüfung der UVP unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung: 90 Tage

Der NZIA ermöglicht auch die Festlegung so genannter Netto-Null-Beschleunigungs-Gebiete (Net-zero Acceleration Valleys). Ziel ist, verschiedene Projekte zu Netto-Null-Technologien in Klustern anzusiedeln, so dass insbesondere der Verwaltungsaufwand reduziert werden kann. Dies könnte zum Beispiel Vorteile im Hinblick auf übergreifende bzw. für verschiedenen Projekte gültige Umweltverträglichkeitsprüfungen haben.

III. Weitere Bestimmungen

Der NZIA enthält darüber hinaus auch Vorgaben betreffend Vergabeverfahren und Voraussetzungen für die Teilnahme an Ausschreibungen für erneuerbare Energien. Gefördert werden soll zudem die Qualifikation und Weiterbildung von Beschäftigten. Die Einrichtung der so genannten „Net Zero Europe Platform“ soll den Informations- und Erfahrungsaustausch unterstützen.

Schließlich werden mit dem NZIA so genannte „Reallabore“ (net-zero regulatory sandboxes) implementiert, in denen innovative Technologien unter Realbedingungen entwickelt, getestet und validiert werden können.

IV. Fazit

Zunächst ist abzuwarten, wann und in welcher Form der NZIA beschlossen wird und in Kraft tritt. Sollte der NZIA in der aktuellen Fassung beschlossen werden, würde dies auch für deutsche Projekte zu - unter anderem - Wasserstoff-Technologien bedeutend sein und (hoffentlich) die gewünschte Beschleunigung und Vereinfachung insbesondere der Genehmigungsverfahren erreichen. Dabei ist jedoch auch erforderlich, dass die deutschen Behörden und insbesondere auch die Gerichte die notwendigen personellen, technischen und fachlichen Kapazitäten für schnellere Genehmigungsverfahren aufbringen können. Denn erfahrungsgemäß sind die Kapazitäten sowohl bei Behörden als auch Gerichten knapp. Dennoch ist es begrüßenswert, dass mit dem NZIA, soweit er in dieser Form beschlossen wird, weitere Beschleunigungs- und Vereinfachungsoptionen auch im Bereich der Wasserstoff-Technologien geschaffen werden.

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