Ein Arbeitszeitbetrug stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar und kann eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Inwieweit ein Arbeitgeber in diesem Zusammenhang zur Überwachung des Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv berechtigt ist und wer die dadurch entstandenen Detektivkosten zu tragen hat, hatte das LAG Köln (Urteil vom 11. Februar 2025, Az. 7 Sa 635/23) zu entscheiden.
Der Kläger – ein seit 2009 bei einem Verkehrsunternehmen beschäftigter Fahrausweisprüfer – geriet ins Visier ihrer Arbeitgeberin, nachdem Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens von Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung berichteten. Ihnen fielen Besuche im Fitness-Studio, in der Moschee, beim Friseur und private Fotoshootings während der Arbeitszeit auf.
Daraufhin beauftragte die Arbeitgeberin des Klägers eine Detektei, die den Kläger zunächst an fünf Tagen im November 2022 und anschließend durchgehend vom 2. bis 16. Dezember 2022 observierte. Die Ermittlungen ergaben, dass sich der Kläger während seiner Arbeitszeit mehrfach an der Adresse seiner Freundin oder in Bäckereien und Cafés aufhielt, ohne entsprechende Pausen im Zeiterfassungssystem zu dokumentieren. An nahezu allen Observationstagen stellte die Detektei fest, dass der Kläger seine Arbeitszeit nicht ordnungsgemäß erfasste. Die nicht erfassten Pausenzeiten summierten sich zum Teil auf mehrere Stunden pro Tag.
Aufgrund dieser Erkenntnisse kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. Januar 2023 fristlos und forderte zudem die Erstattung der Detektivkosten in Höhe von EUR 21.608,90. Der Arbeitnehmer wehrte sich gegen die Kündigung und die Kostenforderung mit einer Kündigungsschutzklage vom 11. Januar 2023.
Das LAG Köln bestätigte die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung. Die vorsätzliche Falscherfassung der Arbeitszeit stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, insbesondere der Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB), dar und sei geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen nachhaltig zu zerstören.
Das Arbeitsverhältnis kann gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Im vorliegenden Fall lag ein solcher wichtiger Grund vor. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger zumindest am 9., 12., 13. und 16. Dezember 2022 erhebliche Pausenzeiten vorsätzlich nicht erfasst hatte. So verbrachte er beispielsweise am 9.Dezember 2022 zwischen 15:18 Uhr und 15:59 Uhr Zeit in der Wohnung seiner Freundin, ohne dies als Pause zu dokumentieren. An mehreren Tagen hielt er sich zwischen 30 und 50 Minuten in Bäckereien auf, ohne eine Arbeitsleistung zu erbringen oder die Zeit als Pause zu erfassen. Dadurch täuschte er seiner Arbeitgeberin über die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung und erschlich sich Vergütung für nicht geleistete Arbeit.
Das Gericht befand die Observation durch die Detektei nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG für zulässig und verneinte ein Beweisverwertungsverbot. Die Überwachung des Klägers durch Privatdetektive, die beobachteten, fotografierten und dokumentierten, sowie die Anbringung eines GPS-Senders am Dienstfahrzeug stellten zwar einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers dar, die Eingriffsintensität bewertete das Gericht jedoch als gering: Die Überwachung beschränkte sich auf die Schichtzeiten, fand ausschließlich im öffentlichen Raum statt und erstreckte sich nur über wenige Tage. Erfasst wurde lediglich, was auch für jeden Passanten sichtbar gewesen wäre.
Ein Beweisverwertungsverbot komme laut Gericht nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition – insbesondere des Persönlichkeitsrechts – zwingend geboten sei. Eine "Orwell'sche Überwachung" – d.h. eine extreme Kontrolle, ständige Überwachung und fehlende Privatsphäre – lag nach Auffassung des LAG Köln nicht vor, weshalb die gewonnenen Erkenntnisse verwertbar waren.
Das Gericht verurteilte den Arbeitnehmer zur Erstattung der Detektivkosten in Höhe von EUR 21.608,90 wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 BGB). Nach der Rechtsprechung des BAG hat der Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts die Überwachung überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Erstattungsansprüche bestehen jedoch nur für Maßnahmen, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich halten würde.
Die Arbeitgeberin war berechtigt, eine Detektei zu beauftragen, weil aufgrund der Aussagen der Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens der Verdacht auf Arbeitszeitbetrug bestand. Der Kläger wurde einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt, die zur Wirksamkeit der außerordentlichen (Tat-)Kündigung führte.
Arbeitgeber müssen auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer vertrauen können. Füllt ein Arbeitnehmer die zur Verfügung gestellten Zeiterfassungssysteme wissentlich und vorsätzlich falsch aus, stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.
Die Entscheidung zeigt deutlich: Arbeitszeitbetrug wird von den Gerichten nicht toleriert und kann auch bei langer Betriebszugehörigkeit eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen. Darüber hinaus dürfen Arbeitgeber bei konkretem Verdacht nicht nur Privatdetektive einsetzen, sondern die hierdurch entstandenen Kosten können im Einzelfall auch dem überführten Arbeitnehmer auferlegt werden.