ESG und Arbeitsrecht: Was steht hinter dem „G“?

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Dr. Kathrin Kruse

Counsel
Deutschland

Als Counsel und Mitglied der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ferner bin ich Fachanwältin für Arbeitsrecht.

Fragen im Zusammenhang mit der Bedeutung und Implementierung von ESG-Kriterien sind längst Teil der täglichen arbeitsrechtlichen Beratungspraxis. Viele Unternehmen zeigen hier bereits ein geschärftes Bewusstsein für eine nachhaltige und soziale Unternehmensführung. Nicht selten kommt gleichwohl die Frage auf, was genau sich hinter den einzelnen Bereichen - „Environmental“, „Social“ und „Governance“ - aus arbeitsrechtlicher Sicht verbirgt.

Nachdem wir die ersten beiden Beiträge unserer Reihe zum ESG und Arbeitsrecht dem „E“ und dem „S“ gewidmet haben, möchten wir uns in diesem Artikel mit dem „G“ auseinandersetzen und einen Überblick über die insoweit aus arbeitsrechtlicher Sicht besonders relevanten Themen geben.

Integrität und Transparenz

Integrität und Transparenz über ökologische und soziale Aspekte in der Unternehmensführung sind in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Umfasst werden sämtliche Themengebiete im Rahmen der strategischen Ausrichtung und Leitung des Unternehmens, die auf die Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, Verbrauchern, Gesellschaft und Umwelt abstellen. Maßgeblich ist dabei nicht nur, die Geschäftsethik und die Frage, wie Entscheidungen gefällt werden. Auch und gerade Fragen im Zusammenhang mit (Gehalts-)-Strukturen sowie das Thema Diversität sind insoweit fester Bestandteil der arbeitsrechtlichen Beratungspraxis. Gleiches gilt für die bestehenden arbeitsplatzbezogenen Reportingpflichten, Maßnahmen gegen Korruption und Bestechung im Unternehmen sowie für die Etablierung nachhaltiger Strukturen für Hinweisgebersysteme (Stichwort Whistle-Blowing) und damit einhergehender unternehmensinterner Investigations.

Umfassendes Pflichtenprogramm im ESG-Reporting

Während Berichterstattungen über nachhaltige Unternehmensführungen zu ESG-relevanten Themen lange Zeit freiwillig waren, sehen sich viele Unternehmen mittlerweile einem ausdifferenzierten und umfassenden EU-weitem Pflichtenprogramm gegenüber. Insoweit besteht ein enger Zusammenhang zum – aus der Feder der Europäischen Kommission stammenden - „Green Deal“. Erklärtes übergeordnetes Ziel darin: die Klimaneutralität bis 2050, welche durch die Umsetzung zahlreicher Vorgaben erreicht werden soll.

Besondere Bedeutung kommt insoweit der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz „CSRD“) zu, welche beginnend ab dem Geschäftsjahr 2024 – abhängig von der Größe, Beschäftigtenanzahl und weiteren Faktoren - sukzessive Unternehmen dazu verpflichtet, möglichst umfassend über vorgegebene Nachhaltigkeitsthemen zu berichten.

Die bisher vornehmlich für große oder kapitalmarktorientierte Unternehmen bestehenden Berichtspflichten werden vermehrt auch für andere (kleinere) Unternehmen in den Fokus gerückt. Inhaltlich betreffen die arbeitsrechtlichen Berichtspflichten Fragen zur eigenen Belegschaft sowie zu den Beschäftigten der gesamten Wertschöpfungskette, beispielweise hinsichtlich Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitszeit, -entlohnung, -schutz und sichere Beschäftigung), Gleichbehandlung und Chancengleichheit (z.B. Equal Pay, Inklusion, Vielfalt) und weitere arbeitsbezogene Rechte (z.B. die Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit, angemessene Unterbringungen oder Datenschutz). Im Bereich „Governance“ werden insbesondere Themen wie nachhaltige Unternehmenskulturen, Bekämpfung von Korruption und das Management der Lieferantenbeziehungen adressiert.

Als Richtlinie gilt die CSRD nicht unmittelbar, sondern muss in nationales Recht umgesetzt werden. Ein entsprechender Referentenentwurf zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht wurde vom Bundesministerium der Justiz Ende März 2024 vorgelegt (wir berichteten hier).

Wo lange Zeit uneinheitliche Berichtsstandards für wenig Transparenz und Vergleichbarkeit sorgten, sollen nun durch vereinheitlichte Standards, den European Sustainability Reporting Standards (kurz „ESRS“), Unternehmen einheitlich und umfassend Informationen über Themen wie den Schutz vor Korruption und Bestechung, die Wahrung wesentlicher Menschenrechte, verschiedener Umwelt- und Sozialaspekte sowie Arbeitnehmerbelange in einem vereinheitlichten Bericht offenlegen. Vorgesehen ist hierbei durch Vornahme einer „doppelten Wesentlichkeitsanalyse“ eine Identifizierung und Priorisierung der verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen für die einzelnen Unternehmen. Durch einheitliche Kennziffern sollen die Berichtsinhalte dabei stärker quantifizier- und vergleichbar werden.

Berichts- und weitergehende Handlungspflichten ergeben sich auch aus der – ebenfalls noch in nationales Recht umzusetzenden - EU-Lieferkettenrichtlinie, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (kurz „CSDDD“), die ihrerseits die Einhaltung bestimmter Umwelt- und Menschenrechtsstandards in Liefer- und Wertschöpfungsketten zum Gegenstand hat. Aber auch in seiner jetzigen Fassung sieht das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, LkSG) bereits Dokumentations- und Berichtspflichten über die Erfüllung der vom Gesetzgeber insoweit auferlegten Sorgfaltspflichten vor. Mit der Umsetzung der CSDDD in nationales Recht wird eine weitergehende Anpassung des LkSG erwartet.

Korruption, Bestechung und der Schutz von Hinweisgebern

Unternehmen sind in besonderem Maße gehalten, Maßnahmen gegen Korruption und Bestechung im eigenen Unternehmen zu ergreifen. Personen, die Hinweise über etwaig bestehende Missstände geben, „Whistle-Blower“, sind in besonderem Umfang zu schützen. Die Rahmenbedingungen gibt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vor.

Arbeitgeber, die in der Regel mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen, sind verpflichtet, eine Stelle für interne Meldungen einzurichten und zu betreiben, an die die Mitarbeiter vertraulich Missstände (insbesondere straf- oder bußgeldbewährtes Verhalten) melden können. Eingegangenen Hinweisen ist mit der gebotenen Sorgfalt nachzugehen. Gegen die hinweisgebende Person gerichtete Repressalien sind verboten. Sie dürfen wegen der erfolgten Meldung nicht im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit benachteiligt werden. Dies umfasst sowohl allgemeine arbeitsrechtliche Sanktionen (wie beispielsweise Versetzungen, Abmahnungen oder Kündigungen) als auch sonstige benachteiligende Maßnahmen (wie Nötigungen, Diskriminierungen oder Mobbing).

Für die fehlerhafte oder nicht-rechtzeitige Umsetzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz drohen empfindliche Bußgelder, im Einzelfall bis hin zu EUR 50.000. Arbeitgeber sind daher gehalten, bei der Errichtung ihrer internen Meldestellen und der Etablierung entsprechender Prozesse besondere Sorgfalt walten zu lassen.

Fazit

Berichterstattungen und Unternehmens-Compliance spielen eine tragende Rolle bei der Umsetzung von ESG-Kriterien. Gerade mit Blick auf die fortlaufenden Anpassungen und Neuerungen auf europäischer Ebene ist dieser Bereich sehr dynamisch. Zwar ist es an vielen Stellen zunächst der deutsche Gesetzgeber, dem es nun obliegt, die europäischen Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Aus Unternehmenssicht ist es gleichwohl angezeigt, sich schon jetzt mit den bestehenden Regularien und zu erwartenden Neuerungen auseinanderzusetzen.  Die Entwicklungen zeigen deutlich, dass sich künftig mehr und mehr Unternehmen mit entsprechenden Berichtspflichten auseinandersetzen müssen. 

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