Im Rahmen von M&A-Transaktionen werden ESG-Themen zunehmend auch bei der Vertragsgestaltung ausdrücklich berücksichtigt. Dabei werden meist bisher gängige Vertragsklauseln aus anderen, allgemeineren Zusammenhängen modifiziert und angepasst. Teilweise finden sich jedoch auch neu entwickelte und eigenständige spezifische ESG-Klauseln in der Transaktionsdokumentation (z.B. im Kaufvertrag) und in der Corporate Governance Dokumentation (z.B. in Gesellschaftervereinbarungen).
Die gängigste und wahrscheinlich einfachste Methode zur Absicherung gegen ESG-Risiken ist die Aufnahme von allgemeinen oder spezifischen ESG-Garantien für Fälle, in denen im Rahmen der Due Diligence kein Verstoß erkennbar wurde und von spezifischen Freistellungen für Fälle, in denen in der Due Diligence ein spezifisches ESG-Risiko identifiziert wurde. Allgemeine „Compliance with Law“ Garantien sind keine Neuigkeit, relativ neu ist allerdings die Aufnahme einer Garantie, nach der im Zielunternehmen keine Verstöße gegen spezifische ESG-Compliance Vorschriften vorliegen, bzw. dem Verkäufer kein Verstoß bekannt ist. Problematisch ist hier jedoch die Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes gegen eine solche Garantie. In der Regel obliegt es dem Käufer, einen konkreten finanziellen Schaden darlegen zu müssen, was im Falle einer ESG-Incompliance häufig schwierig sein dürfte. Ein Mittel dagegen wäre die Aufnahme einer Vertragsstrafe. Dies wiederum dürfte für einen Verkäufer nur schwer akzeptabel sein.
Eine spezielle „ESG-Garantie“, die erste Verwendung in M&A-Verträgen fand, ist die sogenannte Weinstein-Klausel oder MeToo-Klausel. Diese Klausel entstand im Kontext der MeToo-Bewegung, die auf sexuellen Missbrauch und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz aufmerksam machte. Die MeToo-Klausel ist in der Regel eine spezielle Verkäufergarantie, dass im Zielunternehmen keine Fälle von sexueller Belästigung oder Diskriminierung bekannt sind. Denkbar ist eine solche Garantie auch in der Form, dass zugesagt wird, dass das Zielunternehmen die entsprechenden Vorschriften zum Schutz vor Belästigung und Diskriminierung erfüllt oder dass keine anhängigen rechtlichen Verfahren oder Beschwerden in diesem Bereich bestehen.
Aus Verkäufersicht ist eine solche Garantie u.a. aufgrund des schwierig zu definierenden Anwendungsbereichs schwer zu akzeptieren. Ein Verkäufer wird in jedem Fall dafür Sorge tragen müssen, dass er nur für Vorfälle haftet, von denen er tatsächlich Kenntnis hat und dass der relevante Zeitraum eingegrenzt ist. Die Klausel sollte auch präzisieren, welche Führungskräfte und Mitarbeiter:innen erfasst sind und ob private Vergleichsvereinbarungen oder nicht-justiziable Anschuldigungen ebenfalls Berücksichtigung finden sollen.
Denkbar ist außerdem eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von MAC-Klauseln („Material-Adverse-Change-Klauseln“) um ESG-Themen. MAC-Klauseln sind eines der zentralen Elemente in M&A-Verträgen, die es dem Käufer ermöglichen, sich von einer Transaktion zu lösen, wenn sich die äußeren Umstände zwischen Unterzeichnung des Vertrages (Signing) und dessen Vollzug (Closing) wesentlich nachteilig verändern. Solche Veränderungen können die wirtschaftliche, finanzielle oder betriebliche Lage des Zielunternehmens betreffen, wie zum Beispiel durch dramatische Umsatzeinbrüche, schwerwiegende rechtliche Probleme oder erhebliche negative Veränderungen im Marktumfeld. Der klassische Anwendungsbereich solcher MAC-Klauseln könnte im Hinblick auf ESG-Themen erweitert werden und einem Käufer ein Rücktrittsrecht eingeräumt werden, wenn sich bestimmte ESG-Risiken, wie etwa Umweltschäden oder Rechtsstreitigkeiten wegen unzureichender ESG-Compliance realisieren. Die Schwierigkeit besteht hier darin, diese Themen in einer solchen Klausel präzise genau zu definieren. Vor allem ein Verkäufer wird hier zumindest darauf bestehen, dass sich aus der Vertragsklausel klar ergibt, was die Parteien als einen relevanten ESG-Verstoß verstehen. Wie auch sonst bei MAC-Klauseln, muss hier eine klare Abgrenzung zur Realisierung eines normalem allgemeinen Geschäftsrisikos ergeben. Häufig werden ESG-Risiken, die schon hinreichend erkennbar sind, daher eher in Form von Garantien und Freistellungen in die Transaktionsdokumentation aufzunehmen sein (dazu s.o.).
Spezifische vertragliche ESG-Verpflichtungen beziehen sich auf die Verantwortung von Unternehmen, in Bezug auf ihre Geschäftstätigkeit nachhaltige Praktiken zu fördern, die Umwelt zu schonen, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen und transparente, ethische Governance-Strukturen zu etablieren. Solche sog. ESG-Covenants finden sich in der Regel in Gesellschaftervereinbarungen und beinhalten häufig Verpflichtungen zur Verbesserung und Einhaltung bestehender Governance-Strukturen und zur Verbesserung und Einhaltung von bestimmten zu definierenden Sozialstandards. Darüber hinaus können Regelungen zur regelmäßigen ESG-Berichterstattung an die Gesellschafter und zur Integration von ESG-Zielen in den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufgenommen werden.
Eine solche Klausel könnte wie folgt lauten:
„Während der Laufzeit dieser Gesellschaftervereinbarung hat die Gesellschaft sicherzustellen, dass alle anwendbaren Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und alle anwendbaren Gesetze zur Bekämpfung von Korruption eingehalten werden. Es dürfen keine Zahlungen oder Angebote an Regierungsbeamte oder Dritte gemacht werden, um unzulässige Vorteile zu erlangen.“
Ein weiteres Beispiel ist die vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung der EU-Taxonomie und der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR), die insbesondere für Unternehmen in der EU relevant sind. Eine typische Formulierung könnte lauten:
„Die Gesellschafter verpflichten sich, dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen während der Laufzeit der Vereinbarung alle einschlägigen Bestimmungen der EU-Taxonomie und der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR) einhält und ein Verfahren zur kontinuierlichen
Solche Klauseln sind insbesondere üblich, wenn Gesellschafter für die Investitionssumme öffentlich geförderte Finanzierungen erhalten haben, deren Finanzierungsbedingungen die Einhaltung solcher Regelungen und eine entsprechende Offenlegung gegenüber dem Darlehensgeber vorsehen. In einem solchen Fall ist die Klausel entsprechend durch Informationsrechte des Gesellschafters zu ergänzen.
Spezifische ESG-Klauseln sind eine notwendige und konsequente Ergänzung in modernen M&A Verträgen und inzwischen regelmäßig ein fester Bestandteil einer M&A Transaktion. In der Praxis scheint vor allem die Berücksichtigung in Gesellschaftervereinbarungen zuzunehmen, was nicht überrascht, da dies meist eher „weichere“ vertragliche Absichtserklärungen beinhalten. Im klassischen M&A Kaufvertrag scheint die Durchsetzung deutlich schwieriger, da alle oben genannten Vertragsgestaltungen in der Regel aus Verkäufersicht nur schwer zu akzeptieren sein dürften.