BGH: Verbotene Einlagenrückgewähr durch Stellung einer Sicherheit

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Stephan Kübler, LL.M.

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Als Partner und Mitglied der internationalen Corporate Group in unserem Münchner Büro berate ich Mandanten im Gesellschaftsrecht, mit einem besonderen Fokus auf grenzüberschreitende M&A-Transaktionen.

AktG §§ 57 I 3, 71a I 2

  1. Bei der Besicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs des Sicherungsnehmers gegen den Aktionär durch die Aktiengesellschaft mit einer dinglichen Sicherheit ist der Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch im Sinn des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG der Freistellungsanspruch gegen den Aktionär. Dieser ist vollwertig, wenn nach einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung im Zeitpunkt der Besicherung ein Forderungsausfall für den Darlehensrückzahlungsanspruch unwahrscheinlich ist.
  2. Eine Besicherung zum Zweck des Erwerbs von Aktien nach § 71a Abs. 1 S. 2 AktG setzt einen Zusammenhang der Besicherung mit dem Erwerb voraus. Dieser Zusammenhang besteht, wenn die Leistung der Gesellschaft objektiv dem Aktienerwerb dient, die Parteien des Finanzierungsgeschäfts dies wissen und die Zweckverknüpfung rechtsgeschäftlich zum Inhalt ihrer Vereinbarung machen. Die Unterstützung eines zahlungsschwachen Aktionärs, der ansonsten seine Anteile verkaufen müsste, steht nicht mehr im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien.

BGH, Urteil v. 10.1.2017 – II ZR 94/15 (OLG Frankfurt/M.)

Sachverhalt

Die Beklagten waren Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG), über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der AG und macht gegen die Beklagten Organhaftungsansprüche gem. § 93 Abs. 3 i. V. m. § 57 Abs. 1 AktG wegen verbotener Einlagenrückgewähr geltend.

Vor ihrem Börsengang bot die AG ausgewählten Mitarbeitern die bevorrechtigte Zeichnung von Aktien an. Viele dieser Mitarbeiter verfügten weder über das erforderliche Eigenkapital noch ausreichende Sicherheiten. Die D. Bank (Bank) gewährte den Mitarbeitern Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises. Zur Besicherung der Darlehen wurde neben den Aktien zunächst das Kontoguthaben eines Dritten sowie später nach Prolongation der Darlehen das Kontoguthaben der AG verpfändet. Nach Fälligkeit der Darlehen befriedigte sich die Bank aus dem Kontoguthaben der AG.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Organhaftungsansprüche dem Grunde nach bejaht.

Entscheidung

Der BGH hat sich dem Berufungsgericht angeschlossen. So stelle vorliegend bereits die Bestellung der dinglichen Sicherheit durch die AG, nicht erst deren Verwertung, eine verbotene Einlagenrückgewähr gem. § 57 Abs. 1 AktG dar.

  • Die Ausnahme gem. § 57 Abs. 1 S. 3 AktG greife hier nicht, da der Freistellungs- bzw. Rückgriffanspruch der AG gegen den jeweiligen Mitarbeiter nicht vollwertig gewesen sei. So waren die Aktionäre von vornherein auf Fremdmittel angewiesen und konnten keine ausreichenden Sicherheiten stellen, mithin war die Inanspruchnahme der Sicherheit nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung im Zeitpunkt der Besicherung keineswegs unwahrscheinlich.
  • Auch die Privilegierung nach § 71a Abs.1 S. 2 AktG greife nicht. Die Sicherheit wurde vorliegend von der AG nämlich nicht zu dem Zweck gestellt, um zahlungsschwachen Mitarbeitern den Erwerb von Belegschaftsaktien, sondern um zahlungsschwachen Aktionären den Behalt von Aktien zu ermöglichen.
Praxisfolgen: Erweiterte Pflichten und Haftungsrisiken der Organe bei Upstream-Sicherheiten

Das Urteil verändert den Pflichtenkatalog der Organe bei der Gewährung von Sicherheiten zur Absicherung von Verbindlichkeiten ihrer Gesellschafter/Aktionäre (sog. Upstream-Sicherheiten). Nach (bislang) häufig vertretener Ansicht lag erst dann eine Einlagenrückgewähr vor, wenn der Rückzahlungsanspruch im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht vollwertig war und deshalb die Upstream-Sicherheit verwertet wurde. Dementsprechend hatten die Organmitglieder bei der Bestellung der Sicherheiten auf entsprechende Verwertungsbeschränkungen zu achten und die Bonität der begünstigten Konzernobergesellschaft ständig zu überwachen. Wenn aber nicht erst die Verwertung, sondern bereits die Bestellung der Upstream-Sicherheit eine Einlagenrückgewähr darstellen kann, müssen die Organe die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruches auch schon im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit prüfen.

Das Urteil enthält auch interessante Ausführungen zu den Pflichten des Insolvenzverwalters im Hinblick auf D&O Versicherungen. Der Insolvenzverwalter ist demnach nur der Insolvenzschuldnerin, nicht aber deren Organen verpflichtet. Es besteht keine Verpflichtung, die D&O-Versicherung aufrechtzuerhalten oder Ansprüche bei der D&O-Versicherung anzumelden.

Stephan Kübler & Lisa Schimkus, Bird & Bird LLP

 

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