Zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus (COVID-19) greift die Bundesregierung zu einem breiten Spektrum von Maßnahmen. Als bereits bewährtes Instrument zur Bekämpfung wirtschaftlicher Verwerfungen hat die Bundesregierung einen Fonds mit Volumen von EUR 600 Milliarden als Schutzschirm über die deutsche Wirtschaft aufgespannt.
Die Einrichtung eines wirtschaftlichen Stabilisierungsfonds
Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (das "Gesetz") im beschleunigten Verfahren verabschiedet. Das Gesetz wurde am 27. März 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht und trat am Tag danach, am 28. März 2020, in Kraft.
Die endgültige Fassung des Gesetzes ist hier zu finden. Das Gesetz ermächtigt zum Erlass von insgesamt vier Rechtsverordnungen, in denen Bedingungen festgelegt, Aufgaben delegiert und Voraussetzungen für die Gewährung von Mitteln festgelegt werden. Da die weitere Konkretisierung von der Zustimmung der Europäischen Kommission zu den europäischen Beihilfebestimmungen abhängt, sind die Verordnungen noch nicht erlassen worden.
Der hiermit errichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds ("WSF") dient der Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf bestimmte Unternehmen der Realwirtschaft. Der WSF ist nach dem Vorbild des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung ("SoFFin") konzipiert, der 2008 während der Finanzkrise mit dem Ziel gegründet wurde, das Vertrauen in das Finanzsystem zu stabilisieren und wiederherzustellen, und der damals unter anderem von Anwälten von Bird & Bird beraten wurde.
Um dem Ziel des WSF, Unternehmen in der Realwirtschaft zu stabilisieren, wird es mit Stabilisierungsinstrumenten ausgestattet, die dazu dienen sollen, Liquiditätsengpässe durch Unterstützung der Refinanzierung am Kapitalmarkt zu überwinden und Rahmenbedingungen zur Stärkung der Kapitalbasis von Unternehmen zu schaffen, deren Existenz für den Standort Deutschland oder den Arbeitsmarkt von erheblicher Bedeutung ist.
Der WSF richtet sich an größere Unternehmen und ergänzt das Sonderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau ("KfW"; Informationen zum KfW-Sonderprogramm finden Sie hier).
Während das Programm der KfW auf die Bereitstellung von Fremdkapitalinstrumenten insbesondere zur Betriebsmittelfinanzierung bedürftiger Unternehmen abzielt, sollen die Instrumente des WSF durch Garantien die Liquidität und Solvenz sichern sowie mit Hilfe von Mezzanine- und Eigenkapitalinstrumenten die Kapitalbasis stärken.
Wie im Abschnitt zum institutionellen Rahmen weiter unten dargelegt, sieht das Gesetz eine Fülle von Kompetenzen und Möglichkeiten für Delegationen vor. Mit Blick auf die in der Krise durchgeführten staatlichen Hilfsmaßnahmen ist eine Kompetenzbündelung in der KfW zu beobachten. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das zuständige Bundesministerium der Finanzen ("BMF") und das Bundesministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie ("BMWi") der KfW Entscheidungen zuweisen und diese damit weiter als einen Ankerpunkt für Staatshilfen etablieren werden.
Was sieht der WSF vor?
Folgende Stabilisierungsinstrumente stehen dem WSF zur Verfügung:
EUR 400 Milliarden an staatlichen Garantien für Verbindlichkeiten
Der WSF kann Garantien für ausgegebene Schuldtitel und Verbindlichkeiten geben, die zwischen dem 28. März 2020 und dem 31. Dezember 2021 eingegangen wurden, um die Liquidität zu sichern und die Refinanzierung auf dem Kapitalmarkt zu unterstützen. Für die Ausgabe der Garantien muss ein angemessenes Entgelt verlangt werden.
Während die Risikoübernahme für KfW-gestützte Kredite im Rahmen des KfW-Sonderprogramms zwischen 80 und 90 % liegt, sind die Garantien des WSF vollumfänglich.
Die Laufzeit der Garantien darf 60 Monate nicht überschreiten.
EUR 100 Milliarden für Mezzanin- und Eigenkapitalinstrumente
Der WSF kann weiterhin direkte Rekapitalisierungsmaßnahmen ergreifen, um die Solvenz der Unternehmen sicherzustellen.
Konkrete Einzelheiten zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der Stabilisierungsmaßnahmen werden in einer gesonderten Rechtsverordnung geregelt, die von BMF und BMWi erlassen wird.
Zu den verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Erleichterungen für Kapitalmaßnahmen und Transaktionen siehe unseren Beitrag zum Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz.
Die Stabilisierungsmaßnahmen bestehen aus folgenden Elementen:
i) Mezzanine-Instrumente
Die Bereitstellung von nachrangigen Verbindlichkeiten, Hybridanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen.
Mezzanine-Instrumente können insbesondere für die Rekapitalisierung in einer Krise von Bedeutung sein. Verbindlichkeiten, die nach den Bestimmungen des deutschen Insolvenzrechts ausreichend nachrangig sind, werden in der Überschuldungsbilanz nicht berücksichtigt, so dass verhindert wird, dass das Unternehmen nach Ablauf der neu eingeführten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung wieder an den Rand der Insolvenz gelangt.
ii) Eigenkapitalinstrumente
Der Erwerb von Aktien oder die Übernahme anderer Bestandteile des Eigenkapitals des Unternehmens.
Eine direkte Beteiligung sollte nur dann erfolgen, wenn ein wichtiges Interesse der Bundesregierung an der Stabilisierung des Unternehmens besteht und der von der Bundesregierung beabsichtigte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch andere Mittel erreicht werden kann.
Die Rekapitalisierungsmaßnahmen müssen zu marktgerechten Bedingungen durchgeführt werden.
Refinanzierung des KfW-Sonderprogramms
Der WSF kann der KfW ferner Darlehen zur Refinanzierung der Sonderprogramme gewähren, die von der Bundesregierung als Reaktion auf die Corona-Krise zur Verfügung gestellt wurden.
Der institutionelle Rahmen
Das Gesetz sieht einen differenzierten Rahmen von Kompetenzen und möglichen Aufgabendelegationen vor.
Neben der laufenden Verwaltung der Mittel sind die wichtigsten Kompetenzen des Gesetzes
Was – inter alia - Grundsatzfragen oder Angelegenheiten von besonderer Bedeutung betrifft, so werden Entscheidungen in gegenseitigem Einvernehmen von einem interministeriellen Ausschuss ("WSF-Ausschuss") getroffen. Der WSF-Ausschuss setzt sich aus Vertretern des Bundeskanzleramtes, des BMWi, des BMF und der Bundesministerien für Arbeit und Soziales, für Justiz und Verbraucherschutz sowie für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammen. Der Ausschuss kann ein Expertengremium für Industriebeteiligungen einsetzen.
Wer trifft die Entscheidungen über die Anträge?
In der Regel sind die Anträge beim BMWi einzureichen. Das Gesetz sieht das BMWi als Hauptansprechpartner für die Wirtschaft vor.
Die Entscheidungen über stabilisierende Maßnahmen werden dann an das BMF delegiert, das sich bei jedem Antrag mit dem BMWi abstimmen muss.
In bestimmten Fällen kann die Bearbeitung von Anträgen und deren Entscheidung an die KfW delegiert werden.
Die KfW kann sich hierfür geeigneter Dritter bedienen. Dies dürfte darauf abzielen, ein formalisiertes Verfahren, wie es bereits für KfW-Darlehen existiert, zu etablieren, um der hohen Zahl von Anträgen gerecht zu werden.
Konkrete Einzelheiten zur Übertragung von Aufgaben an die KfW sollen in einer gesonderten Rechtsverordnung geregelt werden, die von BMF und BMWi zu erlassen ist.
Der Gesetzgeber trägt dem Umstand Rechnung, dass die fachliche Kompetenz bei der KfW angesiedelt ist. Da das KfW-Sonderprogramm jedoch bereits Ressourcen innerhalb der KfW erfordert, bleibt abzuwarten, ob und inwieweit eine Aufgabenverteilung die Kapazitäten der KfW in der derzeitigen Situation belasten kann. Es ist davon auszugehen, dass die Delegation auf einfacher gelagerte Fälle angewendet wird, während komplexere Entscheidungen dem BMF und dem BMWi vorbehalten bleiben.
Die folgenden Kriterien müssen von der Entscheidungsbehörde bei der Ausübung des Ermessens bezüglich des Antrags auf Stabilisierungsmaßnahmen beachtet werden:
Es ist offensichtlich, dass sich der Entscheidungsprozess von den Kreditentscheidungen der KfW in Bezug auf ihr Sonderprogramm unterscheiden wird. Unbeschadet des Falles, dass der Antragsprozess vollständig auf die KfW übertragen wird, ist dies aus zwei Gründen möglich: Da das erklärte Ziel des WSF politisch ist - den Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen zu verhindern - wird der materielle Entscheidungsprozess naturgemäß davon beeinflusst werden. Außerdem wird es neben einem möglichen Expertengremium nur politische Entscheidungsträger geben.
Die operative Abwicklung der im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen erworbenen Investitionen obliegt dem BMF, kann aber durch Rechtsverordnung auf die KfW übertragen werden; dies wird durch die offizielle Begründung des Gesetzes übernommen.
Verwaltung des WSF
Mit der Verwaltung der Mittel ist die Deutsche Finanzagentur beauftragt. Diese wurde während der Finanzkrise für die Verwaltung des SoFFin eingerichtet und gilt als für das Tagesgeschäft des WSF, insbesondere in Bezug auf das Risikocontrolling und die Berichts- und Informationssysteme, gerüstet.
Wer ist für eine Bewerbung geeignet?
Wie bereits erwähnt, zielt der WSF in erster Linie auf die Stabilisierung von Unternehmen ab, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland oder den Arbeitsmarkt von erheblicher Bedeutung sind. Eine solche erhebliche Bedeutung wird in Fällen angenommen, in denen die existenzielle Bedrohung eines Unternehmens erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, die technologische Souveränität, die Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt haben würde.
Es besteht kein Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem WSF.
In diesem Sinne legt das Gesetz die folgenden Kriterien fest, die erfüllt sein müssen, damit ein Unternehmen für Stabilisierungsmaßnahmen in Frage kommt. Förderfähig sind gewerbliche Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind (das sind insbesondere Unternehmen, die weder CRR-Kreditinstitute noch CRR-Wertpapierfirmen im Sinne des Kreditwesengesetzes sind) und die in den letzten beiden Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt haben, die bereits bilanzwirksam geworden sind:
a) eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen EUR;
b) mehr als 50 Millionen EUR Umsatz; und
c) mehr als 249 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt.
Nach dem Ermessen des WSF-Ausschusses stehen die stabilisierenden Maßnahmen des Fonds auch systemisch wichtigen kleineren Unternehmen und Unternehmen im Bereich der kritischen Infrastruktur zur Verfügung.
Darüber hinaus können Start-ups, die seit dem 1. Januar 2017 von privaten Investoren in mindestens einer abgeschlossenen Finanzierungsrunde mit einem Unternehmenswert von mindestens EUR 50 Millionen einschließlich des in dieser Runde aufgebrachten Kapitals bewertet wurden, für Rekapitalisierungsmaßnahmen in Frage kommen.
Weder die Rechtsform noch der Sitzstaat des antragstellenden Unternehmens ist relevant. In Bezug auf letzteres kann eine ausländische Einheit förderfähig sein, wenn sie z.B. kritische Infrastrukturen unterhält oder für die Aufrechterhaltung der Versorgung in Deutschland relevant ist.
Welche Bedingungen gibt es für stabilisierende Maßnahmen?
Unternehmen sind nur dann förderfähig, wenn sie keinen Zugang zu anderen Finanzierungsquellen haben. Die praktischen Auswirkungen dieser "Lender-of-last-Resort"-Anforderung sind noch nicht vorhersehbar. Es könnte argumentiert werden, dass diese Anforderung auf "keinen Zugang zu anderen geeigneten Finanzierungsquellen" beschränkt werden muss. Es stellt sich auch die Frage, wie diese Anforderung mit anderen staatlichen Beihilfemaßnahmen zusammenhängt.
Die Stabilisierungsmaßnahmen müssen nach Überwindung der Pandemie eine klare unabhängige Fortführungsperspektive bieten. Unternehmen, die eine Maßnahme nach diesem Gesetz beantragen, dürfen bis zum 31. Dezember 2019 nicht die EU-Definition von "Unternehmen in Schwierigkeiten" erfüllen.
Wie in der Finanzkrise muss jeder, der sein Unternehmen durch staatliche Mittel stabilisieren möchte, bereit sein, sich in der Unternehmensführung möglicherweise erheblichen Einschränkungen zu unterwerfen.
Einerseits müssen die begünstigten Unternehmen eine solide und umsichtige Geschäftspolitik gewährleisten. Sie sollen zur Stabilisierung der Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen. Um sicherzustellen, dass diese Anforderungen erfüllt werden, können mit den Begünstigten der Stabilisierungsmaßnahme Bedingungen vereinbart werden.
Andererseits müssen die Unternehmen je nach Art und Empfänger der Stabilisierungsmaßnahme einen Katalog von Anforderungen erfüllen, um eine solide und umsichtige Geschäftspolitik zu gewährleisten, zu denen auch die Verwendung der Mittel, die Dividendenausschüttung, die Begrenzung der Vergütung und sektorspezifische Umstrukturierungsbedingungen gehören.
Diese Anforderungen werden durch Rechtsverordnung festgelegt und sind für jeden Fall individuell zu bestimmen. Da die Gewährung von Mitteln durch den SoFFin an vergleichbare Voraussetzungen geknüpft war, kann hier ein Vergleich gezogen werden.
Falls Sie erwägen, WSF-Mittel zu beantragen, sind mehrere Dinge zu berücksichtigen. Neben der Frage der Förderfähigkeit nach den festgelegten Schwellenwerten muss Ihr Unternehmen eine Fortführungsperspektive belegen und Unterlagen vorlegen, die die wirtschaftliche Gesundheit des Unternehmens vor 2020 belegen.
Darüber hinaus können Sie die Anwendung auch dann in Betracht ziehen, wenn die festgelegten Schwellenwerte nicht erreicht werden. Für kleinere Unternehmen sieht das Gesetz die Möglichkeit einer politischen Entscheidung darüber vor, ob ein Unternehmen "von ähnlicher Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft" ist. Die in letzter Minute erfolgte Einbeziehung von Start-up-Unternehmen zeigt einen pragmatischen Ansatz des deutschen Gesetzgebers und die Bereitschaft, jeden Teil der Wirtschaft so zu unterstützen, wie es für die Erhaltung ihrer Funktion als Fundament der Gesellschaft erforderlich ist.
Wir helfen Ihnen gerne bei der Beurteilung, ob Sie sich für den WSF bewerben wollen, und begleiten Ihren Bewerbungsprozess.
Wie lange stehen Stabilisierungsmaßnahmen zur Verfügung?
Die Stabilisierungsmaßnahmen des WSF stehen bis zum 31. Dezember 2021 zur Verfügung. Nachdem der WSF seine Aufgabe erfüllt hat, wird es abgewickelt und aufgelöst.