Die in den Trilog-Verhandlungen vorläufige Einigung über eine Richtlinie zur Plattformarbeit zwischen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und der spanischen Ratspräsidentschaft konnte am 22. Dezember nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) finden. Seit dem 1. Januar 2024 gibt es neue Verhandlungen, jedoch nun unter belgischer Ratspräsidentschaft statt bisher unter spanischer.
Bei der Plattformarbeit, auch „crowdworking“ genannt, werden Arbeitsaufträge durch eine digitale Arbeitsplattform an einzelne externe Arbeiter verteilt, die diese dann am Computer oder einem bestimmten Ort erledigen müssen. Diese Arbeiter:innen sind entweder selbständig oder bei der Plattform selbst angestellt. Bekannte Plattformen sind zum Beispiel Lieferando, Uber oder Fiverr.
Seit Dezember 2021 wird versucht, ein Übereinkommen für eine Plattformrichtlinie zu finden.Die Kommission strebt an, die Arbeitsbedingungen für Plattformarbeitnehmer:innen zu verbessern, den Schutz von personenbezogenen Daten zu erhöhen und gleichzeitig die Transparenz der Plattformarbeit zu steigern sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Flexibilität und sozialer Absicherung zu gewährleisten. In einer Erklärung betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Notwendigkeit, "innovative Arbeitsformen zu unterstützen, ohne dabei die Rechte der Arbeitnehmer zu vernachlässigen".
Eine der zentralen Diskussionen betrifft die Klassifizierung der Plattformarbeiter als selbstständige Unternehmer oder Arbeitnehmer:in. Die Einstufung als Arbeitnehmer:in der Plattform hätte weitreichende Konsequenzen, insbesondere in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Fragen.
Grundlage für die Einstufung als Selbständige:r oder Arbeitnehmer:in soll eine gesetzlichen Beschäftigungsvermutung geschehen sein. Streitkernpunkt ist hier die Art und Weise, wie die Vermutung ausgelöst wird, und wie sie widerlegt werden kann. Die Kommission hat ursprünglich vorgeschlagen, dass die Vermutung bei einer Erfüllung von zwei von fünf aufgestellten Kriterien ausgelöst wird. Der Rat erhöhte auf drei von sieben Kriterien. Das Parlament hingegen wollte die Kriterien gänzlich streichen und sich auf die tatsächlichen Arbeitsbedingungen konzentrieren.
Der Entwurf, auf den sich Parlament und Rat unter der spanischen Ratspräsidentschaft geeinigt hatten, beinhaltete die Lösung, dass Beschäftigte rechtlich als Arbeitnehmer:innen einer Plattform gesehen werden, wenn ihr Verhältnis zu der Plattform mindestens zwei der fünf genannten Kriterien erfüllt.
Der Wirtschaftsverband „Freelance Movement“ rief nach dieser Einigung eine Petition ins Leben, für die mehr als 11.000 Unterschriften gesammelt wurden. Kritisiert wird, dass viele Plattformarbeiter:innen gerade nicht als Arbeitnehmer:innen eingestuft werden wollen. Freelancern gehe es gerade darum, ihre Flexibilität zu behalten.
Die Verhandlungen laufen weiter. Verschiedene Interessengruppen, darunter Gewerkschaften, Unternehmensvertreter und Plattformbetreiber, sind in den Diskussionsprozess eingebunden. Die Kommission strebt an, ihre Vorschläge bis zum Sommer vorzulegen, gefolgt von weiteren Konsultationen und dem Ziel, bis Ende des Jahres konkrete Maßnahmen zu verabschieden
Diese Entwicklungen markieren einen bedeutenden Schritt in Richtung einer umfassenden Regulierung der Plattformarbeit in der Europäischen Union und zeigen das Engagement der Kommission für die Schaffung fairer Bedingungen in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt.