Bereits seit einiger Zeit ist es erklärtes Ziel der Europäischen Union, die Transformation hin zu einer nachhaltigen und CO2-neutralen Wirtschaft voranzutreiben. Die letzte EU-Kommission fasste diese Regulierungsinitiative unter dem Namen „Green New Deal" zusammen. Der Green New Deal dient insbesondere im Finanzwesen dem übergeordneten Ziel, Anlegervertrauen in nachhaltige Investitionen zu stärken, damit das notwendige Kapital für eine nachhaltigere Wirtschaft bereitgestellt werden kann.
Voraussetzung dafür ist, dass Privatanleger und institutionelle Investoren informiert darüber entscheiden können, ob die Anlageprodukte ihren Vorstellungen von Nachhaltigkeit entsprechen. Eine besondere Dringlichkeit ergibt sich zudem daraus, dass in den letzten Jahren die Nachfrage der Anleger nach Investmentfonds, die ESG-Faktoren einbeziehen, stark zugenommen hat und erwartungsgemäß auch in Zukunft wachsen wird.
Der dadurch entstehende Wettbewerbsdruck schafft Anreize für Vermögensverwalter, Fonds auf den ersten Blick durch ihren Namen als ESG-compliant darzustellen. Immer öfter tritt daher das Problem auf, dass Finanzunternehmen ihre Produkte oder Dienstleistungen als „nachhaltig" bewerben, diese Angaben aber tatsächlich irreführend sind und dem eigentlichen Anspruch an Nachhaltigkeit nicht gerecht werden. In diesem Fall spricht man vom sog. „Greenwashing".
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wehrt sich nun mit ihren am 14. Mai 2024 veröffentlichten Leitlinien zur Verwendung bestimmter Fondsnamen gegen dieses Greenwashing. Bei den Leitlinien der ESMA handelt es sich um rechtlich nicht verbindliche, abstrakt-generelle Vorgaben an die nationalen Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmer, die gehalten werden, alle erforderlichen Anstrengungen zur Befolgung der Leitlinien zu unternehmen. Werden diesen nicht entsprochen, haben die nationalen Behörden gegenüber der ESMA nach dem „comply-or-explain"-Prinzip den Grund für die ablehnende Haltung zu erklären. Letztlich handelt es sich bei den Leitlinien zwar „nur" um soft law, sodass keine rechtlichen Verpflichtungen begründet werden. Dennoch weisen die Leitlinien eine hohe faktische Bindungswirkung auf. Zudem könnte das soft law der ESMA im Rahmen zivil- und strafrechtlicher Verfahren herangezogen werden.
Die Relevanz der Leitlinien ist daher nicht zu unterschätzen. Von den 67.496 Investmentfonds mit Sitz in der EU haben ESMA-Mitarbeiter zudem immerhin 6.490 Fonds identifiziert, die ESG-bezogene Begriffe in ihrem Namen führen. Mit knapp 10% aller bestehenden Fonds ergibt sich daher ein durchaus umfassender künftiger Anwendungsbereich der Guidelines im Finanzsektor.
Fondsnamen sind ein wichtiges Marketingtool im Vertrieb, da sie einen ersten Eindruck des Finanzprodukts vermitteln und Anlegern eine Orientierung geben, ob ein Fonds nachhaltig aufgestellt ist. Nach der EU-Sustainable Finance Disclosures Regulation (SFDR) sollen Fonds bereits jetzt im Rahmen vorvertraglicher Aufklärungspflichten offenlegen, mit welchem Anteil der zugrunde liegenden Vermögensgegenstände die nachhaltigen Anlageziele erreicht werden sollen (vgl. bspw. Art. 8, 9 SFDR).
Hierauf baut nun der Vorschlag der ESMA auf. Durch ihn wird die Verwendung von ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen in Fondsnamen an die Voraussetzung geknüpft, dass mindestens 80% der Investitionen ESG-Kriterien oder Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen.
Daneben ist weitere Voraussetzung jedenfalls für Fonds, die „E"-Kriterien verfolgen, dass die Ausschlusskriterien der „Paris-Aligned-Benchmarks" (PAB) berücksichtigt werden. Die Ausschlussliste erfasst als Investitionsverbote bspw. Unternehmen,
Fonds, die keine „E"-, sondern „S"- oder „G"-Kriterien oder -Ziele verfolgen, sollen nicht den PAB-Ausschlusskriterien unterliegen, insbesondere nicht den Ausschlüssen mit Bezug zu fossilen Energieträgern. Für sie gelten vielmehr nur die „Climate-Transition-Benchmarks" (CTB). Diese beinhalten nur Ausschlusskriterien für Unternehmen, die in Aktivitäten mit kontroversen Waffen involviert sind, am Anbau und an der Produktion von Tabak und die nach Ansicht der ESMA gegen die OECD-Leitsätze verstoßen.
Es wird erwartet, dass Fondsmanager die Verwaltungsgebühren erhöhen müssen, um die Anforderungen der neuen Leitlinien zu erfüllen. In der Konsultationsphase gaben einige Betroffene als geschätzten Compliance-Kostenaufwand eine Spannbreite von EUR 20.000 bis zu EUR 100.000 an. Diese Kosten resultieren aus dem dringenden Handlungsbedarf, der für Fondsmanager entsteht, wenn den Voraussetzungen der Guidelines bisher noch nicht entsprochen wird. Konkret müssen die Fondsmanager entweder den Namen des Fonds oder seine Strategie überarbeiten. Folge ist, dass entweder die vorvertraglichen und periodischen Offenlegungsunterlagen und das Marketingmaterial oder die Zusammensetzung des Portfolios geändert werden müssen. Von Seiten der ESMA wird aber angemerkt, dass die Kosten zum einen nur bei schon bestehenden Fonds anfallen und zum anderen auch nur einmaliger Handlungsbedarf im Rahmen der Einführung der Vorgaben der Richtlinie besteht.
Die von der ESMA am 14. Mai 2024 veröffentlichten finalen Leitlinien werden nun in die EU-Amtssprachen übersetzt und auf der Website der ESMA veröffentlicht. Drei Monate danach treten sie endgültig in Kraft und sind auf neu aufgelegte Fonds anzuwenden. Nach 9 Monaten finden sie zudem Anwendung auf bereits existierende Fonds. Die Leitlinien werden voraussichtlich die aktuellen Verwaltungsrichtlinien der BaFin, basierend auf dem Entwurf der BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen von August 2021, ablösen. Für zu diesem Zeitpunkt bereits existierende Fonds gibt es keinen umfassenden Bestandsschutz, sondern lediglich eine sechsmonatige Übergangsfrist. Daher sollten betroffene Marktteilnehmer in jedem Fall prüfen lassen, ob für ihre Fonds auf Grund der Leitlinien ein Änderungsbedarf entsteht.