Der EU Green Deal umfasst über 160 verschiedene Legislativvorhaben. Zur Umsetzung gibt es gerade einen Endspurt, um vor den kommenden Wahlen zum EU-Parlament und dem Wechsel der Kommission noch möglichst viele davon abzuschließen.
Den Überblick über den Fortschritt der einzelnen Dossiers kann man in der schieren Masse an EU-Gesetzgebungsverfahren dabei leicht verlieren.. Zum Jahresbeginn haben wir deshalb eine Übersicht über die geänderten oder neugefassten Richtlinien und Verordnungen erstellt, über deren endgültige Fassung bereits eine politische Einigung im Wege des Trilogs gefunden wurde, und welche sich somit unmittelbar vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens befinden.
Die beiden „europäischen Artikelgesetze“, Änderungsverordnungen, zur Reform des EU-Strommarkts zielen zum einen darauf ab, die Konsequenzen aus hohen Brennstoffpreisen, insb. für die Strompreise, abzufedern. Das andere Ziel ist den Großhandelsmarkt effektiver vor Marktmanipulation zu schützen. Die Verordnungen beinhalten Änderungen der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung, der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie, der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (auch: RED), und zweier Teile der ACER-Verordnung sowie der REMIT Verordnung.
Hervorzuhebende Neuerungen sind die erweiterte Flexibilität für Verbraucher, besonders hinsichtlich der Strompreise (Verträge mit Langzeit- oder dynamischer Preisgestaltung), die erweiterten Anforderungen an Stromlieferanten, die Vereinfachung der Integration der Erneuerbaren sowie die Reglungen und Definitionen im Zusammenhang mit „Strompreiskrisen“ und mit dem Ausrufen einer solchen Krise durch den Rat. Zudem soll durch entsprechende Änderungen die Verwendung langfristiger Stromkaufverträge (PPAs, Power Purchase Agreements) und zweiseitiger CfDs (Contracts for Difference) besonders gepusht werden.
Eine vorläufige politische Einigung wurde Mitte Dezember 2023 erzielt und muss noch bestätigt werden. Eine Studie zum Strommarktdesign (Stand September 2023) finden sie hier.
Die Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2012/19/EU über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (sog. WEEE-Richtlinie) soll vor allem den vom EuGH als rechtswidrig festgestellten Art. 13 der WEEE-Richtlinie abändern (Kommissionsvorschlag: COM/2023/63 final). Danach sind Hersteller von Photovoltaikmodulen verpflichtet, die Kosten für die Bewirtschaftung von Abfällen aus den von ihnen hergestellten Photovoltaikmodulen zu finanzieren. Das war nach Art. 13 WEEE-RL, unzulässigerweise, auch für bestimmte Module der Fall, die in Verkehr gebracht wurden vor Inkrafttreten der WEEE-Richtlinie. Nach der Neuregelung greift die Verpflichtung für Module, die auf den Markt kamen ab dem 15.08.2018 (für Altmodule aus privaten Haushalten, „offener Anwendungsbereich“), respektive ab dem 13.08.2012 (für alle Anderen). Die geplanten Klarstellungen sind auch vor dem Hintergrund der geplanten Überarbeitung der kompletten WEEE-RL wichtig.
Über den entsprechenden Richtlinienentwurf wurde bereits im Rahmen des Trilogs eine vorläufige politische Einigung zwischen Kommission, Rat und Parlament erzielt.
Die WEEE-RL wurde in Deutschland durch das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) umgesetzt. Eine angestoßene Novellierung kam über den am 27.07.2022 beschlossenen Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des ElektroG nie heraus.
Um von russischen (und) fossilen Energieträgern unabhängig zu werden, hatte KOM gezielte Änderungsvorschläge (COM/2022/222 final) hinsichtlich der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, auch RED, der Gebäuderichtlinie, auch EPBD, und der Energieeffizienzrichtlinie, auch EED, gemacht. Diese werden im Rahmen des Fit for 55-Pakets momentan überarbeitet. In der RED wurde der im Revisionsprozess anvisierte Satz von 40% bei dem Anteil erneuerbaren Energiequellen am Gesamtenergieverbrauch (bis dato: 32, 5%) nun auf 42,5% (von KOM ursprünglich gefordert: 45%) erhöht. Begleitend wird das Genehmigungsverfahren weiter beschleunigt, durch Erleichterungen im Verfahren, Fristverkürzungen, der Einschränkung möglicher Einwände und der Pflicht „Beschleunigungsgebiete“ auszuweisen. In der EED wird das neue Ziel zur Reduktion des gesamten Energieverbrauchs um 11,7% (von KOM ursprünglich gefordert: 13%) festgehalten. In der EPBD sind bestimmte Gebäude verpflichtend „solarbereit“ zu konzipieren.
Bei der Umsetzung des REPower Plans der Kommission bedarf es in diesem Dossier nur noch die formelle Annahme des EPBD-Vorschlags von Parlament und Rat. Die formelle Einigung liegt seit Anfang Dezember vor. Die RED III trat bereits im November 2023, die EED im Oktober 2023, in Kraft.
In Deutschland wurden die novellierten Vorgaben der EED bereits im November 2023 mit dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) umgesetzt. Teilweise dient auch das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz, WPG) aus dem Dezember 2023 der Richtlinienumsetzung. Die Vorgaben der EPBD werden grundsätzlich zum Großteil durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG, sog. „Heizungsgesetz“) umgesetzt. Die letzte Änderung des GEG im Oktober 2023 hat die novellierte EPBD aber noch nicht mitberücksichtigt. Auch die RED wird teilweise durch das GEG umgesetzt (teilweise durch andere Rechtsvorschriften, insb. auch durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz [EEG]). Eine Umsetzung der RED III wurde aber bis dato noch nicht angestoßen. Die KOM will den Mitgliedsstaaten bis April 2024 Leitlinien für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten an die Hand geben (BR-Drs. 661/23, S. 11).
Die Gebäuderichtlinie wird vor dem Hintergrund der Vision eines emissionsfreien Gebäudebestands bis 2050 geändert (KOM Vorschlag KOM/2021/802). Neben Ausbesserungen der Rechtsbegriffe des Niedrigstenergiegebäudes und der umfassenden Renovierung wird neu eingeführt der Begriff des Neullemissionsgebäudes. Die Richtlinie legt eine Reihe verbindlicher Ziele fest: Neubauten müssen emissionsfrei sein bis 20230, resp. 2028 wenn öffentlich. Die untersten 26% der Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz sind umfassend zu renovieren bis 2033. Für Nichtwohngebäude sind es 16% bis 2030. Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch in Wohngebäuden muss gesenkt werden um min. 16% bis 2030 und um min. 22% bis 2035. Bis 2040 soll der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Bereich der Wärme- und Kälteversorgung, insb. aus der Verwendung entsprechender Heizkessel, vollzogen sein. Finanzielle Förderungen für mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizkessel sollen es deshalb bereits ab 2025 nicht mehr geben. In die Richtlinie wurden jedoch auch eine Reihe Ausnahmetatbestände aufgenommen, derer sich die Mitgliedsstaaten bedienen können, um bestimmte Gebäude von den Verpflichtungen auszunehmen.
Rat und Parlament haben Anfang Dezember eine vorläufige politische Einigung erreicht.
In Deutschland wurde noch kein spezifisches Gesetzesvorhaben zur Umsetzung der Neuregelungen angestoßen. Die letzte Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Oktober 2023 hat die novellierte EPBD noch nicht mitberücksichtigt.
Die Gesetzesvorhaben zur Neufassung der Gasverordnung (Vorschlag KOM/2021/804) und zur Überarbeitung der Gasrichtlinie (Vorschlag KOM/2021/803) haben das Gesetzgebungsverfahren nach jahrelanger Überarbeitung und zwischenzeitlicher Krisen nun fast vollständig durchlaufen. Das Europäische Parlament und der Rat müssen der Einigung aus den Trilogverhandlungen Anfang Dezember 2023 nur noch zustimmen.
Die neugefasste Gasverordnung sowie die Gasrichtlinie sind Teil des dritten Energiepakets, das den gesetzlichen Rahmen für den internen Energiemarkt der EU festlegt. Zu den erheblichen Veränderungen gehören die etlichen Regelungen, um erneuerbare Gase und Wasserstoff in den Mittelpunkt des Gasmarkts zu rücken. Dem Europäischen Gesetzgeber schwebte ein integrierter europäischer Wasserstoffmarkt, sog. „hydrogen backbone”, vor Augen. Durch die Gasverordnung wird ein neues Europäisches Netzwerk der Netzwerkbetreiber für Wasserstoff (ENNOH) geschaffen. Durch die Gasrichtlinie werden darüber hinaus die Verbraucherrechte gestärkt, z.B. durch die Schaffung von Bürgerenergiegemeinschaften. Und die Möglichkeit, ansteigende Gaspreise auf nationaler Ebene auszugleichen, wird in der neuen Gasrichtlinie verankert.
Während die neue Verordnung nicht der Umsetzung bedarf, ist dies für die Richtlinie erforderlich. Die („alte“) Gasrichtlinie wurde durch eine Vielzahl von Rechtsakten umgesetzt, u.a. durch das EnWG. Ein entsprechendes aktuelles Vorhaben ist noch nicht unterwegs. Bezüglich der Energiegemeinschaften hatte der Bundesgesetzgeber aber bereits anlässlich der Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie betont, dass entsprechende Zusammenschlüsse keiner neuen, besonderen Rechtsform bedürfen, da das deutsche Recht diese Möglichkeit bereits gebe (s. BT-Drs. 19/27453, S. 57f.) Außerdem hat KOM angekündigt, einen delegierten Rechtsakt zur Definition von kohlestoffarmem Wasserstoff zeitnah zu erlassen.
Das Europäische Schadstofffreisetzungs und -verbringungsregister (E-PRTR) wird auf Vorschlag der KOM (COM/2022/157 final) in das neu geschaffene Industrieemissionsportal integriert. Durch die vorgeschlagene Verordnung wird die E-PRTR-Verordnung abgeschafft. Die im E-PRTR enthaltenen Daten zu Schadstoffemissionen und Abfällen von Industrieanlagen decken sich weitgehend mit den nach der Industrieemissions-Richtlinie zu meldenden Daten. Das Portal soll einen integrierten, kohärenten Datensatz über die wichtigsten Umwelteinflüsse der Öffentlichkeit online zur Verfügung stellen. Nicht nur die Daten basierend auf E-PRTR und IE-Richtlinie werden zusammengeführt, sondern zusätzlich werden sie mit Daten basierend auf anderen europarechtlichen Berichtspflichten und Informationen im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft kombiniert.
Über den entsprechenden Verordnungsentwurf wurde bereits Ende November 2023 im Rahmen des Trilogs eine vorläufige politische Einigung zwischen Kommission, Rat und Parlament erzielt. Der Umsetzung bedarf eine Verordnung ipso facto nicht.
Weitere Informationen zu dem Portal finden sich in dem diesbezüglichen Briefing des Europäischen Parlaments.
Die Überarbeitung (KOM/2022/156 endgültig/3) der Industrieemissionsrichtlinie (IED) dient insb. dazu, die EU-Energiepolitik und das Null-Schadstoff-Ziel auch auf Ebene der schadstoffemittierenden großen agroindustriellen Anlagen zu verwirklichen. Gleichzeitig wurde die Überführung des E-PRTR in das neue Industrieemissionsportal angestoßen.
Zunächst wird der Anwendungsbereich der IED um neu eingeführte Anlagen erweitert und die Kapazitätsschwellen für bereits erfasste Anlagen angepasst. Essenzielle Änderung ist hier die bedingte Aufnahme der Viehzucht, der Batterieproduktion und des Bergbaus in die IED. Auch bei dem Grünen Wasserstoff gab es Änderungen (siehe den Artikel Schnellere Genehmigungen für grünen Wasserstoff). Weiter wurden dann die Anforderungen an die genehmigungspflichtigen Anlagen sowie die Folgen von Verstößen verschärft. Gleichzeitig wurden aber auch Ausnahmeregelungen, insb. hinsichtlich Emissionsgrenzwerten, eingeführt. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Anlagen verpflichtet, bis Juni 2030 Transformationspläne vorzulegen. Außerdem soll das unter der KOM neu geschaffene Innovationszentrums für industrielle Transformation und Emissionen (INCITE) neue Techniken analysieren.
Ende November endeten die Trilogverhandlungen mit einer vorläufigen politischen Einigung.
In Deutschland wurde die IED vor allem durch das BImSchG und die entsprechenden Verordnungen umgesetzt. Regelungen der IED schlagen sich aber auch u.a. in dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz nieder. Während Regelungen der alten IED noch in deutsches Recht überführt werden sollen, u.a. durch Änderung des BImSchG (Gesetzesentwurf), wurde im Lichte der neuen IED bereits eine Erneuerung der 4. BImSchV angestoßen (Referentenentwurf).
Zu dem REFIT Programm, siehe hier.
Zu den unionsrechtlich reglementierten Treibhausgasen zählt nicht nur CO2, sondern auch eine Reihe von F-Gasen. Die bestehenden Regelungen werden nun, ausgehend von dem Vorschlag COM/2022/150, verstärkt und insb. werden Handelsanforderungen erweitert. Die neugefasste Verordnung zu fluorierten Treibhausgasen wird strengere Vorgaben bis hin zu kompletten Verboten in Bezug auf Produktion und Vermarktung sowie weitgehende Pflichten in Bezug auf Energieeffizienz, Kennzeichnung, Meldung und Herstellerverantwortung enthalten. Der Ausstieg aus Fluorkohlenwasserstoff (HFKW) wird bis 2050 erfolgen. Begleitend wird die Strafbewährung verschärft. Außerdem treffen die KOM Überwachungspflichten bzgl. der Verwendung von F-Gasen und ihren natürlichen Alternativen.
Eine vorläufige Einigung konnte Anfang Oktober 2023 in den Trilogverhandlungen erreicht werden. Einer Umsetzung in deutsches Recht werden die neuen unionsrechtlichen Regelungen aufgrund ihres Verordnungscharakters nicht bedürfen.
Eine Übersicht der bisherigen, „alten“ Verordnung finden Sie hier.
Um die angestrebten Methanreduktionen von 55% bis 2030 im Energiesektor zu erreichen, legte KOM einen Vorschlag (KOM/2021/805) für eine Methan-Verordnung vor. Das Parlament will auch nationale Reduktionsziele in dieser Verordnung festschreiben. Es werden Standards für die Messung, Berichterstattung und Überprüfung von Methanemissionen, v.a. bei Öl, fossilem Gas und Kohle festgelegt. Leckerkennung und -reparatur wird Pflicht; Ablassen und Abfackeln wird verboten.
Das Parlament und der Rat haben sich Mitte November geeinigt. Verordnungen bedürfen ipso facto nicht der Umsetzung.
Die von der KOM im Rahmen der Biodiversitätsstrategie für 2030 angestoßene Verordnung zur Naturwiederherstellung (Vorschlag KOM/2022/304) ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die KOM mit strikten, uneingeschränkten Forderungen, Natur- und Klima zu schützen, nicht zu Parlament und Mitgliedsstaaten (Rat) durchdringt. Für den im Einzelnen stark umstrittenen Verordnungstext, der die Regenerierung degradierter Ökosysteme bezweckt, liegt nach drei Trilogverhandlungen nun eine vorläufige politische Einigung vor.
Verbindliches Ziel bis 2030 ist eine Restauration von min. 20% der Land- und min. 20% der Meeresfläche und bis 2050 aller restaurationsbedürftigen Ökosysteme. Um diese Restaurationsziele zu erreichen, müssen die Mitgliedsstaaten von KOM zu bewertende Naturwiederherstellungspläne entwerfen. Bzgl. der möglichen Maßnahmen legt die Verordnung Vorrangregelungen fest. Gleichzeitig kann aufgrund vielzähliger Ausnahmen und weiterer Flexibilitäten die Wiederherstellungspflicht vorübergehend nicht wahrgenommen werden. So etwa bei Ereignissen mit schwerwiegenden Auswirkungen und zur Sicherung der Lebensmittelversorgung. Des Weiteren betont die Verordnung auch die Notwendigkeit der Kohärenz mit der Fischereipolitik und des besonderen Schutzes von Bestäubern.
Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es nicht.
Die CLP-Verordnung (Classification, Labeling, Packaging) regelt die harmonisierte Einstufung, Kennzeichnung und Verpackungsstandards von chemischen Stoffen und Gemischen. Die Chemikalien werden anhand der CLP-Kriterien eingestuft. An die jeweilige Einstufung sind Pflichten gebunden, insb. hinsichtlich der Gefahrenkennzeichnung. Im Rahmen der EU-Chemikalienstrategie wird die CLP-Verordnung gerade überarbeitet (KOM Vorschlag 2022/748). Es geht vornehmlich darum, bestehende Regelungen auszubessern und deutlicher zu formulieren, Rechtslücken zu schließen und somit eine bessere und umfassendere Durchsetzbarkeit zu erreichen. Teil der Überarbeitung war auch ein delegierter Rechtsakt (Verordnung 2023/707), den die KOM erlassen hat, um Stoffe mit spezifischen Eigenschaften zu definieren und in die bestehenden Gefahrenklassen einstufen zu können.
Anfang Dezember haben die EU-Institutionen im Wege des Triloges eine Einigung erzielt. Als Verordnung gilt der Rechtsakt unmittelbar und bedarf nicht der Umsetzung.
Der KOM Vorschlag (KOM/2022/134) zu einer Verordnung über geografische Angaben (GA) der Europäischen Union für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über Qualitätsregelungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse traf auf Missmut bei Parlament und Rat (insb. bei dem Sonderausschuss für Landwirtschaft, SAL). Zu den geografischen Angaben gehört zB die geschützte Ursprungsbezeichnung bei Wein und Lebensmitteln. Zwar stimmten die beiden Legislativorgane der KOM in dem Aspekt zu, dass eine alle Sektoren unter einem Anwendungsbereich zusammenführende Verordnung mit einheitlichen Regelungen für alle notwendig sei. Allerdings wehrten sie sich gegen die ursprünglich geplante erweiterte Zuständigkeit (als zusätzliche Prüfstelle) des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und erweiterte Befugnis der KOM, verpflichtende Nachhaltigkeitsstandards zu setzen. Im Ergebnis wurde auch der Schutz der GA im Internet sowie die Rechte der anerkannten Erzeugerverbände deutlich gestärkt.
Die vorläufige politische Einigung nach drei Trilogverhandlungen wurde Ende November 2023 erreicht. Die Verordnung wir keine Umsetzung benötigen. Gleichzeitig hat der deutsche Gesetzgeber eine ab Februar 2024 geltende zweite Verordnung zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung erlassen, um eine Ausweitung der EU-weiten Regelungen zur Herkunftskennzeichnungn vorzugreifen.
Die durch die Ökodesign-Rahmenrichtlinie festgelegten Design-Mindeststandards sollen nun nicht nur für energiebezogene, sondern für eine längere Liste bestimmter Produkte gelten.
Der auf der Richtlinie aufbauende KOM Vorschlag (KOM/2022/142) für eine Ökodesign-Verordnung (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESP-Verordnung) sieht im Wesentlichen vor die Ziele, welche die Standards anstreben können (z.B. Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Zuverlässigkeit), zu erweitern. Bestimmte Produkte sollen mit einem „digital product passport“ auszustatten sein. Des Weiteren werden Transparenzanforderungen erhöht. Es soll verboten sein, unverkaufte, retournierte Waren, insb. Bekleidung und elektronische Geräte, zu zerstören. Die Mitgliedstaaten sollen Anreize für nachhaltiges Produktdesign setzen. Sie können dazu die Instrumente der Öko-Voucher oder des Steuerrechts nutzen. Die von dem Parlament vorgeschlagenen Anpassungen bezwecken alle die Stärkung der Verbraucherrechte, insb. durch die Einführung von Rechtsbehelfen und Ansprüchen auf Information auf dem Produkt und auf einer Onlineplattform/einem Vergleichsportal. Erwähnenswert ist zudem das vorgeschlagene Verbot geplanter Obsoleszenz. Des Weiteren ist in der (stark umstrittenen und als Kompromiss geltenden) Ausrichtung des Rates die Mitwirkung nationaler Experten bei der Ausarbeitung der Standards vorgesehen.
Nach mehreren Trilogverhandlungsterminen sind die EU Institutionen im Dezember 2023 zu einer vorläufigen politischen Einigung gekommen. Die neue Verordnung bedürfte anders als die alte Richtlinie nicht mehr der Umsetzung.
Um die europäischen Ziele der Kreiswirtschaft zu erreichen, werden die Rechte der Verbraucher auf Informationen zur Nachhaltigkeit von Produkten und auf besseren Schutz gegen unlautere Praktiken deutlich verstärkt. Ausgehend von dem KOM Entwurf einer entsprechenden Richtlinie (KOM2022/143 final) werden die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) sowie die Verbraucherrechte-Richtlinie geändert.
Im Kern verpflichtet die neue Richtline die Unternehmen, auf ihrem Produkt Informationen, und ggf. Nachhaltigkeitslabel, anzubringen über ökologische und soziale Auswirkungen, Lebensdauer, Reparierbarkeit und ggf. Reparaturkennzahl plus Informationen zu Ersatzteilen sowie über Bestehen und Laufzeit einer Garantie (ggf. durch ein spezielles Label). Weiter wird der Katalog an untersagten irreführenden Praktiken ergänzt um eine Reihe an Praktiken im Zusammenhang mit dem Suggerieren von Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit. Dazu gehören entsprechende nicht substantiierte Behauptungen oder Labels, wie zB Behauptungen, die allein auf Klimakompensations-, resp. Kohlenstoffausgleichs-, Systemen basieren. Zudem wird jegliche geplante vorzeitige Obsoleszenz verboten.
Eine vorläufige politische Einigung gab es bereits Ende September 2024. Der IMCO-Ausschuss des Europäischen Parlaments hat dieser dann Ende November 2023 zugestimmt. Das Votum im Plenum soll unmittelbar bevorstehen.
Die Richtlinie wird der deutsche Gesetzgeber in deutsches Recht transponieren müssen. Bis dato wurde die UGP-Richtlinie durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die Verbraucherrechte-Richtlinie durch Änderung verschiedener Gesetze, u.a. das BGB, EGBGB und des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), umgesetzt. Einen Entwurf, wie die neuen Regelungen umgesetzt werden sollen, gibt es noch nicht.
KOM hat die Bauprodukte-Verordnung (BauP-Verordnung, CPR) eingehend bewertet mit Umsetzungsbericht, Evaluierung, und Folgenabschätzung einer Neuregelung. Das Resultat: Der Binnenmarkt ist bzgl. Bauprodukten nicht verwirklicht, es hapert bei der Marktüberwachung, der Produktsicherheit und bei der tatsächlichen Umsetzung des digitalen und ökologischen Wandels. Dies liegt sicherlich auch an der Komplexität der CPR.
Die neue, von KOM vorgeschlagene (KOM/2022/144) CPR soll diese Probleme im Wesentlichen mit u.a. folgenden Änderungen lösen. Der Anwendungsbereich der CPR soll an neuere Entwicklungen im Baubereich, zB 3D-Druck, angepasst werden. Der Vorschlag enthält zudem neue spezifische Anforderungen an die Bauprodukte hinsichtlich Umwelt, Funktion und Sicherheit sowie allgemeine Nachhaltigkeitsanforderungen. KOM soll in weiteren Rechtsakten harmonisierte Standards und technische Spezifikationen festlegen können. Zudem soll sichergestellt werden, dass die neue CPR im Einklang mit der neuen Ökodesign-Verordnung steht.
Mitte Dezember gab es eine vorläufige Einigung zwischen KOM, Parlament und Rat. Nachdem Rat und Parlament dieser formell zustimmen, muss die Verordnung nicht in nationales Recht umgesetzt werden, sondern wird unmittelbar gelten.
Zu dem REFIT Programm, siehe hier.
Um einen noch effektiveren Schutz der Ozonschicht zu gewährleisten, wird die Ozon-Verordnung neugefasst. Gegenstand der Verordnung sind Treibhausgase, welche Ozon abbauen (ODS, ozon-depleting substances), sog. „geregelte Stoffe“. Schädliche Emissionen dieser Stoffe sollen im Einklang mit dem EU Green Deal weiter reduziert werden.
In ihrem Vorschlag (KOM/2022/151) sieht KOM vor, ein kostengünstigeres, modernes Lizenzsystem einzuführen, die administrative Belastung zu verringern, die Maßnahmen zur Kontrolle und zur Bekämpfung illegaler Aktivitäten zu verschärfen und Berichterstattungspflichten auf weitere Substanzen auszuweiten.
Eine vorläufige politische Einigung haben die EU Institutionen Mitte Oktober 2023 erzielt. Der Umsetzung bedarf die Verordnung ipso facto nicht.
Zu dem REFIT Programm, siehe hier.
Um die europäischen Ziele der Kreiswirtschaft zu erreichen, werden die Regelungen zum Abfall-Export verschärft. Zur Kontextualisierung: Die EU exportiert etwa 33 Millionen Tonnen Abfall, importiert etwa 16 Mio. t und transportiert zwischen den Mitgliedsstaaten etwa 67 Mio. t (Zahlen aus 2020).
Die auf dem KOM Vorschlag (KOM/2021/709 final) basierende Überarbeitung der Abfall-Verbringungs-Verordnung legt den Schwerpunkt auf die Transparenz und die Rückverfolgbarkeit des Abfalltransports und auf die nachhaltige Behandlung sämtlichen(!) Abfalls.
Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit dem Export in Drittländer: Nur Abfälle der Grünen Liste („green-listed“) können ausgeführt werden; und nur in Länder, die dem Abfallimport explizit zugestimmt haben und in denen eine nachhaltige, auch die Arbeitsstandards berücksichtigende Abfallbehandlung sichergestellt ist. U.a. durch eine von der KOM geführte Liste und durch Regelungen zum Whistleblower-Schutz soll die Transparenz und Überwachung dieser Faktoren herbeigeführt werden. Empfänger-Anlagen müssen zudem geprüft werden. Des Weiteren soll der Export von Plastikabfall langfristig eingestellt werden.
Die illegale Verbringung von Abfällen wird stärker bestraft und stärker transnational untersucht. Bei den Ermittlungen soll eine neu geschaffene „EU waste shipment enforcement group“ unterstützen.
Innerhalb der EU steht insb. auch die Vereinfachung der Verbringung im Vordergrund, z.B. mithilfe Digitalisierung und harmonisierter Abfall-Klassifikation. Die Vorgaben, welcher Abfall wohin verbracht werden darf, werden allerdings verschärft.
Mitte November haben Parlament und Rat eine provisorische politische Einigung gefunden. Der ENVI-Ausschuss des Europäischen Parlaments hat dieser Einigung am 11. Januar 2024 bereits zugestimmt. Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf die Verordnung ipso facto nicht.
Für mehr Informationen zu der „alten“ Abfall-Verbringungs-Verordnung, siehe hier. Zu dem REFIT Programm, siehe hier.
Abfall-Verbringungs-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen
ACER-Verordnung: Verordnung (EU) 2019/942 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
Bauprodukte-Verordnung, auch BauP-Verordnung, auch CPR: Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates
CLP-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006
Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie: Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU
Elektrizitätsbinnenmarktverordnung: Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt
Energieeffizienzrichtlinie, auch EED: vor der Neufassung: Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG Text von Bedeutung für den EWR. Neufassung: Richtlinie (EU) 2023/1791 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. September 2023 zur Energieeffizienz und zur Änderung der Verordnung (EU) 2023/955
E-PRTR-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 166/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Januar 2006 über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters und zur Änderung der Richtlinien 91/689/EWG und 96/61/EG des Rates
Erneuerbare-Energien-Richtlinie, auch RED: RED II: Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. RED III: Richtlinie (EU) 2023/2413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/2001, der Verordnung (EU) 2018/1999 und der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates
Fluorierte Treibhausgase-Verordnung: Verordnung (EU) Nr. 517/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über fluorierte Treibhausgase und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 Text von Bedeutung für den EWR
Gasrichtlinie: Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG
Gasverordnung: Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005
Gebäuderichtlinie, auch EPBD: Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Geändert durch Richtlinie (EU) 2018/844 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der Richtlinie 2012/27/EU über Energieeffizienz
Industriemissionsrichtlinie, auch IE-Richtlinie: Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung. Eine Neufassung steht unmittelbar bevor; die Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen wurde von KOM vorgeschlagen (KOM/2022/156 endgültig/3).
Methanverordnung: VORSCHLAG für eine Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Verringerung der Methanemissionen im Energiesektor und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/942
Ökodesign-Rahmenrichtlinie: Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte
Ozon-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 1005/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen
REMIT Verordnung: Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, auch UGP-Richtlinie: Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
Verbraucherrechte-Richtlinie: Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates